Saturday, November 07, 2020

Thomas Hettche - Pfaueninsel

Man bleibt ein bisschen ratlos zurück auf der Pfaueninsel von Thomas Hettche. Ausgehend von einem erhaltenen Grabstein und den Lebensdaten (1800-1880) erzählt der Autor die Lebensgeschichte des Schlossfräuleins Marie Strakon. Sie ist kleinwüchsig, Waise und der König von Preußen nimmt sie und ihren ebenfalls kleinwüchsigen Bruder Christian in sein Kuriosenkabinett, das auf der Pfaueninsel entsteht, auf. 

Zeit ihres Lebens versucht Marie dem Urteil der Königin, die "Monster!" ausruft, als sie ihr begegnet, zu entkommen. Doch Schicksalsschläge rauben ihr den den Bruder, die große Liebe, das einzige Kind und letztlich auch die Insel, die am Ende verwahrlost zurückbleibt. Während Maries Leben verstreicht, dessen Dramatik und Hoffnungslosigkeit von Beginn an zu erwarten war, erlebt der Leser mit, wie die Pfaueninsel unter Friedrich III. ein außergewöhnliches Beispiel für Landschaftsgärtnerei und anderer Moden des 19. Jahrhunderts wird. Kritisch wird der Aufbau einer exessiven Menagerie auf der Insel geschildert, bei der Marie mit den Tieren mitfühlt, die da aus aller Herren Länder dem König geschenkt werden und die oft schon auf dem Weg dorthin oder nach kurzer Zeit verenden. So wird die Pfaueninsel für eine Phase zu einer Attraktion für die Berliner und Gäste des Königs, nach dem Tod Friedrich III. werden die Mittel gekürzt, was zur Aufgabe der Menagerie und dem Verfall von Teilen des Gartens führt. 

Teils sind die Ausführungen Hettches zur Pfaueninsel, insbesondere aus der Sicht Maries geschildert, die selbst zu den "Ausstellungsstücken" der Insel gehört, interessant, bieten sie doch einen besonderen kulturgeschichtlichen Einblick. Die Protagonistin jedoch bleibt einem fremd - vielleicht gewollt in ihrer Andersartigkeit - und auch die übrigen Gestalten, allesamt besonders und beachtenswert, bleiben blass. Einige des Ausführungen haben zudem Längen und Sexualität bekommt einen seltsamen Platz in der Geschichte, der nicht dazu passen will. Irritierend fand ich auch den Erzähler, der sich besonders gegen Ende in seine eigene Erzählung einschaltet und unter anderem ankündigt, das man bald am Ende sei - mit der Geschichte und mit Maries Leben. 

Insgesamt habe ich für das nicht sonderlich lange Audiobook sehr lange gebraucht. So fällt mein Gesamturteil eher schwach aus, auch wenn es dieses Buch 2014 auf die Short List zum Deutschen Buchpreis schaffte. 

Thomas Hettche, Pfaueninsel. Argon 2014.

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