Friday, December 21, 2018

George Sand - Sie und Er

George Sand hieß eigentlich Amantine Aurore Lucile Dupin de Francueil (1804-1876) und gilt als Feministin und Sozialkritikerin in einer Zeit, als dies im 19. Jahrhundert noch ein Skandal war. Daher wählte sie das maskuline Pseudonym. Ihre Lebensweise mit zahlreichen Liebhabern und Unabhängigkeit von einem Ehemann und das Tragen von Männerkleidern rief Empörung hervor.
Am bekanntesten ist ihre Beziehung zu Frederic Chopin, mit dem sie mehrere Jahre zusammen war.
Zuvor hatte sie eine Beziehung zu dem Schriftsteller Alfred de Musset, einem bekannten französischen Romantiker. Über diese Beziehung verfasste George Sand das autobiographisch geprägte Werk Sie und Er.

Es war sicherlich eine abenteuerliche Zeit für eine Frau, allein und selbstbestimmt zu leben und frei zu entscheiden, mit wem sie Leben und Bett teilen möchte. Die gesellschaftlichen Beschränkungen (Scheidung undenkbar, ungetraut zusammen leben ein Skandal...) dramatisieren das Geschehen in immenser Weise. In Sie und Er wird deutlich, wie kompliziert Freundschaft, Liebe und Sex in dieser Zeit für eine Frau waren und wie gegensätzlich dazu die Freiheiten eines Mannes waren, der sich nahezu alles erlauben konnte, ohne dafür verurteilt zu werden. George Sand lässt ihre Protagonisten Maler und nicht Schriftsteller sein und verändert auch die familiären Voraussetzungen, so dass Sie und Er ein fiktives Werk und kein rein autobiographisches Zeugnis sind. Im Zentrum steht der emotionale Kampf der beiden Protagonisten, die sich zwar lieben, aber an ihren charakterlichen Differenzen ein ums andere Mal scheitern und nicht zusammen glücklich werden können. Im Grunde ist Er ein egozentrisches verwöhntes Kind, das rücksichtslos alle seine Launen an Ihr auslässt, Sie leidet bis zur Selbstaufgabe darunter, bringt aber lange keine Kraft auf, sich aus der missbrauchenden, masochistischen Beziehung zu lösen. Das klingt dramatisch, hat mich aber in weiten Teilen eher gelangweilt und sogar gequält. Weite Passagen werden durch die emotionalen Ergüsse dieses unsympathischen Ers in Briefform gefüllt, während man bei ihr immer nur von dem Wunsch nach Trennung und Ende liest, nur damit sie dann wieder und wieder zu ihm zurückkehrt. Anstrengend.
Im Licht der Zeit und hinsichtlich der autobiographischen Bedeutung vielleicht für Liebhaber der romantischen, französischen Literatur interessant, aber sicherlich keine unbedingt essentielle Lektüre. Vielleicht erschien es nicht ohne Grund 2015 als eines der von zwölf vergriffenen Meisterwerken in der "ZEIT Bibliothek der verschwundenen Bücher". Diese ist übrigens inzwischen auch vergriffen.

George Sand, Sie und Er. Eder und Bach, München 2015.



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