Tuesday, November 21, 2006

Sunday, June 18, 2006

Erich Fried: Sie wird alt



In Katzenjahren gerechnet
ist sie nicht viel älter als ich
Sie bewegt sich vorsichtig:
Vom Fensterbrett springt sie
zuerst auf den Stuhl hinunter
und dann zögernd zu Boden

Sie geht langsam zu ihrem Napf:
Jede Bewegung ein Schmerz
Ich beginne aufzustehen
um ihr Futter zu geben
Ich zucke zusammen
und muß stillstehend
einatmen
ausatmen

Richtig:
Jede Bewegung ein Schmerz

aus: Erich Fried "Ein Leben in Bildern und Geschichten", Berlin 1996.

Sunday, June 04, 2006

The Serenity Prayer

In der Wohnung einer Freundin fand ich neulich eine Postkarte mit einem mir immer mal wieder begegnenden Text.
(Nicht zuletzt kenne ich ihn in einer englischen Fassung aus dem Vorspann einer meiner älteren CDs, nämlich "I do not want what I haven't got" von Sinead O'Connor, 1990, aber das nur am Rande.)

Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen,
die ich nicht ändern kann, den Mut,
Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Ich kannte mehrere, leicht verschiedene Fassungen, außerdem besagte englische Version. Frage: Was ist denn nun das "Original"?
Überraschenderweise fand ich heraus, dass der Verfasser ein Amerikaner ist. Ein Theologe, Philosoph und Politikwissenschaftler sogar, Reinhold Niebuhr (1892-1971). Bei dem Namen war ich erst verwirrt, aber ja, er ist Amerikaner und das Originalzitat daher englisch. In einer leicht abgeänderten Form ist The Serenity Prayer übrigens das Leitmotto der Anonymen Alkoholiker in den USA. Wie ich las, war Niebuhr nicht nur Kritiker des Kommunismus, sondern hatte bereits zu Beginn der großen (Auto-)Industrialisierungsphase etwas gegen die Selbstgerechtgkeit der USA. Wieder etwas gelernt.
God, give us grace to accept with serenity
the things that cannot be changed, courage
to change the things which should be changed,
and the wisdom to distinguish the one from the other.

Thursday, May 25, 2006

Die Macht der Phantasie

...oder: Was weiß ich eigentlich über Russland?
Gerade habe ich ein Buch ausgelesen, dass ich wohl in der Buchhandlung selbst nie ausgewählt hätte. Aber manches flattert einem als Geschenk in die Hände.
In Das Wunder von St. Petersburg erzählt Maria Blumencron die Geschichte von Anna Timonina, die in verschiedenen russischen Kinderheimen aufwächst.
Anna ist in vielerlei Hinsicht begabt, sie ist Musikerin, Fotografin und Überlebenskünstlerin in einer Welt, die ihr mehr Hindernisse in den Weg stellt, als ein Mensch allein eigentlich zu tragen in der Lage ist. Nebenbei habe ich einiges über Russland, russische Kunst und Literatur und nicht zuletzt über St. Petersburg erfahren. Wie wenig ich eigentlich darüber weiß...


St. Petersburg, fotografiert von Anna Timonina

Das Buch erzählt auch die Geschichte von Annas Tochter Alja, eigentlich ein schwer krankes Kind, das neben einem ungewöhnlichem Mal-Talent auch eine schier unbegrenzte Phantasie hat. Alja hat sich eine Welt erschaffen, Finx Lux, eine bunte Welt voller wunderbarer Dinge und bewohnt von zauberhaften Katzenwesen.
Faszinierend an dem Buch sind die verschiedenen Erzählebenen, Annas Vergangenheit und Gegenwart und Aljas phantastische Ideen und Geschichten. Sie überlagern und ergänzen sich, kommentieren einander. Die Geschichte einer starken Frau, die trotz schlechter Startbedingungen das Leben bewältigt, Kraft ausstrahlt - und Hoffnung macht.


Die bunte Bucht, gemalt von Alja

Wednesday, May 24, 2006

Surreal



Missverständnis zweier Surrealisten
(für Katja Hejek)

"es regnet"
sagte sie
"Männer in schwarzen Mänteln
gehen vorbei"
sagte sie

Magritte aber
hörte sie
nicht mehr genau
(sie sagte es nämlich erst Jahre
nach seinem Tod)

So hörte er nicht mehr
ihre letzten zwei Worte
und verstand nur
"es regnet Männer in schwarzen Mänteln"

Das malte er


Gedicht von Erich Fried
Bild von René Magritte

Saturday, May 20, 2006

Arnaldur Indridason: KälteZone

Komissar Erlendurs Faszination für verschollene und vermisste Personen erhält neues Futter, als ein Skelett auf dem Boden eines trockenfallenden isländischen Sees im wahrsten Sinne des Wortes auftaucht. Am Skelett - ein russiches Sendegerät. Kein wirklicher Spionage-Thriller, aber eine Geschichte, die neue Perspektiven auf die DDR, kommunistischem Idealismus, der fatal enttäuscht wird, und menschliche Irrungen aufzeigt.
Gut, wie nicht anders von Arnaldur Indridason zu erwarten, wenngleich einige der Vorgänger um den verschrobenen Erlendur mir besser gefallen haben. Dennoch lesenswert.

Monday, April 17, 2006

Vom Schweinehund

Bezeichnend - schon vor etwa einem Jahr habe ich doch dieses Buch gekauft, "So zähmen Sie Ihren inneren Schweinehund!" von einem Marco von Münchhausen. Natürlich stand das Buch seitdem unangetastet im Regal, listig, dieser Schweinehund. Dann fiel mir das Hörbuch dazu in die Finger und ich habe ihn ausgetrickst und immerhin schon den ersten Teil angehört. Mal sehen, wie lange ich den zweiten Teil aufschiebe. Empfehlenswert:

-> Spiegelartikel über Prokrastination

Tuesday, April 04, 2006

Sex & Fun

Coupling ist eine britische Sitcom von Steven Moffat. Vier Staffeln, die original von 2000 bis 2004 bei BBC2 liefen.
Dates, Sex und die üblichen, unvermeidlichen Missverständnisse - jede Menge Frauen- und Männertalk, zum Teil zum Brüllen komisch, zum Teil auch bittere Wahrheit. Spaß macht's allenthalben. Zum Beispiel:

Men - and I don't mean to generalize - are crap.
They're the human race's only failed gender. Who needs them?
And why are they so difficult to keep hold of? Do you think they realize, that were it not for the genetic imperative to populate the earth, they wouldn't get a date? That's one hell of an inducement: no pressure, girls, but shag one of these or it's curtains for all humankind! That's harassment.
But do you know what? Do you know what's even more crap than men? We are more crap than men.... These magazines! A hundred pages of "men are useless bastards," and an article about why you should wake him up with a blow job.
Am I alone in spotting the inconsistency here?

Coupling, "Split," original airdate 23 September 2002, written by Steven Moffat, spoken by the character Susan

Mehr über Coupling...

Tuesday, March 28, 2006

Knochen-Comic

After being run out of Boneville, the three Bone cousins - Fone Bone, Phoney Bone and Smiley Bone, are separated and lost in a vast uncharted desert. One by one, they find their way into a deep forested valley filled with wonderful and terrifying creatures.

Bone is is a series of comic books by Jeff Smith.
Strange, intelligent, beautifully drawn and even funny (well, these are comics, right...)

There are even dragons in it:


Fone Bone meets the dragon for the first time

Saturday, March 18, 2006

Ein historischer Dracula?!


Aufgrund von Zeitmangel hat mich dieser historische Roman von Elizabeth Kostova viele, viele Wochen gekostet, bis ich ihn jetzt kürzlich endlich aus der Hand legen konnte. Im Grunde bin ich kein Fan von Gruselstories und erst recht nicht von Vampirgeschichten. Wobei – eigentlich kann ich auch nicht behaupten, dass ich mich bislang überhaupt mit Romanen aus diesem Themenbereich beschäftigt hätte. Aber ich mag ab und an einen historischen Roman.
Und ich bin lesewillig, erstrecht wenn mir jemand ein Buch mit einer gewissen Begeisterung in die Hand drückt – lies mal. Also habe ich gelesen, auf Englisch, obwohl die gebundene Ausgabe auch inzwischen auf Deutsch erschienen ist (-> Der Historiker). So bin ich mit den verschiedenen Generationen von Historikern, die dieses Buch in Form Briefen, Postkarten, mündlichen und schriftlichen Berichten bevölkern, durch verschiedene Zeiten, Länder, Klöster und Bibliotheken gereist. Das klingt verwirrend und kompliziert – das ist es auch von Zeit zu Zeit. Gerade wenn man das Buch in Etappen liest, so wie ich das leider tun musste. Aber dieser ausgeklügelte Aufbau hat mir gefallen, er macht zu großen Teilen den Reiz des Romans aus. Denn die Vampirstory an sich, nun ja, dieser Dracula hat mich nicht sonderlich geängstigt. Faszinierend war wohl eher die Suche nach ihm, seinem Grab und die damit verbundene Familiengeschichte der Erzählerin.
Kostova hat 10 Jahre an dem Buch recherchiert und geschrieben, sogar einen Preis für den Roman bekommen, bevor er fertig war. (Nämlich den Hopwood Award for the Novel-in-Progress – ich wusste bis vor kurzem nicht, dass so ein Preis überhaupt existiert.) In den USA war das Buch 2005 praktisch direkt nach dem Erscheinen auf den Bestseller-Listen. Hier in Deutschland scheint die Begeisterung etwas schwächer ausgefallen zu sein. Meine Begeisterung hält sich ebenso in Maßen, nett war’s schon, aber vielleicht braucht es doch einen Vampirfan dafür?!

Thursday, March 16, 2006

Funny little frog



Honey lovin you is the greatest thing
I get to be myself and I get to sing
I get to play at being irresponsible
I come home late at night and I love your soul
I never forget you in my prayers
I never have a bad thing to report

Manch neues Album braucht eine ganze Weile, um durchzudringen. Immer mal wieder reinhören, weghören, verschüttet unter alten All-Time-Favourites – ganz einfach hat es neue Musik, haben neue Bands es bei mir nicht. Nicht so Belle & Sebastian mit "The Life Pursuit" (2006). Eingeschleust durch eine Freundin war die CD fast spontan auf Rotation, ganz erklären kann ich es mir auch nicht. Wahrscheinlich die Mischung: bizarre Sounds und abgefahrene Texte.
Wie diese Geschichte mit dem Frosch: Eigentlich ein Lovesong an die EINE – ein Traum von einer Beziehung, man seufzt still und sehnt sich ähnliches. Doch halt, vielleicht doch *zuviel* Harmonie... Am Ende war da doch gar keine Beziehung, sondern nur der komische kleine Frosch im Hals. Großartig.
And the blues is still blue.
Der Frosch auch.

Belle & Sebastian bei Wikipedia

Sunday, March 12, 2006

Meer

Wenn man ans Meer kommt
soll man zu schweigen beginnen
bei den letzten Grashalmen
soll man den Faden verlieren

und den Salzschaum
und das scharfe Zischen des Windes
einatmen
und ausatmen
und wieder einatmen

Wenn man den Sand sägen hört
und das Schlurfen der kleinen Steine
in langen Wellen
soll man aufhören zu sollen
und nichts mehr wollen wollen
nur Meer

Nur Meer

(Erich Fried)


Meersehnsucht

Thursday, March 09, 2006

Regentropfen (wiedergefunden)


Regentropfen

Der, den ich liebe,
Hat mir heute gesagt,
Daß er mich braucht.
Darum
Gebe ich auf mich acht,
Sehe auf meinen Weg und
Fürchte von jedem Regentropfen,
Daß er mich erschlagen könnte.

Bertold Brecht