Friday, April 09, 2021

Matt Haig - Die Mitternachtsbibliothek

Matt Haigs Die Mitternachtsbibliothek handelt vom Leben.
Dieses Leben, dieses eine Leben, das gelebt werden muss.
Es sollte nicht bereut, nicht gering geschätzt und nicht verachtet werden. Es sollte vielleicht überhaupt und gar nicht bewertet werden - wie kämen wir dazu?

Nora Seeds, 35 Jahre alt, Katzenbesitzerin, Klavierlehrerin und Verkäuferin in einem kleinen Musikgeschäft in Bedford, findet ihr Leben nicht mehr lebenswert und beschließt, sich umzubringen. Wäre ihr dies gelungen, so wäre es ein sehr kurzer Roman geworden, doch Matt Haig lässt sie in der Mitternachtsbibliothek stranden. Dort trifft sie ihre Schulbibliothekarin Mrs Elm wieder, die ihr eröffnet, sie könne ein anderes, sogar viele andere Leben ausprobieren, um herauszufinden, was passiert wäre, wenn sie sich in diesem oder jenem Moment anders entschieden hätte. Sie muss dazu nur eines der Bücher in der Bibliothek öffnen, die alle mit dem Titel "Mein Leben" überzeichnet sind.
So springt Nora in die unterschiedlichsten Leben, ist nacheinander Schwimmerin, Popstar, Polarforscherin und Philosophieprofessorin, doch keins dieser Leben scheint ihr das "richtige" zu sein. Aber sie kommt nach und nach dem auf die Spur, was das "richtige Leben" sein könnte, was wichtig ist und vor allem wovon es nicht abhängt.  

Welch wunderschöne Idee, diese Mitternachtsbibliothek, in der ungeahnte Möglichkeiten und Universen sich eröffnen! Dazu eine Bibliothekarin, die weise und leise und behutsam der irrenden Protagnistin den Weg weist. Die Botschaft am Ende klar und einfach: Lebe! Nimm an, was dir gegeben ist, in jedem Moment, an jedem Ort. Achtsamkeit und Bescheidenheit. Es sind die kleinen und leisen Dinge und nicht die großen und lauten, die Bedeutung haben.
Das alles gefällt mir sehr gut und ich habe mir diese Geschichte gern erzählen lassen. Nicht alle von Noras Leben haben mich berührt und nicht immer konnte ich ihr Verhalten und Empfinden verstehen, manche ihrer (bereuten) Entscheidungen blieben mir fremd. Aber das Buch webt einen Zauber aus dieser Idee der unendlichen Möglichkeiten, die im Grunde nichts bedeuten, aber zum Ziel führen, dem wahren, dem gelebten Leben. 

Matt Haig, Die Mitternachtsbibliothek. Droemer, München 2021.


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