Sunday, November 25, 2018

Antonina Tkach

by Russian artist Antonina Tkach - Fly to dreams
postcrossing card sent by Oksana from Perm City, Russia

Saturday, November 24, 2018

Nicci French - Eisiger Dienstag

Frieda Klein, Psychotherapeutin in London, wird in Eisiger Dienstag erneut von Inspector Karlsson zu Hilfe gebeten, als bei einem Fall eine Leiche in der Wohnung einer schwer psychisch erkrankten Frau gefunden wird. Frieda willigt ein, auch wenn sie nicht offiziell als Beraterin akzeptiert und angestellt wird. Denn der Fall erweist sich schon bald als sehr facettenreich: Der Ermordete hatte Beziehungen zu den unterschiedlichsten Menschen, die zwar dadurch menschlich profitierten, aber finanziell ausgenutzt wurden. Dadurch ergibt sich eine Vielzahl von Motiven...

Nicci French (alias Autorenteam Nicci Gerrard und Sean French) hat in dem zweiten Band der Reihe ihre Protagonistin deutlich weiterentwickelt: Zwar wirkt sie immer noch kühl, aber nun blickt der Leser stellenweise hinter die Fassade, erkennt das tiefe Mitgefühl, das Frieda zeigt, und erfährt auch etwas über ihre persönliche Geschichte. Und auch dieser zweite Fall hat es in sich und ist weniger vorhersehbar als der Vorgänger Blauer Montag. Hier lohnt es sicher, am Ball zu bleiben, um zu sehen, wie sich die Charaktere und auch die noch nicht abgeschlossenen Geschichten weiterentwickeln.

Nicci French, Eisiger Dienstag. Hörverlag 2013. 

Friday, November 23, 2018

Nicci French's Frieda Klein series

Nicci French is a British team of authors/journalists Nicci Gerrard und Sean French, married and living in London.
Frieda Klein is a London-based psychotherapist who helps Inspector Karlsson.

#1 Blue Monday / Blauer Montag
#2 Tuesday's Gone / Eisiger Dienstag
#3 Waiting for Wednesday / Schwarzer Mittwoch
#4 Thursday's Child / Dunkler Donnerstag
#5 Friday on My Mind / Mörderischer Freitag
#6 Saturday Requiem / Böser Samstag
#7 Sunday Morning Coming Down / Blutroter Sonntag
#8 The Day of the Dead / Der achte Tag

Tuesday, November 20, 2018

Catherine Meurisse - Die Leichtigkeit

Catherine Meurisse entkam nur durch einen Zufall dem Massaker in den Redaktionsräumen der Pariser Satirezeitschrift Charlie Hebdo, weil sie an jenem Morgen verschlief und zu spät zur Arbeit kam. Ihr und den anderen Überlebenden fiel die Aufgabe zu, weiterzumachen und dies unfassbare Erlebnis und den Verlust der langjährigen Kollegen und Freunde zu überwinden. In Die Leichtigkeit zeichnet sie diesen schweren Prozess auf. In beeindruckenden Zeichnungen, meist nur in leisen Pastelltönen aquarelliert, gibt sie der Verzweiflung, den psychischen Auswirkungen und den zum Teil vergeblichen Versuchen, der eigenen Hilf- und Sprachlosigkeit zu entkommen Raum.
Als der eine gangbare Ausweg für die Künstlerin erweist sich schließlich die Kunst selbst - in der Begegnung mit Literatur und Kunst und der darin wiedergefundenen Schönheit kann sie ihre Leichtigkeit wiederfinden und dadurch weiterleben.
Es ist ein beeindruckendes Selbstportrait, das Augen öffnet für die psychischen Auswirkungen, die Terrortaten auf die Überlebenden haben, und das bei all dem Schrecken dennoch Hoffnung vermittelt.

Catherine Meurisse, Die Leichtigkeit. Carlsen, Hamburg 2016.

Link zur Verlagsseite der Autorin
Link zu einer Rezension bei literaturkritik.de von Jonas Heß

Sunday, November 18, 2018

Roald Dahl - Charlie und die Schokoladenfabrik

Roald Dahl, unbestritten großartig.
Charlie und die Schokoladenfabrik, ein Klassiker, wie so viele seiner Bücher. In Deutschland seltsamerweise nicht so beliebt.
Natürlich kannte ich die Story und Tim Burtons brilliante Neuverfilmung von 2005 mit Johnny Depp als Willy Wonka.
Was mich beim Hören überraschte, waren die plastischen Beschreibungen der überaus großen Armut von Charlies Familie, die kurz vor dem Verhungern sind, als Charlie das goldene Ticket für den Besuch der Schokoladenfabrik findet. Der Zusammenhang mit dem ausbeuterischen, skrupellosen, schlicht kapitalistischen Willy Wonka, der die Oompa Loompas versklavt, ist fast zu offensichtlich... Dennoch macht die fantastische Welt der Schokoladenfabrik, der Grad der Verrücktheit ihres Chefs und die Freude darüber, dass die miesen Kinder mit ihrem miesen Verhalten ihre gerechte (?) Strafe erhalten und Charlie gewinnt, einfach Spaß. Das Wissen darum, dass es hier noch eine andere Ebene zum Nachdenken gibt, schadet dabei nicht.

Roald Dahl, Charlie und die Schokoladenfabrik. Hörverlag 2009.

Saturday, November 17, 2018

Robert Louis Stevenson - Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde


Robert Louis Stevenson veröffentlichte seine Novelle Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde im Jahr 1886, auf der sich in der Folge die weit verbreitete Doppelgänger-Motivik in Literatur, Filmkunst, Musik oder auch in der Comic-Literatur gründete. Es ist eine der am häufigsten verfilmten Geschichten. Als Klassiker steht sie auch auf der Liste der Buchkultur-Challenge.
Durch die Kenntnis der Geschichte, also der Doppelidentität, kann einen die ursprüngliche Geschichte nicht mehr überraschen. So war es zwar interessant, den Aufbau der Geschichte und die Charaktere näher kennenzulernen, aber großes Lese- bzw. Hörvergnügen kam bei der Lesung durch Wolfgang Gerber nicht auf.
Anders hingegen bei der freier gestalteten und gut inszenierten Fassung der "Meister der Angst"-Reihe (Random House Audio), in der einige der Horrorklassiker als Hörspiele veröffentlich wurden. Dr. Jekyll und Mr. Hyde werden gespielt von Andreas Fröhlich, der die beiden Charaktere stimmlich so exzellent umsetzt, dass man fast nicht glaubt, den gleichen Sprecher zu hören. Schwer beeindruckend. Andere Sprecher sind u.a. Peter Weis, Wolf Frass, Klaus Dittmann und Patrick Bach. Hier entstand tatsächlich eine gruselige Atmosphäre und die Charaktere erhielten mehr Tiefe als dies bei der Lesung des Originals - auch sprachlich - möglich war. 





Friday, November 16, 2018

Thomas Krüger - Erwin, Mord und Ente

Thomas Krüger (*1962 in Löhne) ist Journalist, Verleger und Autor. Auf seine Krimireihe um Erwin Düsedieker stieß ich nur, weil mir ein von Dietmar Bär gesprochenes Audiobook in die Hände fiel, das mich positiv überraschte. So wird doch - wie schon des öfteren von mir angemerkt - bei den Krimis mit Lokalkolorit erschreckend viel schwaches Zeug verlegt.
Thomas Krüger lässt seinen schrägen ersten Fall Erwin, Mord und Ente in dem fiktiven Ort Versloh-Bramschebeck (Ähnlichkeiten zu Versmold, Gütersloh, ... sind sicher rein zufällig) spielen. Dies ist ein kleines westfälisches Kaff und so sind alle Namen für einen, der da wech kommt, recht geläufig, klingen für anderswo wohnende sicher manchmal etwas konstruiert. Auch die Atmosphäre und der Sprachgestus passt - in der Umsetzung von Dietmar Bär (obwohl als Dortmund Geborener kein echter Ostwestfale) wird daraus ein absolut witziges Hörerlebnis.
Die Charaktere, allen voran der scheinbare Dorfdepp und Protagonist Erwin, der seine Leidenschaft für Schaumbäder und das Lesen gut geheim hält, bestechen durch Originalität und dennoch Authentizität, nur ganz selten gleitet dies ins Klamaukige ab. In Begleitung der schlauen Laufente Lothar durchstreift Erwin sein Dorf und die umliegenden Felder und Wälder. Als zuerst eine Leiche aus der Zeit des zweiten Weltkriegs auftaucht und danach auch noch überraschend die Inhaberin des Dorfladens verstirbt, wird in Erwin die Neugier wach und er beginnt zu ermitteln - etwas, dass ihm weder sein verstorbener Vater (Dorfpolizist) noch irgend jemand anderes im Dorf zutrauen würde. Trotz aller Schrulligkeit und allem Augenzwinkerns angesichts dieser Hauptpersonen (Mann und Ente) fasst Thomas Krüger dennoch ein ernstes Thema an, denn die Täter des alten Mordfalls sind mit ihrem rassistisch-nationalsozialistischen Gedankengut immer noch im Dorf präsent und Erwin gerät selbst in Gefahr...
Ein humorvoller, aber dennoch spannender und plausibler Krimi mit interessanten Charakter, der durch die großartige Lesung von Dietmar Bär und auch durch das Lokalkolorit überzeugt.

Thomas Krüger, Erwin, Mord und Ente. Random House Audio 2013.

Thomas Krügers Erwin Düsedieker-Reihe:
#1 Erwin, Mord und Ente (2013)
#2 Entenblues (2014)
#3 Erwin, Enten und Entsetzen (2015)
#4 Erwin, Enten, Präsidenten (2017)

Sunday, November 11, 2018

Janet Evanovich - Mit High Heels und Handschellen

Für die Popsugar Lesechallenge brauchte ich noch ein Buch, in dem es um einen Raub geht. Der Originaltitel von Mit High Heels und Handschellen lautet The Heist und ist der erste Band einer Reihe um die FBI-Agentin Kate O'Hare und einem Betrüger namens Nicolas Fox.
Schon nach den ersten Seiten war mir im Grunde klar, dass dies kein Buch für mich und meine Lesegewohnheiten ist: Chick-Lit meets crime. Der deutsche Titel sendete diesbezüglich auch schon eine deutliche Warnung aus. So bewegt sich der "Krimi" oft am Rande des Klamauks, sowohl was die Handlung als auch die Charaktere angeht. Unterhaltsam mag das an der ein oder anderen Stelle auch sein, sonst hätte ich es nicht zuendelesen können.
Die Prämisse ist, Kate jagt Nick, den genialen Betrüger. Als er dann erwischt wird, verbündet er sich mit dem FBI um einen anderen Betrüger mit Hilfe seinen besonderen betrügerischen Fähigkeiten dingfest zu machen und diesem die 500 Millionen, die er entwendet hat, wieder abzuluchsen. Kate wird ihm als Partner zugeteilt, sie schwankt zwischen Misstrauen und sexueller Anziehung, arbeitet aber nahezu perfekt mit Nick zusammen. Die beiden absolvieren ihren Auftrag erfolgreich, inklusive vieler James-Bond-vergleichbarer Szenen (die man evtl. dem Co-Autor Lee Goldberg zuschreiben kann), Ende bezüglich der Liebesbeziehung offen. Ist ja klar, sonst kann die Serie schlecht fortsetzen - inzwischen sind fünf Bände veröffentlicht, der sechste ist angekündigt.
Für mich endet die Reihe hier und jetzt.

Janet Evanovich, Mit High Heels und Handschellen. Goldmann, München 2014.

Tuesday, November 06, 2018

Wawatam Lighthouse

Wawatam Lighthouse, St. Ignace, Michigan, USA
This lighthouse card was sent by Michaela from the US. I read about Wawatam Lighthouse on wikipedia and found out that this lighthouse once stood 530km away from it's current position and that it was transported there so it could be of real use... It was quite expensive too. Strange story, isn't it?

Yellow Horses


After taking a longer break from postcrossing I recently restarted this hobby again and now the first cards are coming in again - what a joy!
 
Here's one from Joke from the Netherlands who likes expressionistic art like me. She chose well, it's the Little Yellow Horses by Franz Marc, one of my favourite artists. He painted it in 1912. So sad, that he died early in 1916 in World War I when he was only 36 years old. Imagine what he could have created if he had lived longer... 


Monday, November 05, 2018

Guillaume Musso - Nachricht von dir

"Als sich Madeline und Jonathan am Flughafen begegnen, denken sie nicht im Traum an ein Wiedersehen. Doch hat das Schicksal anderes mit ihnen geplant: Ihre Leben sind schon seit Langem miteinander verknüpft - genau wie tiefe Wunden aus der Vergangenheit, die sie nun mit aller Macht einholen..."
Dieser Klappentext zu Guillaume Mussos Nachricht von dir lässt einen auf einen typischen romantischen Roman tippen - das stimmt nur zum Teil. Die zwei starken Protagonisten, beide in einer persönlichen Krisensituation, können sich erst gar nicht leiden, entwickeln, dann aber doch Interesse aneinander, mehr oder weniger erzwungenermaßen. Dann entstehen um beide Charaktere aber kriminalistische Ermittlungen, die sie gemeinsam angehen müssen, um voranzukommen. Gleichzeitig werden sich beide darüber klarer, was sie mit ihrem Leben in Zukunft anfangen wollen. Es entsteht so eine ganz unterhaltsame Mischung aus (Liebes-) Roman und Kriminalgeschichte.
Die Lesung in verteilten Rollen wird von Nina Petri und Andreas Fröhlich wie gewohnt hervorragend umgesetzt, beides sind erfahrene und versierte Sprecher.

Guillaume Musso, Nachricht von dir. Osterwold, Hörbuch Hamburg 2012. 

Saturday, November 03, 2018

Losgelöst - Der Unverpackt-Bioladen


Endlich gibt es auch in Bielefeld eine Möglichkeit, Biolebensmittel unverpackt ohne Plastikgedöns einzukaufen. Eine durchweg gute Sache und ich freue mich für die Betreiber, dass sie ihr Projekt umsetzen konnten!

Friday, November 02, 2018

Janne Teller - Alles, worum es geht

Alles, worum es geht von der dänischen Autorin Janne Teller ist eine Sammlung von Kurzgeschichten. Vielfältige Themen, unterschiedliche Adressaten, von Jugendlichen bis hin zum Erwachsenen, so schreibt sie selbst in ihrem Nachwort. Bis auf die titelgebende Geschichte "Alles", beschreiben und betrachten sie alle eine Form von Gewalt. Sprachlich eindrucksvoll, erzählerisch knapp, aber (be-)deutungsintensiv.
"Alles" dagegen handelt vom Schreiben - "Alles" ist das flüchtige Wahrhaftige, welches das lyrische Ich einzufangen versucht, um es zu Papier zu bringen. Dabei widersetzt es sich, ist bockig, leicht verscheuchbar, das lyrische Ich zu leicht ablenkbar und unsicher, mit Gewalt ist "Alles" nicht einzufangen. Es ist ein Sprachspiel und gleichzeitig ein sehr beeindruckendes Bild, wie intensiv die Autorin mit ihren Botschaften und deren sprachlicher Repräsentation ringt.
"Alles" - aber auch die ganze Anthologie - ist beeindruckend und genauere Betrachtung wert.

Janne Teller, Alles, worum es geht. Hanser, München 2013.  

Sten Nadolny - Die Entdeckung der Langsamkeit

Die Entdeckung der Langsamkeit ist der bekannteste und erfolgreichste Roman des deutschen Schriftsteller Sten Nadolny. Er erzählt die Geschichte des Seefahrers und Entdeckers Sir John Franklin (1786-1847), wobei zwar die historischen Fakten bezüglich seiner Familie, Ausbildung, seines beruflichen Werdegangs und seiner Expeditionen eingehalten werden, die Schilderung seiner Figur aber mit großer literarischer Freiheit erfolgt.

Im Titel begegnen sich die Langsamkeit und das Entdecken, die zwei Hauptmerkmale, die der Autor seiner Figur zueignet. Sein John Franklin ist als Kind schrecklich langsam, kann keinen Ball fangen, seine Wahrnehmung kommt mit (normal) schnellen Bewegungen nicht zurecht. Nach und nach lernt er, diesen Nachteil zu kompensieren, indem er viele Dinge auswendig lernt, um damit seine Reaktionszeiten zu verkürzen. So kommt erfolgreich durch die Schulzeit und auch durch die Militärzeit, wobei er immer sein Ziel verfolgt, zur See zu fahren. Dabei wird ihm schnell klar, dass er sich nicht in der Rolle eines Kriegshelden sieht, das Töten verursacht ihm Übelkeit, er will andere Küsten, Länder und Menschen sehen und entdecken. Immer mehr erwächst aus seiner Langsamkeit die Stärke der Besonnenheit - er denkt lange über Entscheidungen nach und kommt dadurch zu besseren Ergebnissen als seine hastigen Mitmenschen.
Diese Besonnenheit spiegelt sich auch in der Ruhe und Bedächtigkeit von Nadolnys Erzählstil, trotzdem kommt man nicht umhin, sich von Franklins fantastischen und gefährlichen Erlebnissen und Reisen des späten 19. Jahrhundert, als es noch Dinge zu entdecken gab, gefangen nehmen zu lassen. Zwar stößt er immer wieder an die Grenzen des Machbaren, beispielsweise in seiner Funktion als Gouverneur von Tasmanien, gibt aber nie auf und findet neue Ziele, auf die er konsequent hinarbeitet. Aber auch sein eiserner Wille bezwingt nicht das Packeis der Arktis, in dem sowohl der fiktionale als auch der historische Franklin schließlich ihr Ende finden. 

Als ich den Roman erstmals als Schullektüre in den 90er Jahren las, konnte er mich nicht begeistern. Spannend fand ich die zum Buch passenden Dokumentation, die Fotos der exhumierten Leichen der Expeditionsteilnehmer zeigte und Spekulationen zu deren Todesursachen auflistete. Ich empfand die reale Geschichte als interessanter als die phasenweise zähe und stark reflektierende, gleichzeitig aber auch etwas emotionslose Schilderung im Roman. Ein Literaturstudium und einige 100 Romane später sehe ich das etwas anders. Zwar waren auch heute noch einige Abschnitte des Romans langatmig, aber dem Protagonisten bringe ich großen Respekt entgegen in Anbetracht der großen Schwierigkeiten, die ihm sein Handicap der Langsamkeit auf physischer, sozialer und emotionaler einbringt. Nadolny hat auf der Basis einer historischer Figur einen sehr facettenreichen, bewundernswerten Charakter erschaffen, dessen Handlungen erst dann wirklich plausibel werden, wenn man sich auf seine - langsame - Wahrnehmung einlässt. Und ist nicht gerade dies vor dem Hintergrund unserer hektischen, fremd- bzw. gerätegesteuerten Gegenwart höchst aktuell und bedenkenswert? Achtsamkeit. Zielstrebigkeit. Reflexion. Ich bin froh über diese Wiederbegegnung.

Abschließend ist zu sagen, dass der Autor sein Werk bedachtsam und nachdrücklich liest, ein absolut stimmiger Vortrag - keine Selbstverständlichkeit bei vorlesenden Autoren.

Sten Nadolny, Die Entdeckung der Langsamkeit. Mare 2004.

Thursday, November 01, 2018

Wishing I was somewhere else...

by InBetween / postcrossing card on its way to Ireland...

Douglas/Olshaker - Die Anatomie des Mörders

Dies ist eines der Bücher außerhalb meiner Lesegewohnheiten. Meine Poposugar reading challenge verlangte nach einem Buch über true crime und da ich Trueman Capotes Kaltblütig schon gelesen hatte, durchsuchte ich die Listen der Empfehlungen und stieß auf die Anatomie des Mörders. John Douglas und Mark Olshaker waren hochrangige FBI-Agenten, Douglas schrieb zahlreiche Bücher über seine Erkenntnisse als einer der ersten Profiler überhaupt und diente als Vorlage vieler literarischer und filmischer Charaktere.
Der Originaltitel des Buches (erstmals erschienen 1999) benennt dessen Inhalt genauer: The Anatomy of Motive: The FBI's Legendary Mindhunter Explores the Key to Understanding and Catching Violent Criminals. 
Es geht um die Motive, den Antrieb für die Taten der Gewaltverbrecher. Aus dem "Warum?" und "Wie?" lassen sich dann die notwendigen Schlüsse auf das "Wer?", also auf den Täter, ziehen. Die Autoren zeigen dabei grundlegende psychologische Zusammenhänge auf und beziehen diese dann immer auf drei bis vier Fallbeispiele. Die Verbrechen, um die es geht, sind nicht die spektakulären Sexualserientäter, um die es in Thrillern und Filmen häufig geht, vielmehr erzählt Douglas von seinen Erfahrungen mit Bombenlegern, Brandstiftern, Erpressern, Massenmördern (die heute wohl oft als Amokläufer bezeichnet werden) und einigen mehr. Dabei sind die Fälle durchaus spektakulär und der amerikanischen Öffentlichkeit sicherlich wohl bekannt.
Den Autoren gelingt ein locker-unterhaltsamer Erzählton, der die über 500 Seiten umfassenden Beispiele nicht langweilig werden lässt. Gleichzeitig sind sie immer bemüht, bei allen psychologischen und sozialen Zusammenhängen für die Beweggründe der Täter, die sie beschreiben, den Leser immer wissen zu lassen, dass sich die Mehrheit der Täter immer darüber bewusst war, was sie taten und sich dafür entschieden haben, ihre Taten durchzuführen - und damit sind sie auch für diese verantwortlich. Zusammenhängend mit dem Strafverfolgungs- und Rechtssystem der USA ist die Sichtweise der Autoren manchmal sehr amerikanisch, beispielsweise, wenn es um Prozessführung oder die Todesstrafe geht, aber dies stört nicht weiter. Die grundlegenden Erkenntnisse über die Motive von Verbrechern und was zu ihren Taten führt, sind allgemein gültig. Ein interessantes Buch - einmal mehr gut, dass eine reading challenge mit ungewohnten Genres andere Perspektiven öffnet.

John Douglas/ Mark Olshaker, Die Anatomie des Mörders. Goldmann, München 2001.