Sunday, May 09, 2021

Juli Zeh - Nullzeit

In Nullzeit von Juli Zeh treffen wir gleich auf zwei sehr unzuverlässige Erzähler, die uns beide ihre Sicht auf die Ereignisse einiger weniger Tage auf der Insel Lanzarote zu schildern. 

Jola ist als Tauchschülerin auf die Insel gekommen, sie ist eine mittelmäßig erfolgreiche Serienschauspielerin, die nun für eine Hauptrolle in einem Tauchfilm trainieren will. Sie ist mit ihrem Lebensgefährten Theo angereist (Autor, älter als sie, wird von ihr der "alte Mann" genannt). Glaubt man ihrem Tagebuch, so ist Theo ihr gegenüber übergriffig und gewalttätig, während sie sich in den Tauchlehrer Sven verliebt und von ihm verführt wird.
Sven hat Deutschland verlassen, um auf Lanzarote eine exklusive Tauchschule zu eröffnen. Scheinbar neutral berichtet er von den Zwischenfällen, die er in der Beziehung von Jola und Theo beobachtet, wird aber immer mehr hineingezogen und erliegt zudem den Flirtattacken Jolas, die ihn für ihre Machtspiele missbraucht. Erst am Ende wird klar, dass auch er einen Zweck mit seinem Bericht verfolgt, da er juristische Konsequenzen fürchtet und dies seine Darstellung massiv beeinflusst.

Man muss dysfunktionale, ja, unsympatische Charaktere mögen, um sich mit Nullzeit anzufreunden. Während man anfangs dem ruhigen Erzählton Svens noch folgen möchte, disqualifiziert sich Jola schon früh, man merkt sofort, dass sie ganz und gar keine normalen Reaktionen zeigt und zweifelhafte Ziele verfolgt. Doch je mehr man von Svens Vergangenheit und seiner Beziehung zu der Frau erfährt, mit der er zusammenlebt, umso skeptischer und ablehnender wird man ihm gegenüber. Er wird zwar seinerseits von Jola für ihre Machtspiele missbraucht, andererseits ist sein Verhalten alles andere als moralisch integer. So ist dieses Spiel mit der Wahrheit und Wahrnehmung interessant und erzählerisch geschickt konstruiert, der Plot jedoch lässt zu wünschen übrig. Wenn man Nullzeit als Psychothriller liest, dann funktioniert zwar in den ersten zwei Dritteln die Eskalation der Ereignisse von Tag zu Tag, der Showdown und seine Folgen hingegen bleiben unglaubwürdig.
So konnte mich der Roman nicht wirklich überzeugen, er hat seine erzählerischen Stärken, aber eben auch diese durch und durch unsympathischen Protagonisten. Das ist Absicht, ja, aber ich muss es ja nicht mögen!
Die Lesung durch Britta Steffenhagen und Thomas Sarbacher hingegen hat mir gut gefallen.

Juli Zeh, Nullzeit. DAV 2012.


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