Wednesday, February 16, 2005

lurt ens!

Lurt ens! Schaut mal!
Eigentlich hatte ich für Kölsch nie viel übrig. Weder für dieses bierähnliche Gesöff (da bin ich eher Alt-Anhänger) noch für die kölsche Sprache. BAP klang zwar von der Musik her immer ganz okay, verstanden hab’ ich’s nie. Und dann gerate ich ausgerechnet an ein Buch, das ganze Passagen von einem dem Kölsch verwandten Platt enthält, Himmel!
Ulla Hahn, „Das verborgene Wort“, München 2003.

Heeldejaad (Hildegard, Hilla) ist das Kind von „Proleten“, der Vater prügelt, die Mutter und Großmutter beten und sind ansonsten verbittert, allein der Großvater stellt eine positive Figur dar, der mit Hildegard und ihrem Bruder Rheinspaziergänge macht, Märchen erzählt und ihr Buchsteine schenkt. Buchsteine sind Steine, auf denen Geschichten aller Art geschrieben stehen, nur eben nicht mit richtigen Buchstaben, man muss sie also nur lesen können. Und Hildegard kann sie lesen. Und sie liest noch viel mehr, als sie endlich in die Schule kommt, ist fasziniert von allem Geschriebenen, von der Beziehung von Wörtern und Literatur zur Wirklichkeit. Zu den Welten, die sie sich durch das Lesen erschließt, will die Arbeiterrealität und -mentalität der Familie nicht passen. Sie begegnet Verachtung und Unverständnis – und bleibt dennoch bei ihren Büchern. Durch den Einsatz des Volksschullehrers wird es ihr möglich, gegen alle Widerstände die Realschule zu besuchen. Danach soll sie eine Ausbildung im Büro der Papierfabrik machen. Beinahe erstickt sie dort an dem banalen Einerlei dieser Arbeit – mit Hilfe von Pastor und Lehrern gelingt aber die Flucht aus „de Papp“ aufs Gymnasium und Hilla kann mit ihren Büchern erwachsen werden, Mensch werden.

Das Platt war wirklich gewöhnungsbedürftig, aber nach einer Weile kam ich mit so etwas wie „Drömdöppe“ (Traumkopf) und all den anderen „Wööd“ (Wörter) ganz gut zurecht. Ich muss die Sprache ja nicht mögen, um das Buch gut zu finden. Denn es war eine wunderbare Geschichte. Sieg der Wörter und Literatur über das Dumme und Gemeine, aber dennoch mit Verständnis für die, denen Wörter nichts sagen und deswegen nichts bedeuten können.

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