Sunday, February 05, 2017

Ian McEwan - Der Zementgarten

Das Wort, das man in vielen englischsprachigen Rezension von Der Zementgarten von am häufigsten liest, ist "disturbing". Und verstörend ist dieses Buch in jedem Fall.
Der Plot ist schnell zusammengefasst: Innerhalb weniger Wochen sterben Vater (Herzinfarkt) und Mutter (schwere Krankheit/Krebs) der vier Geschwister. Nach dem Tod der Mutter beschließen die beiden Älteren, sie im Keller in Zement zu begraben, um zu vermeiden, dass die Geschwister getrennt werden. Darauf folgt ein langer, heißer Sommer, in dem alle vier unter den psychologischen Folgen auf unterschiedliche Arten leiden. Das Haus verkommt, die vier sind vollkommen von der Außenwelt, aber auch seltsam voneinander isoliert. Der Haushalt verkommt, Jack, der Ich-Erzähler, stellt jegliche Körperhygiene ein und masturbiert nur noch, Sue verschwindet in ihren Büchern und der kleine Tom will erst ein Mädchen und dann ein Baby sein. Julie versucht kurzfristig, die Mutter zu ersetzen und kapituliert. Derweil bricht der Zement unter dem Druck der Verwesung auf und die Realität bahnt sich durch den Geruch ihren Weg. Julies Freund Derek, der einzige Fremde, der das Haus betritt, zählt schließlich eins und eins zusammen, unternimmt jedoch erst nichts. Erst als er Zeuge der inzestuösen Beziehung von Julie und Jack wird, schlägt er Alarm.
Der Autor schockiert mit seiner beiläufigen, aber detailreichen Schilderung von abstoßenden Szenen, sei es die sexuelle Weise, wie die Geschwister miteinander umgehen oder die Einzelheiten der fehlenden Hygiene von Jack. Insgesamt will die sachliche Sprache nicht zu den höchst emotionalen Geschehnissen passen. Besonders Jackist verstörend emotionslos, was den Tod der Eltern angeht, die Andeutungen über die schwierige Beziehung zum Vater sind die einzigen Hinweise auf mögliche Ursachen der seltsamen Familienbeziehungen. Man kann sagen, man ist ein bisschen erleichtert, nicht noch mehr dieser gruseligen Szenen miterleben zu müssen, die dichte Atmosphäre des Romans drückt auf die Stimmung und zeigt damit aber auch McEwans Stärken als Autor.

Ian McEwan, Der Zementgarten. SZ-Edition Band 31, München 2004.


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