Ewald Arenz Roman Zwei Leben spielt in einem Dorf in Süddeutschland im Jahr 1971. Roberta ist 20 und hat in der nächsten Stadt eine Schneiderlehre gemacht. Doch anstatt ihre Träume von interessanten Kleidern, Mode und Paris anzugehen, kehrt sie pflichtschuldig auf den Hof der Eltern zurück. Ihre Liebe zum Pfarrerssohn Wilhelm ist ihr Gegenpol zur Arbeit mit Vieh und Acker. Parallel wird zudem die Geschichte von Gertrud, der Pfarrersfrau, erzählt, die sich nichts sehnlicher wünscht, als dem für sie freudlosen Leben auf dem Land zu entkommen.
Arenz entwirft zwei gegensätzliche Frauenfiguren, die schlussendlich aber doch ähnliche Erfahrungen machen und ähnliche Lebensentscheidungen treffen müssen. Mir haben die Figuren und ihre Situationen zunächst gut gefallen: Gertrud, die aus Loyalität heraus nicht aus ihrem Leben ausbrechen will, aber es schließlich tun muss. Roberta, die noch so jung ist, dass sie sich erst vorsichtig herantasten muss, was ein gutes, erfülltes Leben für sie bedeutet. Während Pfarrer und Robertas Eltern nur umrissen werden und als Charaktere keine Bedeutung erlangen, gefällt mir Robertas Großvater als Figur gut. Doch schon bei dem gemeinsamen Nenner der Frauen, nämlich Wilhelm, habe ich Schwierigkeiten. Er ist zu gut, um wahr zu sein, er ist für seine Zeit den Frauen gegenüber sehr rücksichts- und verständnisvoll. Er traut Roberta mehr zu als sie sich selbst, seine Mutter unterstützt er vorbehaltlos. Und das in einem konservativen Umfeld 1971. Ein halbes Wunder von einem jungen Mann, der von beiden Frauen idealisiert wird. Dabei driftet der durchaus tragische Plottwist für meinen Geschmack dann auch zu sehr ins Kitschige ab. Nun erlaubt der Autor seinen Protagonistinnen, Lebensentscheidungen zu treffen, an die sie vorher kaum zu denken wagten. Insgesamt ist Zwei Leben ein durchaus unterhaltsamer Roman mit Einblicken in Ort und Zeit, der aber ungenutztes Potential in Bezug auf die Frauenperspektive (finanzielle Unabhängigkeit, Abtreibung...) hat.
Ewald Arenz, Zwei Leben. DAV 2024.

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