Friday, June 13, 2025

Howard Pyle - Robin Hood

Einiges hat mich bei der Recherche zu Howard Pyles The Merry Adventures of Robin Hood überrascht. Jede:r kennt die Story vom Outlaw im Sherwood Forest bei Nottigham, der von den Reichen nimmt und die Armen unterstützt. Alles irgendwann in einer Zeit im frühen England. Das hat man mehrfach in den verschiedensten Fassung in Film, Fernsehen, usw. gesehen. Wenn man hört, dass es schon sehr frühe Überlieferungen des Stoffes gibt, so glaubt man dies unbesehen. Das stimmt auch. Doch die Fassung, die am bekanntesten ist, hat ausgerechnet ein US-amerikanischer Schriftsteller aufgeschrieben. Pyle (1853.1911) stammt aus Delaware und schrieb die gesammelten Balladen und Geschichten in einer halbwegs sortierten Episodenfassung auf und veröffentlichte sein Werk 1883. Dabei veränderte er auch freiherzig einige Inhalte, wie es besser in sein Bild von Robin Hood passte. Aber dann wird es schräg, finde ich. Seine Quellen waren größtenteils in einem Middle English geschrieben, das ca. 1066 bis zum späten 15. Jahrhundert gesprochen wurde, also relativ unverständlich für sein Zielpublikum, nämlich Kinder des 19. Jahrhundert. Was tat Pyle? Er bastelte sich einfach sein eigenes "Middle English", das zwar prachtvolle alte Wörter wie "thou" und "quoth" enthält, aber im Grunde keine real verwendete Sprache war. 
"Now will I make my vow," quoth Little John, "thou art the very best swordsman that ever mine eyes beheld." ...

Dafür war das ganze natürlich halbwegs lesbar für das moderne Publikum. Die Sprache, die Pyle verwendete, ist vielen jetzt vertraut als eine Art Middle English oder einem frühen modernen englischen Dialekt. Das Lesen ist dennoch holprig, nunja, inzwischen ist diese modernisierte Sprache auch wieder fast 150 Jahre alt...
Als Leseerfahrung (in einer wunderschönen Sterling Classic Fassung und als Librivox Audio) war es ganz hübsch, inhaltlich konnte es mich weniger fesseln und über einige der Episoden bin ich eher schnell hinweggehuscht. Robin Hood entkommt mit Schläue, kämpferischen Fähigkeiten und der Hilfe seiner Kumpels vielen Verfolgungen durch den Sheriff bzw. er trifft XY unterwegs, kämpft ein bisschen, fragt dann hinterher nach XYs Namen und nimmt ihn in seine Bande auf. Frauen kommen natürlich kaum vor und spielen keine Rolle. Jedenfalls weiß ich nun einiges mehr über diesen Klassiker, der eigentlich in seiner Form keiner ist. Oder doch? Käme auf die Definition an.

Howard Pyle, The Merry Adventures of Robin Hood. Sterling Classic 2004.

Wednesday, June 11, 2025

Yrsa Sigurdardottir - Rauch

Yrsa Sigurdardottir erzählt in Rauch die Geschichte einer ungleichen Freundesgruppe aus Studienzeiten, die zur Beerdigung einer weiteren Freundin auf eine der Westmännerinseln reisen. Sie mieten sich in einem abgelegenen Haus ein und ein Fund im Haus der Verstorbenen zwingt sie, sich mit einem lange zurückliegenden Ereignis auseinanderzusetzen: Nach einer außer Kontrolle geratenen Feier verschwand eine Mitbewohnerin der Clique. Drogen und Alkohol führten dazu, dass alle nur bruchstückhafte Erinnerungen an diese Nacht haben. Gegenseitige Vorwürfe, Misstrauen und unüberlegtes Handeln lässt die Gruppe im Laufe des Romans immer weiter auseinanderbrechen. Ein paar Tage später reist eine Ermittlungsgruppe bestehend aus Karólína, Týr und Iðunn auf die Insel. Letztere ist die Pathologin, aus deren Sicht dieser zweite Erzählstrang erzählt wird. Zwei Leichen wurden entdeckt, die eine verbrannt, die andere mit Blick auf das Feuer sitzend. Die Spurenlage ist seltsam, die Bewohner des abgelegenen Hauses sind verschwunden, aber niemand weiß wohin. Es sind mehr Tote zu befürchten...
Es ist ungewöhnlich, aber auch irgendwie reizvoll, dass die beiden Erzählstränge am gleichen Ort mit nur wenig zeitlichem Abstand voneinander geschehen.  So weiß man immer nur ein klein wenig mehr über die Ereignisse und während das Ermittlungsteam einen größeren Überblick erhält, erfährt man durch die Freundesgruppe mehr von den emotionalen, persönlichen Beweggründen und Zusammenhängen. Allerdings handeln alle Beteiligten an einigen Stellen ausgesprochen unreflektiert, man könnte auch es auch dumm nennen, weswegen es gerade im letzten Drittel des Romans ein bisschen chaotisch zugeht (inklusive dem Cliffhanger). Das trübt die Freude an diesem sonst recht spanndenden und unterhaltsamen Islandthriller etwas. 

Yrsa Sigurdardottir, Rauch. Hörverlag 2024.

Saturday, June 07, 2025

Linda Castillo - Grausame Nacht

Im siebten Band Grausame Nacht von Linda Castillos Serie im Amish-Country ermittelt Kate Burkholder in einem Cold Case. Nach einem schrecklichen Tornado finden Pfadfinder beim Aufräumen einer alten Scheune alte Knochen - der Mann ist schon 30 Jahre tot. Wieder einmal muss Kate gegen die Widerstände der streng religiösen Bewohner von Painter's Mill ankämpfen, um etwas zu erfahren. Gleichzeitig gerät sie privat und beruflich unter zusätzlichen Druck. Letztere Probleme führen zu akuten Bedrohungslagen, in die sie - wie schon in anderen Bänden - reichlich unreflektiert allein hineinstolpert, ohne auf Backup durch ihr Department zu warten. Auch der private Konflikt schien mir etwas konstruiert, nach der langen und oft auf den Prüfstand gestellten Beziehung wirkt Tomassettis Reaktion unglaubhaft. Der Fall selbst hat einige gruselige Momente und wird nicht so sauber durch Ermittlungen aufgeklärt, was mir bei den anderen Bänden gut gefallen hatte. Hier fällt Kate die Auflösung am Ende in den Schoß - wenn auch natürlich nicht ohne gefährlichen Showdown. Dennoch hat mich Grausame Nacht gewohnt gut unterhalten. 

Linda Castillo, Grausame Nacht. Argon 2016. 

Monday, June 02, 2025

Marc-Uwe Kling - Das Känguru-Manifest

Das Känguru-Manifest ist der zweite Känguru-Band des "Kleinkünstlers" Marc-Uwe Kling. Ich kann prinzipiell das Gleiche dazu schreiben wie auch schon beim ersten Band. Einige Highlights zum laut Auflachen und sonst eher plätschernde Unterhaltung, als Live-Mitschnitt eine gute Wahl. 

Marc-Uwe Kling, Das Känguru-Manifest. Hörbuch Hamburg 2011. 


 

Saturday, May 31, 2025

Elisabeth Beer - Die Bücherjägerin

Irgendetwas mit Buch im Titel - das weckt bei einer bestimmten Leserschaft bestimmte Erwartungen. Die Bücherjägerin aus Elisabeth Beers Roman heißt Sarah und ihre Geschichte ist tragisch. Nach dem Flugzeugabsturz ihrer Eltern kommen sie und ihre Schwester Milena zu der ungewöhnlichen Tante Amalia, die Antiquitätenhändlerin ist. Der im Roman nicht so benannte, aber deutlich erkennbare Autismus erschwert Sarah das Leben zusätzlich, so dass beim Tod der Tante alles zusammenbricht, nicht nur das wackelige Geschäft, dass Sarah fortführen will, sondern auch ihr ganzen Leben. Da zaubert das Schicksal (oder Tante Amalia posthum) den britischen Bibliothekar Ben aus dem Hut und es folgt ein Roadmovie durch Frankreich und England auf der Suche nach einem verschollenen Kartenfragment. Parallel dazu wird die Geschichte der Familie Schicht für Schicht aufgedeckt, bis alles in das unvermeidbare Happy End mündet. 
Ja, Die Bücherjägerin ist ein Wohlfühlroman mit viel literarischen Anspielungen und Bildern und Buchliebhaberei. Das ist hübsch, aber auch nicht sonderlich innovativ. Mit den angerissenen Themen Autismus und Rassismus (in der Wissenschaft) ging es wenig vorwärts, hier wäre meines Erachtens noch Raum gewesen. Der Konflikt zwischen Sarah und Ben im letzten Drittel war vielleicht für den Plot nötig, aber recht unglaubhaft. Wenn die beiden sich so sensibel kennengelernt haben wie geschildert, wirkt die Wut seltsam aufgesetzt und die Reaktion Sarahs extrem. Insgesamt angenehme Unterhaltung, aber wenig mehr.

Elisabeth Beer, Die Bücherjägerin. Dumont 2023. 

Thursday, May 29, 2025

Bill Konigsberg - The Music of What Happens

Ein weiterer Fall von "Popsugar Reading Challenge made me read this"! Der dazugehörige Prompt lautet: A book about a food truck. Diese Kategorien werden von Jahr zu Jahr spezifischer und irgendwie auch seltsamer... 
The Music of What Happens von Bill Konigsberg stand immerhin als Bibliotheksausleihe zur Verfügung. Der Young Adult Roman handelt von zwei schwulen Jungen in Arizona, die sich in den Sommerferien mit dem Foodtruck Geld verdienen wollen. Jordan, dessen verstorbenem Vater der Truck gehörte, trifft per Zufall auf Max, der sich der Aufgabe Gerichte zu planen und zu kochen intensiv annimmt. Natürlich funkt es dann auch zwischen den beiden, soviel ist offensichtlich. Bemerkenswert ist aber, dass beide eine ganze Menge an emotionalem Ballast mit sich herumtragen, den sie allein kaum bewältigen können, da ihre eigenen Schutzmechanismen ihnen dabei im Weg sind. So brechen sie gegenseitig ihre Barrieren ein, ohne dass der Roman dabei zu kitschig wird. Dabei werden nebenbei auch noch sprachliche und gesellschaftliche Stereotype gegenüber Schwulen (aber nicht nur) aufgebrochen. Erzählt wird die Geschichte abwechselnd aus der Sicht von Jordan und Max, was für die Geschichte eine gute Wahl war.  <
Da hätte ich es schlechter treffen können bei diesem Prompt.

Bill Konigsberg, The Music of What Happens. One 2020.

Saturday, May 24, 2025

Teuto/Egge: Altenbeken - Silbermühle

Im Rother Wanderführer Teutoburger Wald findet sich als Tour 14 eine Streckenwanderung, die von Altenbeken über den Eggekamm nach Leopoldstal führt. Ich habe diese an den Enden etwas eingekürzt und als Start- und Endpunkt jeweils Wanderparkplätze ausgewählt statt die Innenstädte der Orte. Auch gab es am Ende noch einen Schlenker zur Silbermühle für Kaffee und Kuchen. Der Kammweg führt an zahlreichen Wegmarken vorbei, Hütten, Kreuze, Steine, aber vor allem liegen auch der Preußische und Lippische Verlmerstot auf dem Weg. Der Kammweg ist abwechslungsreich und bietet tolle Ausblicke - eine absolut empfehlenswerte Strecke. Insgesamt waren es dann etwa 12,6 km - hier der Link zur Tour bei Komoot

Blick auf Altenbeken und das Viadukt

Weite Ausblicke dank Borkenkäferschäden...


 




 


Eggeturm, geschlossen wegen Brandschäden :(
Preußischer Verlmerstot (468m)
  



Lippischer Velmerstot (441m)

  
Silbermühle


Thursday, May 22, 2025

Caroline Wahl - Windstärke 17

Caroline Wahls Debutroman 22 Bahnen begeisterte viele Leser:innen und der Folgeroman Windstärke 17 wurde entsprechend gespannt erwartet. Nachdem im ersten Roman Tilda im Mittelpunkt stand, die versucht, für die kleine Schwester Ida da zu sein, sie zu stärken und gleichzeitig richtige Entscheidungen für ihr eigenes Leben zu treffen, lernen wir nun Ida kennen. Die alkoholkranke Mutter hat inzwischen Selbstmord begangen und Ida leidet an Schuldgefühlen, dass sie dies nicht verhindert hat. Aber auch die Beziehung zu Tilda ist mit extremen Emotionen zwischen Vorwürfen und Neid belastet. Als sie die Schwester in Hamburg besuchen soll, besteigt Ida einfach einen beliebigen Zug und landet nur mit einem Koffer auf Rügen. Glückliche Zufälle lassen sie Knut und Marianne kennenlernen, die sie wie eine Tochter aufnehmen. Der ebenfalls angeschlagene Leif wird zu einem Freund, wenn auch die Beziehung nicht unkompliziert ist. Mit kleinen, häufig um sich selbst kreiselnden Schritten versucht Ida zu heilen und vorwärts zu gehen in ihrem Leben.
Mir hat Windstärke 17 gefallen, wenn auch nicht ganz so sehr wie 22 Bahnen. Ich vermute, das liegt an den extremen Problemen, mit denen Ida zu kämpfen hat. Mehr als einmal dachte ich, dass sie professionelle Hilfe braucht, um Trauma/Depression/Angststörung zu überwinden. Diese Hürden scheinen mir realistischerweise nicht mit zwei liebevollen und großzügigen Inselmenschen und einem abgedrifteten DJ zu meistern zu sein. Auch die Entfremdung von Tilda erschien mir wenig plausibel, zu extrem. Die Beweggründe von Knut und Marianne, eine fremde junge Frau, wenngleich auch dringend hilfsbedürfig, in ihrem Haus aufzunehmen, durchzufüttern und keine Fragen zu stellen, bleiben unklar. Die Bilder der Ostsee und der Insel (inklusive Baumwipfelpfad), die die Autorin zeichnet, gefallen mir dagegen, es ist ein passendes Setting für Heilung. Alles in allem "schön" erzählt. 

Caroline Wahl, Windstärke 17. Dumont 2024.

Sunday, May 11, 2025

Rasha Khayat - Ich komme nicht zurück

Die große Gemeinsamkeit der meisten Rezensionen, die ich zu Rasha Khayats Roman Ich komme nicht zurück gelesen habe, ist die Begeisterung für die Sprache des Romans. Dem stimme ich zu, die Autorin schafft es, mit ihrer Sprache zu fesseln.
Inhaltlich spielt sich auf den nur 176 Seiten viel, fast zu viel, ab. Es geht auf einer offensichtlichen Ebene um Freundschaft. Hanna, die Erzählerin, wächst bei ihren Großeltern in einer Siedlung im Ruhrpott auf. Sie ist befreundet mit Cem und dann kommt noch Zeyna dazu, die mit ihrem Vater aus Syrien geflüchtet ist. Vater und Tochter werden von Hannas Großeltern herzlich aufgenommen. Alles scheint harmonisch, die drei Kinder werden zusammen älter. Dann schafft Fremdenfeindlichkeit und auch blanker Hass nach dem 11. September 2001 Risse in ihrer Freundschaft, denn Hanna ist als Deutsche davon ausgenommen und versteht kaum, was die beiden anderen durchmachen - oder will es nicht wissen. Zeyna verfällt in Trotz, wird Fotografin und verlässt die Stadt, der Kontakt verliert sich. Hanna erzählt dies rückblickend aus dem Corona-Lockdown und nach dem Tod der Großeltern aus einer schweren Depression heraus. Die (Er-)Lösung aus ihrer verfahrenen Situation, so glaubt sie, liegt darin, wieder Kontakt zu Zeyna herzustellen. Cem versucht ihr derweil auf anderen Wegen zu helfen, Hanna nimmt diese Hilfe nur zögernd an, ohne sie wertzuschätzen. Schließlich eröffnet Hanna Cem die überraschenden wahren Gründe für ihr Zerwürfnis mit Zeyna. Der Roman endet auf einer hoffnungsvollen Note. Die Protagonistin Hanna schildert eindrücklich, wie festgefahren sie sich in ihrem Leben auf allen Ebenen fühlt: Der äußere Lockdown, der Verlust der Menschen, denen sie am nächsten war, das Fehlen von gesunden freundschaftlichen Beziehungen, das krampfhafte Festhalten an Dingen, die mal waren. Mir war sie an manchen Stellen zu blind für die Zusammenhänge, zu egozentrisch, zu wenig hinterfragend. Die Ereignisse, die zu Zeynas Kontaktabbruch führen, erschienen mir nicht plausibel, nicht in diesem familiengleichen System mit hohem Zusammengehörigkeitsgefühl. Andererseits war es eine überraschende "Auflösung" dieses dichtgestrickten Romans.

Rasha Khayat, Ich komme nicht zurück. Dumont 2024.

Saturday, May 10, 2025

John Green - Das Schicksal ist ein mieser Verräter (re-read)

Das erste Mal habe ich Das Schicksal ist ein mieser Verräter von John Green vor über 10 Jahren gelesen und mochte es. Nun habe ich mir als re-read das Hörbuch angehört. Das deutsche Audiobook wird von Anna Maria Mühe sehr angenehm gelesen. Ich fand die Wiederbegegnung mit den Charakteren schön und kann meine Gedanken vom ersten Lesen von damals noch gut nachvollziehen.  

John Green, Das Schicksal ist ein mieser Verräter. Silberfisch 2012.