Sunday, January 31, 2016

T.C. Boyle - Wenn das Schlachten vorbei ist

Ich hatte angenommen, dass mich T.C. Boyles Roman Wenn das Schlachten vorbei ist nachhaltiger beeindrucken würde. Von dem reißerischen Titel einmal abgesehen, habe ich Boyle als Schriftsteller kennengelernt, der sich nicht scheut, den Finger in die Wunde zu legen und problematische Themen kontrovers anzufassen - etwas, das ich schätze, weil es den Leser dazu bringt seine (gedankliche) Komfortzone zu verlassen.
Vorweg, an der Lesung von Jan Josef Liefers hat es natürlich nicht gelegen, den Job macht er immer großartig, so auch hier. 


Vor der Südküste von Kalifornien liegen die Channel Islands, deren ökologisches Gleichgewicht durch das Eindringen der Menschen und einiger von ihnen eingeschleppter Tierarten gestört ist. Dort vorkommende endemische Arten sind vom Aussterben bedroht, einige Wissenschaftler wollen dies mit großen Aufwand verhindern, was aber auch das "Schlachten" der nicht heimischen Tierarten bedeutet. Eine andere Gruppe von Umweltschützern will dies um jeden Preis verhindern, da ihnen jedes Leben wertvoll ist. 
Beleuchtet werden beide Seiten, der Roman  erzählt aus zwei Erzählperspektiven, die der führenden Wissenschaftlerin, die das Projekt der Wiederherstellung mit Herzblut und Überzeugung betreibt, und die eines nicht minder, engagierten, wenn auch leicht cholerisch-egoistischem Umweltaktivisten, dem jedes Mittel recht ist, um das Projekt zu boykottieren. 
Es stecken viele, zum Teil auch sehr bittere Wahrheiten in den Statements beider Seiten, die umfassende Botschaft kann nur sein, dass es allein der Mensch ist, der die übrige (Um-)Welt aus dem Gleichgewicht bringt und allen anderen Lebewesen um ihn herum Leid zufügt. Und Umweltschutz ist wohl außerdem nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. 
Mit dieser (nicht neuen) Erkenntnis stehe ich dann da, denke noch einmal an die beiden Protagonisten, die mir nicht sympathisch waren und die beide blind ihrer Überzeugung nach handeln ohne innehalten und nachdenken zu können. Ihnen gemein ist die Sehnsucht nach dem Sein in der Natur, nach dem Frieden und der Harmonie - die sich im nächsten Moment aber doch als Selbstbetrug herausstellen muss. Am Ende gewinnt niemand, kann niemand gewinnen und die Natur nur verlieren. Ende? Ende. 

T.C. Boyle, Wenn das Schlachten vorbei ist. Hörverlag, Hamburg 2014.

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