Die Journalistin Camille Preaker kehrt in ihre heimatliche Kleinstadt Wind Gap zurück, wo sie über die Ermordung zweier Mädchen für ihre Chiacagoer Zeitung berichten soll. Doch muss sie sich nicht nur mit der Brutalität der aktuellen Morde auseinandersetzen, sondern ihre eigene belastend-verstörende Vergangenheit holt sie ein in dem Moment, als sie das Haus ihrer Mutter betritt. Je weiter sie recherchiert, desto tiefer rutscht sie in die erbarmungslos von Gewalt beherrschte Realität von Wind Gap hinein, die Aufklärung des Falles bringt kaum Hoffnung, sondern nur weitere Zerstörung.
Nach Gone Girl beweist die Autorin Gillian Flynn mit Cry Baby, dass sie vor allem eins beherrscht: Die Schilderung von Finsternis und menschlichen Abgründen. Im Gegensatz zu den kranken bzw. krankmachenden Protagonisten aus Gone Girl bietet Camille noch Möglichkeit, Mitgefühl für die Hauptperson zu empfinden, wenngleich sie mit ihrem Verhältnis zur Familie, zu sogenannten Freunden, zur Sexualität und vor allem auch zu ihrem Körper nur Verstörung bis hin zur Ungläubigkeit beim Leser auslöst. Vieles ist auf abstoßende und schockierende Weise geschildert, seien es die kurzen Einblicke in die Grausamkeit von Schweinemastbetrieben oder die selbstverständlichen sexuellen Erfahrungen und erniedrigenden Grausamkeiten der jungen Mädchen des Ortes. Camilles Körper, überdeckt von mit Rasierklingen geschnittenen Wörtern, bleibt dabei fast noch am unwirklichsten, ihre verstörende Sexualität der Selbsterniedrigung dagegen ist nur schwer zu ertragen.
In dieser abstoßenden Atmosphäre bleibt die Geschichte dennoch spannend, man ahnt, dass der Täter für die Morde in Camilles Umfeld zu suchen ist, sie weiß dies auch, muss aber all ihren Mut zusammennehmen, um schließlich das Unglaubliche und Schockierende wirklich aufzudecken, einfach weil sie es selbst nicht wahrhaben will. Die letzten Seiten, die Camilles Schwester betreffen, setzen dem Geschehen noch eins oben drauf - ein erzählerischer Twist, den ich als zu übertrieben, zu extrem empfunden habe.
Man muss schon einen Hang zur Düsternis und zum Extremen haben, um die Atmosphäre in Gillian Flynns Romanen zu mögen. Die Autorin lässt ihre Charaktere permanent Grenzen überschreiten und legt den Finger auf zwischenmenschliche Grausamkeiten, von denen man sich nur wünschen kann, dass sie nie real werden. Die Schockmomente und das Abstoßende dabei ist faszinierent und erhält die Spannung, so dass Logik und Plot vielleicht auch weniger entscheidend werden. Mir ist das zuviel, zuviel Grausamkeit, zu wenig Menschlichkeit, zu wenig Empathie, zu wenig Hoffnung - das mag naiv finden, wer will, aber ich mag beim Lesen nicht permanent in den Abgrund blicken.
Gillian Flynn, Cry Baby - Scharfe Schnitte. Aragon Hörbuch 2014.
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