Die Autorin hat sich offenkundig intensiv mit der Persönlichkeit Koldeweys auseinandergesetzt, zumal er zahllose Briefe und Notizbücher hinterlassen hat, die der Alltagskommunikation und Dokumentation seiner Funde dienten. So besteht aber auch der Roman aus einer Aneinanderreihung von Koldeweys Gedankengängen, eine Art philosophischer, wissenschafticher, gesellschaftsreflektierender Wust von Ideen, Beobachtungen und Tagträumereien. Dabei bleibt Koldewey keineswegs in seinem Fachgebiet (das sowieso nicht ganz klar umrissen ist von seiner Ausbildung her...), sondern mäandert von Medizin zu Politik, von Theologie zu Geschichte, und so weiter.
Die teils sehr schönen, aber auch sehr verschachtelten Satzgebilde führen meistens nirgendwohin. Dazu kommt die völlige Abwesenheit einer Handlung. Über weite Teile des Buches passiert nichts, Koldewey liegt mit Bauchschmerzen in seinem Zimmer, Koldewey geht hinaus zur Grabungsstelle und tut dort nichts (die Landschaft wirkt auf ihn). Bei der Fahrt nach Berlin, bei der eine gedanklich halbwegs interessante Parallele zwischen dem immer wieder überbautem Babylon und dem zur Großstadt anwachsenden Berlin errichtet wird, passiert auch fast nichts. Hinzu kommen aneinandergereihte Briefe (immer nur eine Seite des Dialogs) und Listen z.B. mit Chiffren oder Arbeiternamen. Dieses Babel war nicht so sehr sprachverwirrend als vielmehr ein verwirrender Querschnitt intellektuellen Gedankenguts zu dieser Zeit mit absurden und sehr vereinzelt weisen Erkenntnissen, die darin versteckt liegen. Wäre das Buch nicht relativ kurz gewesen, hätte ich es vermutlich abgebrochen. Ich habe Hochachtung vor der Arbeit, die Babel zugrunde liegen muss, aber als Lesende hat es mich nicht überzeugen können und mir wenig Freude bereitet.
Kenah Cusanit, Babel. Hanser 2019.

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