Tuesday, February 02, 2016

Solomonica de Winter - Die Geschichte von Blue


Hochgelobt ist es, das Erstlingswerk der inzwischen 18jährigen Salomonica de Winter (Tochter des Schriftstellerehepaars Leon de Winter und Jessica Durlacher). Sie stammt aus den Niederlanden, wohnt dort auch wieder nach einigen Jahren Aufenthalt in den Los Angeles mit ihren Eltern.

Der Originaltitel Over the Rainbow stellt den direkten Bezug zum Inhalt her - es ist einer der Songs aus dem Film The Wizard of Oz. Die Geschichte ist für Blue von unglaublicher Wichtigkeit, sie träumt sich in die Welt von Oz, identifiziert sich mit der Hauptperson Dorothy und gleichzeitig ist das Buch, das sie überallhin mit sich trägt, eine Erinnerung an ihren toten Vater. Blue ist durch den Verlust des Vaters und der Überforderung der Mutter gefangen in einem Zustand der Verzweiflung und Verwirrung. Sie hat aufgehört zu sprechen, sie hat keine Freunde, nur das Buch, an dem sie sich festklammert. Und eine unbändige Wut auf denjenigen, den sie dafür verantwortlich macht, dass ihr Vater tot ist. Sie ist so wütend, dass sie ihn ermorden will - bis sie plötzlich jemanden trifft, der das gleiche Buch liebt wie sie. Charlie durchbricht Blues Panzer des Schweigens und der scheinbaren Teilnahmslosigkeit, doch für Die Geschichte von Blue gibt es dennoch kein Happy End. Gewalt und Verzweiflung gewinnen die Oberhand - doch am Ende hat die Autorin noch eine Wendung parat, die die Geschichte in einem anderen Licht erscheinen.

Der Roman ist sprachlich sehr eigen, manchmal wirken die Sätze starr und hölzern, dann bewusst poetisch mit interessanten Bildern, aber insgesamt ist es ein steter Fluss eines inneren Monologs, der die Verwirrtheit, Düsternis und Begrenztheit der Protagonistin sehr gut darstellt. Sie kann aus ihrem inneren Gefängnis nicht ausbrechen, weder sprachlich noch in der realen Welt. So wirkt der Roman bedrückend und gibt wenig Raum zur Hoffnung, alles wiederholt sich, alles bleibt gleichsam schlecht und sinnlos.
Die Wendung am Ende, die einen Perspektivwechsel des Lesers erzwingt, hinaus aus der Innenwelt, hin zur Draufsicht auf eine psychisch Kranke, erschien mir etwas zu plötzlich, zu forciert, und bildete einen (zu) starken Gegensatz zur eigensinnigen Poesie des ersten Teils. Wirkliche Erklärungen gibt es nicht, sind aber vielleicht auch nicht nötig oder schlicht nicht möglich. Die Geschichte von Blue ist interessant, sie ist anders und ein beeindruckendes Erstlingswerk, keine Frage.

Solomonica de Winter, Die Geschichte von Blue. Diogenes, Zürich 2014.

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