Eugenides hat mit Die Selbstmord-Schwestern (1993) und Middlesex (2003) zwei großartige Romane verfasst, ersterer wurde zu einem faszinierenden Film durch die Hand von Sofie Coppola mit einer jungen Kirsten Dunst in einer der Hauptrollen.
Die Liebeshandlung, im englischen Originaltitel deutlicher The Marriage Plot, erzählt die Geschichte dreier junger Amerikaner:
1. Madeleine: Als Tochter reicher Eltern studiert sie Literatur und ist besonders fasziniert vom viktorianischen Roman, daher der Titel, dessen Studium zu Beginn der 80er Jahre nicht unmoderner sein könnte.
2. Leonard: Er ist trotz seines Hauptfachs Biologie von allen möglichen Themen fasziniert und begegnet den anderen beiden in einem Literatur- bzw. Religionswissenschafsseminar. Seine geistige Brillianz und schnelle Auffassungsgabe und sein gutes Aussehen machen ihn erfolgreich bei Frauen, jedoch stellt sich dies auch als Ergebnis der manischen Phase seiner bipolaren Störung, deren Depression ihn nahezu handlungsunfähig und hilfebedürftig macht.
3. Mitchell: Er ist auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, den er in verschiedenen religiösen Ansätzen und einer Reise nach Europa und Indien sucht.
Die Geschichte der drei ist miteinander verwoben, da Madeleine beiden Männern begegnet, Leonards Faszination erliegt, aber mit ihm aufgrund seiner Krankheit nicht glücklich werden kann,während Mitchell sie verzweifelt und erfolglos liebt.
Die Liebeshandlung ist gut geschrieben, Eugenides' Erzählstil lässt wenig zu wünschen übrig. Er differenziert das Innenleben und die Erzählebenen der drei Personen gut, jeder der drei hat seine eigene spezifische Stimme. Richtig sympathisch geworden oder nahe gegangen sind mir die Charaktere dennoch nicht, selbst der etwas stärker reflektierende Mitchell schwächelt, als es um tatsächlich gewichtigere Entscheidungen in seinem Leben geht (ggf. mit Ausnahme des Romanendes) und wählt den leichteren, banalen Weg.
Ein wenig hat man beim Lesen das Gefühl, der Roman (der Autor?!) weiß nicht recht, was er sein will, was vielleicht wiederum die Konflikte der Protagonisten spiegelt. Hier wird die Literaturwissenschaft, die Psychologie und die Religion gestreift, teilweise auch exzessiv im Detail dargestellt, ohne wirklich zu Erkenntnissen zu kommen. Wohin führt der radikale, dekonstruktivistische literaturkritische Ansatz? Zurück zum viktorianischen Roman. Wie soll man mit einem manisch-depressiven Menschen leben? Es klappt nicht. Welche Religion kann Erleuchtung bringen? Schulterzucken.
Vielleicht verbergen sich in Die Liebeshandlung noch einige interessante Konstruktionen, die Bezug nehmen auf den Plot von Dreiecksbeziehungen im viktorianischen Roman, vielleicht entgeht mir die Bedeutsamkeit der Besichtigung von drei reichen, weißen Collegeabsolventen auf ihren ersten Schritten ins Leben (von denen keiner der drei übrigens wirklich Verantwortung für irgendetwas übernimmt). Als Roman des "Coming of Age" (wie ihn William Deresiewicz in der NY Times rezensiert) ist das Buch aber auch nicht beeindruckend, da völlig unklar ist, ob die drei Charaktere tatsächlich im Leben weiterkommen werden.
Das heißt nicht, dass ich Die Liebeshandlung ungern gelesen habe, besonders beeindruckt bin ich aber nicht.
Jeffrey Eugenides, Die Liebeshandlung. rororo, Reinbek 2012.
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