Ich mag Hakan Nesser. Wirklich. Ich mag seine Krimis um Van Veeteren und Barbarotti, aber auch seine anderen Romane. Ich habe auch nicht gerade wenig von ihm gelesen. (Das liegt wohl auch daran, dass die Audiobooks immer von Dietmar Bär gelesen werden, der als Vorleser einen besonderen Platz in meinem Leserherzen hat... aber das nur am Rande.) Dass ausgerechnet sein Erstlingswerk Der Choreograph (im Original 1988 erschienen) eine solche Herausforderung sein würde, hätte ich nicht gedacht.
Man scheitert im Grunde schon daran, den Plot ansatzweise zusammenzufassen. Es gibt einen männlichen Protagonisten, der ein recht unzuverlässiger Ich-Erzähler ist. Er arbeitet als Dozent an einer Universität, hat mit psychisch Erkrankten zu tun, ist aber auch für Versuchstiere zuständig. Wie oft bei Nesser bleiben Ort und Zeit offen bzw. werden mit Abkürzungen bewusst verschleiert. Scheinbar spielt die Geschichte aber in einer weiteren Vergangenheit, denn es fehlen neuere Technologien bzw. es gibt Verweise auf Soldaten und eine Zeit des Umbruchs in dem fiktiven Staat. Der Erzähler berichtet episodenartig von seinen Erlebnissen, am prägnantesten ist sein zufälliges, aber bemerkenswertes Zusammentreffen mit einer Frau namens Maria, in die er sich unsterblich verliebt und die fortan zentral für sein Denken und Handeln ist. Unterhaltungen mit verschiedenen Kollegen und Bekanntschaften bilden Projektionsfläche für seine teils philosophischen Betrachtungen über das Leben und die Liebe. Doch obwohl Maria selbst in einem Brief ihre Lebenssituation erklärt, bleibt unklar, ob dies alles der Wahrheit entspricht, was sie verschweigt, was sie erfindet. Zwischendurch muss man sich um die psychische Gesundheit des Erzählers sorgen und kann sich nicht sicher sein, ob dies alles nur seiner Imagination entspringt. Es geht aber auch ums Schreiben als solches, der Ich-Erzähler misst sich daran, wann er etwas zu Papier bringt, prozessartig, ohne Ziel (es sei denn zur Betrachtung seiner Träume) und schlussendlich auch die Banalitäten des Lebens.
Das alles ist schwer verwirrend, ergibt kein klares Konstrukt, keinen Plot. Ist er Maria wirklich begegnet und sie bringt schweres Unheil über ihn und lässt ihn psychisch erkranken? Ist er erkrankt und wir begleiten sein schreibendes Ich und sehen in seinen realen oder erdachten Begegnungen mit den Menschen seinen zunehmenden Verfall? Einige Querverweise lassen sich (und im Audiobook besonders) nur schwer nachvollziehen (Bildergallerie, Bildertraum...) - mehr Fragen als Antworten.
So bleibe ich mit diesem Hakan Nesser etwas ratlos zurück und würde diesen Roman definitiv nicht als Einstieg in seine Buchwelt empfehlen.
Hakan Nesser, Der Choreograph. Hörverlag 2020.
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