Saturday, January 16, 2021

Theodor Fontane - Der Stechlin

Es ist nicht ganz einfach, einem Klassiker wie Theodor Fontanes Der Stechlin gerecht zu werden. Zum einen ist da die indiskutable Qualität des Werkes - Fontanes letztes Werk, das ihm so wichtig war - zum anderen die große zeitliche Distanz zum Geschriebenen, die es mir phasenweise schwer machte, mich ganz darauf einzulassen. 

Die zentrale Auseinandersetzung in Der Stechlin ist die zwischen dem Alten und dem Neuen - ein Zeitalter geht zuende, das geprägt war vom Adel und dem Konservativen. So verlieren sich einige der Gespräche in Reminiszenzen, einige davon erscheinen aus heutigen Sicht fast banal. Dennoch erkennt man in den jüngeren Charakteren durchaus auch Akzeptanz der gesellschaftlichen und politischen Veränderung. Der noch männerdominierten Welt werden zudem kleine feminine Kontrapunkte in Form der Domina Adelheid oder der selbstbewussten Melusine entgegengesetzt, wobei es aus heutiger Sicht dennoch manchmal ermüdend ist, den "alten Männern" zuzuhören, zumal es gut wie keine Handlung gibt.

Sprachlich hingegen macht dieser Fontane durchaus Freude und weite Passagen habe ich mir von Gert Westphal vorlesen lassen, was - wie immer - ein großer Hörbuchgenuss war. Seine Interpretationen des Sprachgestus der einzelnen Charaktere verdeutlichten einige der gesellschaftlichen Gefälle auf großartige Weise und haben mir den Roman näher gebracht als es die reine Lektüre wohl gekonnt hätte. 

Dank gilt auch der sympathischen Leserunde der Mitlesezentrale, dank derer ich mich überhaupt mit diesem Fontane beschäftigt habe, die Gedanken der anderen MitleserInnen haben meinen Blick auf den Roman erweitert, den ich vielleicht sonst verfrüht wieder an die Seite gelegt hätte. 

Theodor Fontane, Der Stechlin. SWR-Lesung 2014 und eine Public-Domain-e-book-Ausgabe.

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