Alain Claude Sulzer ist ein schweizerischer Autor, der mir gänzlich unbekannt war, sein auf dem Klappentext genanntes Werk Ein perfekter Kellner auch.
Der Roman Privatstunden erzählt die Geschichte von Leo und Martha und einigen weiteren Randfiguren, sie spielt in den 60er Jahren. Leo ist aus einem nicht weiter definierten osteuropäischen Land in die Schweiz geflohen und muss Deutsch lernen. Martha, ehemalige Deutschlehrerin, steckt in einer Ehe mit zwei Kindern und hat sich von ihrem Ehemann entfremdet. Trotz Altersunterschied und der gesellschaftlich-moralischen Barriere beginnen die beiden eine Liebesbeziehung, die mit Leos Weggang nach Kanada endet. Martha bleibt zurück in ihrer Ehe und bekommt – ohne dass dieser es weiß – einen unehelichen Sohn von Leo.
Die Nebenfiguren des Buches sind der psychisch erkrankte, schweigende Vater Marthas, die vereinsamte Großmutter Leos und Marthas Sohn Andreas. Dieser Andreas ist es auch, der die Geschichte aufschreibt. In Prolog und Epilog wird ersichtlich, dass er Leo für seine Recherchen in den USA aufgetrieben hat, ihn befragt und ihm von seinem bereits verstorbenen Sohn erzählt hat. Dieser bleibt unberührt, ebenso wie Martha, die, obwohl inzwischen von ihrem Ehemann getrennt, Leo nicht wiedersehen will.
Ein Thema des Buches vermutlich ist der Kontrast zwischen Normalität und Abenteuer, zwischen Establishment und Neubeginn. Martha, gefangen in ihrer Ehe, entflieht sonst nur in die Welt der Bücher und erlebt mit Leo plötzlich selbst ein Abenteuer, in das sie aber mehr gesogen wird, als dass sie sich selbst dafür entscheidet, es wirkt beinahe unfreiwillig.
Leo beschäftigt der Abschied von seiner alten Welt, seiner alten Liebe, seine ungewisse Zukunft. Seine Entscheidung, Martha am Weihnachtsabend zu küssen, wirkt spontan, ungeplant, planlos. So ist es von vornherein klar, dass dies für ihn nicht von Dauer sein kann.
Von einer „Erfüllung in einer heimlichen Liebe“, wie es auf dem Klappentext heißt, ist wenig zu spüren, auch wird die tatsächliche Liebesbeziehung, als sie denn dann beginnt, kaum mehr geschildert, das Buch endet kurz darauf.
Unklar bleibt auch, warum Sulzer die erzählerische Klammer des schreibenden Sohnes Andreas wählt, außer dass dieser sich darüber auslässt, dass er sich selbst beweisen will, außer journalistischen auch schriftstellerische Qualifikationen zu haben (S. 229). Den Leser lässt die Geschichte ratlos zurück, was ist zu lernen von diesen verzweifelten Charakteren und aus dieser Liebesgeschichte, sofern es denn überhaupt eine Liebesgeschichte ist? Die Liebe wirkt ungewollt von beiden, sie leuchtet nicht, sie vergeht einfach wieder, als einziger Zeuge bleibt der uneheliche Sohn zurück und selbst dieser verstirbt an Leukämie und ist vergangen, als die Geschichte erzählt wird.
So wird vermutlich auch der Eindruck dieses Buches schnell vergehen.
Alain Claude Sulzer, Privatstunden. Suhrkamp, Zürich 2009.
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