Mit manchen Büchern ist man manchmal spät dran.
So ist Jeffrey Eugenides' „Die Selbstmord-Schwestern“ schon 2004 in Deutschland erschienen. Im Bücherstapel neben dem Bett liegt meine Taschenbuchausgabe auch schon seit fast einem Jahr. Im Original ist es sogar schon 1993 erschienen. Dennoch hatte ich bis heute nie über den Originaltitel „The Virgin Suicides“ nachgedacht, aber als ich ihn dann las: „Da war doch dieser Film, von dem damals alle so schwärmten und sich sogar reihenweise die Filmmusik kauften, könnte das... ist das etwa...? Den wollte ich doch auch immer noch mal sehen...“
Nun habe ich die literarische Vorlage zuerst gelesen ohne es zu wissen. Nicht schlimm, als nächstes werde ich den Film sehen (1999, Regie Sofia Coppola!), denn das Buch war gut.
Ich erinnere außerdem an „Middlesex“, mit dem Jeffrey Eugenides es in deutsche Bestsellerlisten geschafft hat: Ein sehr ungewöhnliches, sehr gutes Buch, „Die Selbstmord-Schwestern“ sind demnach erst danach übersetzt und verlegt worden. Aber das nur am Rande.
Inhaltlich ist der Titel des Romans eigentlich selbsterklärend: Fünf Schwestern begehen innerhalb eines Jahres auf unterschiedliche Weise Selbstmord.
"An dem Morgen, als die letzte Lisbon-Tochter Selbstmord beging – Mary diesmal, mit Schlaftabletten wie Therese –, wussten die Sanitäter schon genau, wo die Schublade mit den Messern war, wo der Gasherd und wo im Keller der Balken, an dem man das Seil festbinden konnte.“Die Geschichte der Schwestern wird aus der Perspektive eines Jungen aus der Nachbarschaft berichtet, der aber nur Teil einer ganzen Gruppe von Jungen ist, die in die Schwestern verliebt sind, nicht in eine, aber in die Schwestern als Gruppe. Es wird weniger erzählt, als erinnert und belegt, anhand von „Beweisstücken“, Gesprächen mit Zeitzeugen und in den gemeinsamen Reminiszenzen an die damaligen Begebenheiten.
Obwohl das Schicksal der Schwestern bereits durch den Titel vorweggenommen ist, wird man mitgerissen, leidet mit, hofft vielleicht doch, ist schockiert und betroffen.
Wie auch schon bei „Middlesex“ hat mich der Erzählstil von Jeffrey Eugenides gefesselt, der Erzähler wirkt so authentisch, dass man mit ihm fühlt. Gleichzeitig steht ständig die Frage nach dem Warum im Raum, die sich wohl alle Zurückgebliebenen nach einem Selbstmord stellen. Der Erzähler wägt verschiedene Erklärungen ab, lässt andere ihre Theorien präsentieren, zweifelt, verwirft – und kommt zu dem Schluss, dass es trotz der tiefgehenden Auseinandersetzung mit den Schwestern nie zu klären sein wird, was sie am Ende zu ihren Selbstmorden getrieben hat – aber vielleicht ist dies auch nicht das Entscheidende.
Jeffrey Eugenides: Die Selbstmord-Schwestern. Rowohlt, Hamburg, 2005.
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