In
Rath bringt Volker Kutscher seine erfolgreiche historische Krimireihe um Gereon Rath und seine Frau Charly zu einem Abschluss. Es ist das Jahr 1938, die Nationalsozialisten sind an der Macht und drücken allen ihr System auf. Die Restriktionen für die jüdischen Mitmenschen nehmen zu und der Antisemitismus tritt offen und mit Gewalt zutage. Der nach Deutschland zurückgekehrte Gereon muss sich weiter verstecken, und weil sein totkranker Vater doch noch durchhält, liegen seine Auswanderungspläne mit Charly auf Eis. Diese muss einmal mehr für ihren Pflegesohn Fritze kämpfen, dem die Morde an zweien seiner Hitlerjungenkollegen vorgeworfen werden. Seine jetziger Pflegevater ist allzu schnell bereit, die Vorwürfe gegen ihn zu stützen, so dass Fritze sich - mal wieder - verstecken muss, bis Charly unter denkbar schlechten Voraussetzungen seine Unschuld beweisen kann. Viele Handlungsstränge laufen in
Rath parallel: Nicht nur Gereon und Charly, sondern auch Fritze, einige der umtriebigen Kollegen von Gereon, Gereons Bruder Severin und dessen Freundin Marion, die den Mord an ihrem Ehemann rächen will. Gleichzeitig bemüht sich der Autor auch intensiv um die Darstellung des historischen Settings, was in der Schilderung der
Reichsprogromnacht gipfelt. Er flicht einige jüdische Einzelschicksale ein, versucht die Brutalität der KZs darzustellen, thematisiert die Auswanderungs- und Fluchtversuche und streift auch noch das Thema (sexuellen) Missbrauchs sowohl in der HJ als auch in der katholischen Kirche. Das alles ist in Summe einfach sehr viel, nicht immer kann er all diesen Themen vielleicht gleichermaßen gerecht werden, aber es ist beachtlich, dass er die ganzen Handlungsstränge dennoch zu akzeptablen, wenn auch teils weiter offenen Enden bringt. Der Epilog wirft den historischen dunklen Schatten auf das, was nach 1938 noch kommt.
Für mich hat die Reihe eine durchgehend hohe Qualität und schafft es mit interessanten und vielseitigen Charakteren sowohl eine spannende Krimihandlung als auch historische Atmosphäre zu schaffen. Ich bin gespannt, welchem Projekt sich der Autor als nächstes zuwendet.
Volker Kutscher, Rath. Osterwold 2024.