Sunday, January 04, 2015

Hape Kerkeling - Der Junge muss an die frische Luft


Hape Kerkelings Sketche um Hannilein & Co. konnte (und kann ich teilweise immer noch) auswendig aufsagen, seit sie mir Mitte/Ende der 80er das erste Mal begegneten und ich sie mit einer Freundin auf Kassette rauf und runter spielte.
Seit dieser Zeit ist Kerkeling ein mehrfach mit den höchsten Film- und Fernsehpreisen ausgezeichneter Komiker und Schriftsteller. Vom Erfolg seines Pilgerbuchs Ich bin dann mal weg war er vielleicht selbst ein wenig überrascht, er hat damit sogar in vielen Menschen den Wunsch ausgelöst, selbst zu pilgern. Dies lag vielleicht nicht zuletzt daran, dass er einen sehr persönlichen, sehr den Leser direkt ansprechenden Erzählton gefunden hat.
Diesen Erzählton findet man auch sofort in seinem autobiographischen Buch Der Junge muss an die frische Luft. Meine Kindheit und ich wieder. Dass er es als Audiobook selbst gekonnt und souverän liest, verstärkt diesen Eindruck natürlich noch. Und das vefehlt seine Wirkung nicht. Man versetzt sich in den kleinen Hans-Peter, sieht durch dessen Augen seine schillernde Verwandtschaft, die starken und ihn prägenden Frauen, sieht aber auch das Unheil, den Verlust der Großmutter und Mutter, kommen. Er geht dabei zwar im weitesten Sinne chronologisch vor, springt aber gerade in den ersten Kapiteln auch immer wieder zu Ereignissen der jüngeren Vergangenheit und erzählt von Begegnungen und Begebenheiten, die ihn dazu brachten, sich schreibend mit seiner Kindheit auseinanderzusetzen. Und so wirkt das Buch um Grunde auch, eine Auseinandersetzung, teils verklärend, wie man das mit den schönen Kindheitsmomenten eben so tut, aber auch sehr reflektierend und teils analysierend. Alles immer mit der Perpektive, wie er zu dem Menschen, dem Entertainer werden konnte, der er ist. Und erste Gedanken, ob er dies in gleichem Sinne noch bleiben möchte. Das Rampenlicht, die Bühne, das scheint ihm inzwischen nicht mehr so wichtig, fast scheint das Buch eine Art Schlusspunkt setzen zu wollen. Die von ihm geschaffenen Kunstfiguren (wie zum Beispiel Hannilein oder Horst Schlämmer) gaben ihm Möglichkeit, die Menschen zum Lachen zu bringen, selbst wenn ihnen nicht zum Lachen zumute war. Die Tatsache, dass er jetzt so offen von seiner Kindheit berichtet, ohne dabei die eigenen Unzulänglichkeiten oder Fehler zu beschönigen, steht in krassem Gegensatz zu diesen Masken. Am Ende glaubt man ihm, was er sagt, er hat Frieden, einen Abschluss gefunden mit den Schrecken und der Trauer seiner Kindheit. Als Leser kommt man nicht umhin, auch den starken Frauen ein wenig dankbar zu sein, dass sie ihn aufgefangen und zu dem haben werden lassen, der er ist. Nach all den Albernheiten von drei Jahrzehnten sind Hapes leise Töne und nachsinnende Gedanken eine, zum Teil vielleicht unerwartete Bereicherung. Und so kann man einiges mitnehmen aus diesen Erinnerungen und Relexionen - auch wenn man Hannilein vielleicht nicht so unglaublich komisch fand wie ich damals.


Hape Kerkeling, Der Junge muss an die frische Luft. Meine Kindheit und ich. Osterwold 2014.

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