Wednesday, July 31, 2019

C.S. Lewis - Der König von Narnia

Lewis schrieb seine berühmte Narnia-Serie für sein Patenkind Lucy Barfield, wobei er in der Widmung von 1950 anmerkt, dass das Schreiben doch länger gedauert hätte als angenommen, sodass sie vielleicht zu alt sein, um das Buch noch toll zu finden. Das Vorwort erzählt die nette Anekdote von Jack und Tollers (Lewis und Tolkien!), die sich vornehmen selbst das zu schreiben, was sie gern lesen wollen - nämlich Fantastisches und Abenteuerliches.
Die Protagonisten von Der König von Narnia, nämlich Peter, Susan, Edmund und Lucy, finden im Zuge der Landverschickung in England ein neues Zuhause in einem alten, verwinkelten Haus. Dort entdecken sie im Kleiderschrank den Zugang nach Narnia. Sie finden sich im tiefsten Winter in der Nähe einer Straßenlaterne wieder (diese kommt auch in Das Wunder von Narnia vor). Edmund wird von der bösen Hexe, die Narnia unterdrückt, mit Süßigkeiten und dem Versprechen, König zu werden, geködert, sodass er seine Geschwister verrät. Diese erhalten aber von vielen Seiten Hilfe und müssen sich im Kampf gegen die Hexe beweisen. Schließlich kann auch Edmund wieder bekehrt werden, an der Seite des Löwen Aslan siegen sie und werden zu den Königinnen und Königen von Narnia. Nach Jahren der Herrschaft stoßen sie auf die Straßenlaterne und kehren ohne gealtert zu sein in diese Welt zurück.
Narnia ist eine faszinierende und interessante Welt, der Kleiderschrank eine brillante Idee. Beeindruckend ist, wie facettenreich die Charaktere der Kinder angelegt sind, Edmunds Abwege oder die Selbstzweifel der anderen werden verständnisvoll dargestellt, wodurch die Geschichte zusätzliche Tiefe erhält. Selbst der mächtige Löwe Aslan ist nicht nur Sieger, sondern lässt zu, klein zu werden, um gestärkt aus der vermeintlichen Niederlage hervorzugehen. Sympathisch und gut erdacht.

C.S. Lewis, Der König von Narnia. Ueberreiter, Wien 2005.

Friday, July 26, 2019

Lucinda Riley - Das Orchideenhaus

Ein altes Herrenhaus in England, eine Konzertpianistin in einer Lebenskrise, der verarmte Erbe eben jenes Herrenhauses und eine dunkle und verworrene Familiengeschichte. Dazu noch ein Hauch Exotik durch einen Bezug nach Thailand. Die Liebesgeschichte ist offensichtlich.
Ich war überrascht, das Lucinda Riley offensichtlich in allen Romanen den gleichen Aufbau für ihren Plot wählt, nicht nur in den Sieben-Schwestern-Romanen, von denen ich zwei gelesen habe. Frau in Krise mit einer Familiengeschichte, deren Entdeckung oder die Suche danach ihr neue Zugänge zu ihrem Selbst eröffnet. Dazu dienen dann jeweils zwei Erzählstränge, eine in der Jetztzeit und eine weitere Protagonistin, aus deren Sicht die historische Ebene erzählt wird. Am Ende steht dann der glückliche Ausblick in die Zukunft, die mit der Kenntnis der eigenen Geschichte nun viel besser werden wird. Nun, aber das Konzept geht auf, die Romane der Autorin verkaufen sich gut.
Mir gefiel bei Das Orchideenhaus die historische Ebene deutlich besser, wohingegen ich die Protagonistin im Verlauf des Roman zunehmend anstrengend fand, weil sie eine Reihe offensichtlich falscher Entscheidungen trifft, wobei man den Eindruck hat, dieses muss so sein, damit das Finale mehr Dramatik gewinnt. Massiv gestört haben mich im letzten Viertel die unglaubwürdigen Ereignisse in Frankreich, die völlig sinnfreie zweite Enthüllung über eine weitere Adoption und das übertriebene Happy End, bei dem durch die thailändische Protagonistin alles gut wird. Das ist im Grunde schade, denn der erste Teil des Roman hat Stärken und man folgt der Geschichte durchaus mit Interesse, auch wenn die Charaktere natürlich schablonenhaft gezeichnet sind, womit man aber bei diesem Genre auch rechnen darf.
Insgesamt ist Das Orchideenhaus eine interessant erdachte Geschichte, die Potenzial verschenkt durch inkonsequente und unglaubwürdige Plotwendungen und Charaktere. So bleibt es leichte Belletristik.

Lucinda Riley, Das Orchideenhaus. Hörverlag 2012. 


Monday, July 22, 2019

Michael Robotham - Der Schlafmacher

In diesem achten Band um den Psychologen O'Loughlin und Ex-Detective Ruiz wird ersterer als Berater zu einem schrecklichen Doppelmord hinzugezogen. In Somerset sind zwei Frauen, eine Mutter und ihre Tochter, grausam hingerichtet worden. Verdächtige gibt es viele, aber keine wirklich Hinweise, wer die Tat begangen hat. O'Loughlin bemüht sich, den Tathergang nachzuvollziehen und erwägt verschiedene Motive und Hergänge. Tatsächlich findet er einige Ungereimtheiten bei de Zeugenaussagen, Dinge, die der Polizei verschwiegen wurden. Leider engt das den Täterkreis dennoch nicht ein. Doch dann beginnt er, Zusammenhänge zwischen den Morden und einer Reihe von Anschlägen auf Frauen in der Gegend herzustellen, und der Täter gerät zunehmend unter Druck.

Der Schlafmacher von Michael Robotham ist ein spannender Psychothriller, bei dem wir wie gewohnt vom Autor auch die Perpektive der Täters erfahren. Beim Audiobook wird diese Perspelkive auch mit Stefan Merki mit einem zweiten Sprecher besetzt, man wird zwangsweise hineingezogen in die perfide Denkweise des Täters. Und obwohl man den Täter denken hört, kann man ihn im Kreis der Verdächtigen nicht identifizieren.
Für gewöhnlich gehört es zu den positiven Aspekten einer längeren Thrillerserie, dass einem die Protagonisten ans Herz wachsen, man miterlebt, welche Probleme, Sorgen und Triumphe sie erleben. Bei Der Schlafmacher hätte ich mir gewünscht, der Autor hätte O'Loughlins Tochter Charlie nicht erneut in den Fall verwoben, dieses Spannungselement war nicht zwangsläufig nötig, auch der Schicksalsschlag, der die Familie am Schluss ereilt, belastet und erscheint übertrieben. Der Spannungsbogen hätte auch mit einem weniger krassem Showdown sein Ende finden können und wäre dabei vielleicht glaubwürdiger geblieben. Dennoch bot auch dieser Band Spannung und gute Unterhaltung.

Michael Robotham, Der Schlafmacher. Hörverlag 2016.

Saturday, July 20, 2019

Marissa Meyer - Wie Monde so silbern

In der Popsugar Challenge 2019 gibt es eine Aufgabe die "Retelling of a classic" betitelt ist, Cinder tauchte oft als eine Option dafür auf. Der Originaltitel gibt die Vorlage direkt an, der deutsche Titel Wie Monde so silbern verschlüsselt sie auch nur leicht, da auf das Kleid von Aschenputtel/Cinderella angespielt wird.
Transferiert wird das Märchen in die Zukunft, die Erdenbewohner haben sich zu verschiedenen Allianzen zusammengeschlossen, ihr Gegner sind die Lunarier, die Bewohner des Mondes, die große Bedrohung die blaue Pest, eine mysteriöse Seuche. Es gibt neue Technologien, vor allem auch Cyborgs in unterschiedlichen Ausprägungen. Cinder ist seit einem schweren Unfall ein halber Cyborg und muss als Waise bei ihrer Stiefmutter und zwei Stiefschwester leben. Sie hat keine Rechte und arbeitet für die Stiefmutter - zum Glück ist sie eine besonders begabte Mechanikerin. Das bringt auch den Prinzen Kai in ihren Laden, denn er hat einen kaputten Cyborg, den sie reparieren soll. Achja, und natürlich reden alle von dem Ball, der in einigen Tagen stattfinden soll. Cinder darf nicht hin... ist ja klar.
Die Parallelen zum Märchen sind grob und deutlich gezeichnet, im Detail geht es aber doch eher um politische Intrigen - und die böse Königin der Lunarier als Gegenspielerin gab es im Märchen meiner Erinnerung nach auch nicht.
Prinzipiell birgt die Idee Potenzial, das aber nur bedingt ausgeschöpft wird. So fesselte mich anfangs das Setting und die Ausarbeitung dieser anderen Welt, dann stockte das Erzähltempo, es gab überflüssige Schleifen und langatmige Passagen, zumal schon nach der Hälfte Cinders wahre Identität zu erraten war, dafür, wie dies zustande kam, hätte man auch weniger Raum verwenden können.
Die Lesung von Vanida Karun war sehr gut und abwechslungsreich, die Schauspielerin setzte die verschiedenen Personen mit viel Elan und unterschiedlichen Stimmen und Akzenten interessant in Szene. Das hat das Zuendehören des Romans deutlich erleichtert.

Marissa Meyer, Wie Monde so silbern. Silberfisch 2013.

Friday, July 19, 2019

Tove Jansson - Mumins wundersame Inselabenteuer

Der Muminvater ist unzufrieden - nichts zu tun, nichts los im Mumintal! Also segelt die Familie (Eltern, Mumin und die kleine Mü) zur Leuchtturminsel, auf der der Muminvater schon immer leben wollte. Doch die Insel ist keine Trauminsel, sie ist karg, wirkt verlassen und unheimlich. Trotzdem versuchen alle, das Beste daraus zu machen und jedes Familienmitglied geht seiner Wege. Der Vater geht seinen "Forschungen" nach, schafft es aber weder, den Leuchtturm wieder in Betrieb zu nehmen, noch den Geheimnissen des Meeres auf die Spur zu kommen. Die Muminmutter versucht sich an einem neuen Garten, in dem auf der kargen Insel aber nichts gedeiht, und malt schließlich voller Sehnsucht das grüne Mumintal an die Leuchtturmwände. Mumin hat Geheimnisse vor seinen Eltern, er wartet auf die Seepferde und fühlt sich außerdem verantwortlich für die kalte, bedrohliche Morra, die ihnen auf die Insel gefolgt ist. Die kleine Mü tut, was sie immer tut, sie geht ihrer eigenen Wege, selbstbewusst und immer ein bisschen sarkastisch, obwohl sie noch so klein ist. (Ein paar Mal musste ich ihretwegen laut auflachen...) 
Die Ereignisse spitzen sich zu, als die Insel in Bewegung gerät - das Meer und die Morra haben sie in Unruhe versetzt. Ein Herbststurm bringt die Katharsis, die Insel und die Muminnd s werden ruhiger und sogar der depressive, vereinsamte ehemalige Leuchtturmwärter, der als Fischer auf der Insel lebte, kann zu seinem Posten zurückkehren und den Leuchtturm endlich wieder zum Leuchten bringen. Die Morra fasst Vertrauen zu Mumin und verliert ihren Schrecken. Ein verhalten positives Ende für ein Buch, dass ungewohnt düstere Töne in sich hat, die heitere Idylle aus anderen Bänden sucht man hier vergebens, dafür gewinnen die Charaktere eine zusätzliche Tiefe, natürlich auch dadurch, dass sich Tove Jansson für nur vier Hauptfiguren entschieden hat. Mumins wundersame Inselabenteuer ist mehr als "nur ein Kinderbuch" und birgt kleine und große Botschaften für den Einzelnen und das Miteinander.

Tove Jansson, Mumins wundersame Inselabenteuer. Arena, Würzburg 2017.

Sunday, July 14, 2019

Günter Grass - Katz und Maus

1981 las Günter Grass in seinem Atelier seine Novelle Katz und Maus (1961) einer Schulklasse vor. Sie ist der zweite Band der Danziger Trilogie zwischen Die Blechtrommel (1959) und Hundejahre (1963). Die Lesung wurde erstmals 2002 vom Hörverlag veröffentlicht.

In Katz und Maus berichtet uns der etwas zweifelhafte Erzähler Pilenz von seinem Schulkameraden Mahlke und seiner Beziehung zu diesem. Die Handlung spielt zur Zeit des Zweiten Weltkrieges in Danzig als die beiden noch zur Schule gingen. Mahlke ist ein Sonderling und Außenseiter, nicht zuletzt wegen eines auffälligen Adamsapfels. Letzterer gibt den Anlass zu einem Streich, den Pilenz Mahlke spielt, indem er dem schlafenden Mahlke eine Katze auf den Hals hetzt, die wiederum den Adamsapfel für eine Maus hält. Diese Anekdote steht symbolhaft über der ganzen Geschichte und wird in den verschiedensten Bezügen wieder aufgegriffen. Pilenz ist als Erzähler eine unzuverlässige Figur, da seine eigene Beziehung zu Mahlke von wechselnden Gefühlen zwischen Bewunderung, Liebe und Hass geprägt ist - erzählt er uns die Wahrheit? - was lässt er weg? - was beschönigt er? Und auch Mahlke selbst bleibt eine unklare Figur, denn auch er schwankt zwischen Ablehnung und Auflehnung gegen das bestehende System (sei es das der Schule oder der Armee) einerseits und andererseits buhlt er um Bewunderung und Anerkennung (Ehrgeiz beim Turnen und Tauchen und im militärischen Kampf). So bleibt vieles im Unklaren und gibt Anstoß zum Nachdenken - darin und in dem ihm einzigartigen Sprachstil liegen unbestritten Günter Grass' schriftstellerische Genialität. Ein guter Vorleser war er außerdem.

Günter Grass, Katz und Maus. Steidl, Göttingen 2013.

Saturday, July 13, 2019

Michael Robotham - Erlöse mich

Im Zentrum dieses siebten Falls von Joseph O'Loughlin und Detective Ruiz steht Marnie Logan. Sie steckt in massiven Schwierigkeiten: Nachdem ihr Mann vor einigen Monaten spurlos verschwand, soll sie nun für dessen Schulden aufkommen, hat aber nicht einmal genug Geld für die Miete und den Unterhalt für ihre zwei Kinder. Wegen kleinerer Blackouts und dem diffusen Gefühl beobachtet zu werden sucht sie Hilfe bei O'Loughlin. Der seinerseits glaubt, dass Marnie ihm etwas verschweigt. Die Ereignisse spitzen sich zu, als der Kriminelle, der dafür sorgen soll, dass Marnie ihre Schulden im Escortservice abarbeitet, ermordet aufgefunden wird. Natürlich gerät Marnie unter Verdacht - zögerlich beginnen O'Loughlin und Ruiz ihr zu helfen, denn sie selbst sind sich auch nicht sicher, ob Marnie wirklich unschuldig ist.
In einer weiteren Erzählperspektive hören wir jemandem zu, der jeden von Marnies Schritten und Entscheidungen beobachtet, ohne genau zu wissen, wer dieser jemand ist. Dieser Stalker hat etwas mit den vielen Unglücken und Todesfällen in Marnies Vergangenheit zu tun, die von O'Loughlin und Ruiz nach und nach entdeckt werden. Ist Marnie psychisch krank? Hat sie einen Stalker?
Eine der Stärken von Erlöse mich ist sicher, dass es Robotham erzählerisch gelingt, die Antwort auf diese Frage lange Zeit schuldig zu bleiben. Die Spannung wird gehalten, obwohl wir der Stimme des Täters lauschen (im Hörbuch im wahrsten Sinne des Wortes, umgesetzt durch einen zweiten Sprecher). Viele der Charaktere werden intensiv beleuchtet, besonders Marnie, aber sie ist eine zweifelhafte Protagonistin, der man nicht über den Weg trauen mag. Das lässt zwar keinen Raum zur Identifikation, verstärkt aber das große Unbehagen, das dieser Psychothriller hinterlässt.

Michael Robotham, Erlöse mich. Hörverlag 2013.

Thursday, July 11, 2019

Fredrik Backman - Alles, was mein kleiner Sohn über die Welt wissen muss

Fredrik Backman schreibt in Alles, was mein kleiner Sohn über die Welt wissen muss in kleinen Episoden über die Dinge, die ihn als Vater bewegen. Dabei mischen sich verschiedene Dinge: Es gibt kleine lustige Anekdoten über Situationen, in denen er die falschen Dinge gesagt oder getan hat und durch die er in Schwierigkeiten gekommen ist. Er erzählt ungewöhnliche/unkonventionelle Märchen, in denen er versucht, seinem Sohn wichtige Lebensbotschaften zu vermitteln. Er spricht über seine Gefühle und gibt seiner Dankbarkeit Ausdruck die Liebe und Fürsorge seiner Frau zu haben. Er spricht über die Widersprüche, die die Erziehungsaufgabe mit sich bringt. In all diesen kleinen Texten ist der für Backman typische Humor und sprachliche Witz wiederzufinden - ob seine Botschaften an den Sohn für den Leser nur unterhaltsam oder gewichtiger sind, hängt wohl davon ab, ob man selbst Kinder hat.

Fredrik Backman, Alles, was mein kleiner Sohn über die Welt wissen muss. Fischer, Frankfurt a.M. 2017.

Wednesday, July 10, 2019

Maler

postcrossing card sent by Litchi-Longan from China

Maler sind Leute, die von der Wand in den Mund leben.

Heinz Ehrhardt (1909-1979)

Monday, July 08, 2019

Harriet Beecher Stowe - Onkel Toms Hütte

Onkel Toms Hütte von Harriet Beecher Stowe (1852) ist nicht einfach nur ein Klassiker, sondern ein Meilenstein in der amerikanischen Literaturgeschichte. Der oft als einer der ersten Protestromane bezeichnete Roman erreichte eine für die Zeit außergewöhnliche Popularität und zwang die Leser sich in Bezug auf die Sklaverei zu positionieren und spielte im Vorfeld des American Civil War (1861-1865) eine meinungsbildende Rolle.

Natürlich gibt es im historischen Abstand kritische Stimmen, die Beecher Stowe vorwerfen, mit den stereotypen Figuren in ihrem Roman das Bild der schwarzen Bevölkerung in den Köpfen der Weißen zu stark beeinflusst zu haben, zweifellos aber leistete Onkel Toms Hütte einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung der Sklaverei.
So ist die Geschichte des grundehrlichen, tiefgläubigen und sanften Tom natürlich geprägt von einem sentimentalen und stark idealisierenden Ton, sowohl sprachlich als auch hinsichtlich der Handlung. Im Kontext seiner Entstehung betrachtet glaube ich aber, dass die Autorin stark davon getrieben war, ihre Botschaft so dringlich wie möglich und auch so schlicht und deutlich wie möglich auszudrücken. Sklaverei ist böse und vor allem unchristlich, so die Botschaft. Und diese Botschaft erreicht damals wie heute ihr Ziel.

Harriet Beecher Stowe, Onkel Toms Hütte. Buchfunk, Leipzig 2006.

Sunday, July 07, 2019

Jean-Luc Bannalec - Bretonisches Vermächtnis

Kommissar Dupin muss in seinem achten Fall unerwartet in seiner Heimatstadt Concarneau ermitteln. Ein angesehener und einflussreicher Arzt stürzt aus einem Fenster seiner Wohnung zu Tode - und diese Wohnung befindet sich ausgerechnet oberhalb des Amiral, Dupins Lieblingsrestaurants.
Fieberhaft beginnt er zu ermitteln, muss sich aber mit zwei neuen Inspektorinnen behelfen, ausgerechnet jetzt sind Riwal und Nolwenn im Urlaub und nicht zu erreichen. Denkbar schlechte Voraussetzungen und so fühlt sich Dupin zunächst sehr unwohl, zumal die Ermittlungen in so viele verschiedene Richtungen laufen und nichts zusammenpassen will. Vor allem das Motiv will nicht klar werden, erst recht nicht, als auch noch ein Anschlag auf Concarneaus Schiffswerft das Städtchen erschüttert. Wie hängt alles zusammen?
Die Antwort kommt von höchst überraschender und literarischer Seite, mehr sei nicht verraten.
Bretonisches Vermächtnis ist eine weitere Liebeserklärung an die Bretagne, die Schilderungen der Stadt Concarneau und der umliegenden Landschaften zeugen davon. Auch die übliche Begeisterung für bretonisches, gutes Essen kommt nicht zu kurz. So bleibt das Fernweh sicher nicht aus beim Lesen. Der Fall selbst ist etwas holprig und die Auslösung, sowohl in der Art und Weise als auch vom Motiv her, etwas dürftig. Das gab es schon besser und sauberer ermittelt bei Bannalecs Dupin. Es scheint fast so, als sei der Autor hier selbst so begeistert von seinem literarischen Bezug gewesen, dass sich der Roman dem fügen musste. Dennoch ist auch dieser bretonische Krimi aufgrund von Setting und Charakteren ein Lesevergnügen.

Jean-Luc Bannalec, Bretonisches Vermächtnis. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2019.

Tuesday, July 02, 2019

Leo Tolstoi - Anna Karenina

Die Hörspielfassung (WDR und HR, 1967) von Leo Tolstois Anna Karenina kürzt den umfangreichen Roman auf etwa 4,5 Stunden und wurde 2009 im Hörverlag veröffentlicht.

Die Geschichte von Anna Karenina gehört zu den Klassikern der Weltliteratur und ist hinlänglich bekannt: Anna, eine gebildete Frau im Russland in der Mitte des 19. Jahrhunderts, ist verheiratet mit Alexej Karenin. Sie verliebt sich jedoch in den Grafen Alexej Wronskij, wird von ihm schwanger und verlässt ihren Ehemann. Die Liebe dauert jedoch nicht an, sie ist hin- und hergerissen zwischen Wronskij und ihrem bei Karenin zurückgelassenen Sohn Sergej. Sie zweifelt beständig an Wronskijs und an ihren eigenen Gefühlen und weiß schließlich keinen Ausweg mehr und begeht Selbstmord.
Der Roman spiegelt die bessere Gesellschaft Russlands zu der Zeit und wägt verschiedene Moralvorstellungen gegeneinander ab, ohne sich dabei für eine Sichtweise zu entscheiden. Tolstoi urteilt nicht, sondern beleuchtet das Szenario des Ehebruchs (und der unglücklichen Liebe und der lieblosen Ehe und...) von mehreren Seiten. Auch politisch relevante Themen kommen zur Sprache, jedoch fallen diese in dieser Fassung weitgehend den Kürzungen für das Hörspiel zum Opfer. Auch der im Roman nicht unwichtige Erzählstrang um Konstantin Ljewin wird stark vereinfacht.

Die schauspielerische Umsetzung lässt nichts zu wünschen übrig und trotz der doch umfangreichen Kürzungen bekommt man in diesem Hörspiel einen Eindruck von der hohen erzählerischen Qualität des Romans und den beeindruckenden Charakteren.

Monday, July 01, 2019

Aude Le Corff - Bäume reisen nachts

Depressive Mutter verlässt Mann und Tochter. Mann fällt in Abgründe, Tochter vereinsamt. Rettung kommt in Form eines alten gebrechlichen Französischlehrers und einer Transgender-Tante. Vier sehr unterschiedliche Menschen machen sich schließlich auf zu einem Roadtrip nach Marokko, um die abtrünnige Mutter zurückzuholen.
Die Geschichte Bäume reisen nachts von Aude Le Corff ist sprachlich nett verpackt, gespickt mit Zitaten aus dem Kleinen Prinzen, die der alte Anatole der kleinen Manon vorliest. Die Kürze des Romans führt dazu, dass manche Innensicht und manches problematische Thema nur oberflächlich behandelt werden kann. Vor allem bei dem Kind bekommt man kein zusammenhängendes Bild, sie hält fest am Idealbild der Mutter, obwohl sie weiß, das diese nicht recht gehandelt hat. Sie schwebt an einem Abgrund der Verzweiflung und erlebt beide Elternteile als absolut unzuverlässig. Vor diesem Hintergrund wurde ein zu einfaches, zu rosarotes Ende gewählt, was den Leser unbefriedigt zurücklässt. Hier gab es viele gute Ideen, auch bezüglich der Charaktere, die aber mehr Raum gebraucht hätten.

Aude Le Corff, Bäume reisen nachts. Insel Verlag, Leipzig 2014.