Monday, April 20, 2009

Das Kind Kind sein lassen...



Nach dem kontroversen Warum Kinder zu Tyrannen werden hat Winterhoff nun sein zweites Buch herausgebracht, in dem er seine Überlegungen zur Erziehungsmisere, die durch Beziehungsstörungen zwischen Kindern und Erziehenden (Eltern, Großeltern, Erziehern in Kindergärten, Lehrern, ...) hervorgerufen werden, weiterführt.

Ich will es auch gar nicht in der Länge und Breite zusammenfassen, dazu lassen sich viele andere Rezensionen - begeisterte und kritische - im Netz finden. Die Hoffnung vieler, die den ersten Band gelesen haben, war sicher, Winterhoff könne auch noch brauchbare Ansätze liefern, wie man die Beziehungsstörungen beheben kann. Aber ein Patentrezept kann auch er nicht liefern - einer der Punkte, die ihn wiederum so glaubwürdig machen.

In den ersten zwei Dritteln des neuen Buches fasst er noch einmal die Ergebnisse des ersten zusammen und versucht, die in der Kontroverse aufgetauchten Missverständnisse zurechtzurücken. Im letzten Drittel dann kommen seine Ansätze, an welchen Punkte er Ansätze sieht, die Situation zu verbessern oder zu entschärfen. Diese sind aber individueller Art, jeder muss über seinen Standpunkt, mit dem er Kindern gegenüber tritt, überdenken, überprüfen und gegebenenfalls ändern.

Interessant ist, dass er im Kapitel 8, Ausklang, als letzten wichtigen Punkt das "Wachrütteln der politischen Instanzen" benennt:
"Wie [...] bereits beschrieben, sind es oft weniger die Lehrer an den Schulen, die für untaugliche Methodik und fasches Verhalten gegenüber den Schülern verantwortlich sind. Sehr oft werden diese Dinge im bildungspolitischen Elfenbeinturm konstruiert und als Handlungsanweisungen nach unten gegeben. Damit finden sie dann Eingang in die Lehreraus- und -weiterbildung, und der Druck auf die Lehrer an den Schulen, nach diesen Modellen zu handeln, ist immens." (S. 189)
An anderer Stelle seines Buches spricht er außerdem davon, dass in den letzten Jahren Bildungspolitik (z.B. aufgrund von Pisa-Ergebnissen) zunehmend unter Reformdruck geraten ist. So wurde also reformiert und neukonzipiert um jeden Preis, wobei keine dieser Neuerungen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit jemals wissenschaftlich/statistisch untersucht worden sei. Man weiß im Grunde nicht, ob all die tollen neuen Dinge, hinter deren Umsetzung die Lehrer zur Zeit krampfhaft herhecheln, weil es eben so gewollte ist, tatsächlich wirklich funktionieren und zu Verbesserungen beitragen können. Manches klingt nicht verkehrt, sage ich da aus der Praxis, einiges ist so offensichtlicher Blödsinn, dass an Schulen nur die Köpfe geschüttelt werden. Vielleicht planen wir also an dem (schulischen und gesellschaftlichen) Problem gerade trotz aller Hektik vorbei.

Man kann nur hoffen, dass Winterhoffs Überlegungen und Erkenntnisse weiter diskutiert werden und sich viellleicht derart die Sicht auf die Probleme der Kinder und ihrer Erziehenden verändert, um dann passende Konzepte entwickeln zu können.

Michael Winterhoff: Warum Tyrannen nicht sein müssen. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2009.


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