Wednesday, February 19, 2025

Kevin Hearne - Gehetzt

Der Protagonist von Gehetzt von Kevin Hearne ist ein über 2000 Jahre alter, irischer Druide. Zurzeit lebt er mit seinem niedlichen Wolfshund Oberon unter dem Namen Atticus in Arizona, da er dort aufgrund der geographischen Lage vor vielen seiner Gegner aus der Götter- und Feenwelt unbehelligt bleibt. Dort betreibt er einen kleinen Esoterik-Tee-Buch-Laden. Er besitzt ein mächtiges Schwert namens Fragarach, das ihm seine Feinde nun abnehmen wollen, woraus sich für ihn zahlreiche Unannehmlichkeiten in Form von Angriffen und Intrigen ergeben. Atticus muss ständig auf der Hut sein, aber verfügt auch über beeindruckende magische Ressourcen. Aufgrund ihrer großen Zahl können die verschiedenen Kreaturen rund um Atticus schon etwas verwirrend sein - einige der intriganten Verstrickungen versteht auch der Druide erst nach und nach und ist entsprechend angezickt, derart instrumentalisiert zu werden. Beim großen Showdown ist er auch auf seine Allianzen und Hilfe angewiesen, um siegreich zu sein.
Interessant an Gehetzt ist sicher die humorvolle Weise, wie sich der uralte Druide in der modernen Welt bewegt und anpasst, während
sich unter der Oberfläche alle Arten von Magie und andersartigen Wesen und Gottheiten tummeln. Manchmal ist es fast ein bisschen zuviel, was da alles geschieht und wie düster einander da nach dem Leben getrachtet wird. Als Kontrapunkt dazu ist Atticus freundlich zu den Menschen um ihn herum, sei es die irische Witwe aus der Nachbarschaft oder die schrägen Kunden in seinem Laden, und als Bonus bekommt man auch noch einige lustige Dialoge mit seinem Wolfshund dazu. Das schnelle Erzähltempo mit vielen Actionszenen macht das ganze zu einer leicht überladenen, aber unterhaltsamen Fantasylektüre. 

Kevin Hearne, Gehetzt. Klett-Cotta 2011.

Sunday, February 16, 2025

Maren Schwarz - Inselfeuer

Inselfeuer von Maren Schwarz ist der erste Band einer Krimireihe um die Rechtsmedizinerin Leona Pirell. Ausgerechnet in ihrer Nachbarschaft in einem kleinen Ort auf Rügen brennt ein Ferienhaus nieder, in den Trümmern wird ein Toter gefunden, der als Enoch Zwill identifiziert wird. Seine Witwe Berit wird verdächtigt, doch Leona glaubt nicht an ihre Schuld. Sie beginnt ihre eigenen Ermittlungen, obwohl ihr Freund, der Hauptermittler in diesem Fall, absolut dagegen ist.
Was folgt ist ein recht krudes Durcheinander von Ermittlungsansätzen, bei der suspekte DDR-Machenschaften, Genkrankheiten und ein alter Mordfall einander bedingen. Leona merkt, dass sie eigentlich ihre Erkenntnisse der Polizei oder der Witwe offenlegen sollte, aber sie entscheidet sich stets dagegen. Auch als sie sich dem Kern des Motivs nähert, ignoriert sie die mögliche Gefahr, die von einem in die Ecke gedrängten Täter ausgehen könnte. Ab hier "Achtung Spoiler": Es folgt ein seltsam unspektakulärer Showdown, bei dem Leona die wesentlichen Momente amnesieartig vergisst und Berit per Zufall weiß, wohin der Täter Leona verschleppt haben könnte. Nachdem der Täter nun bekannt ist, wird irrigerweise darauf bestanden, dass man nur nach seiner Leiche sucht, was der Cliffhanger dann widerlegt. 
Leider passte in diesem Krimi fast nichts zusammen: Der Plot war holprig, die Protagonistin und auch der polizeiliche Ermittler handeln so oft so ungeschickt, dass man sich fremdschämen muss, und die Auflösung war zwar vielleicht schlüssig, aber so sehr auf Fortsetzung bedacht, dass es auch wieder peinlich war. Auch sprachlich konnte ich dem Ganzen nichts abgewinnen, weil man teilweise die nächsten Sätze inklusive Formulierung erraten konnte, eher einfach also. Der Lokalkolorit von Rügen, weswegen ich Inselfeuer überhaupt ausgewählt hatte, kommt recht detailliert daher, konnte aber die ganzen negativen Aspekte leider nicht augleichen. 

Maren Schwarz, Inselfeuer. Saga 2022. 

Saturday, February 15, 2025

Michiko Aoyama - Frau Komachi empfiehlt ein Buch

"Wonach suchen Sie?" ist die Frage, die die Bibliothekarin Sayuri Komachi den Besuchern ihrer kleinen Gemeindebibliothek stellt. Unabhängig von der Antwort findet Frau Komachi nicht nur das oberflächlich Gesuchte, sondern auch noch ein Buch, dass einen entscheidenden Denkanstoß mit sich bringt. Denn Frau Komachis Besucher befinden sich oft in einer Lebenskrise und wissen nicht, welchen Weg sie einschlagen sollen. Fünf Personen begleiten wir auf ihrem Weg aus der Ratlosigkeit hin zu einer neuen Betrachtungsweise ihrer Realität und Möglichkeiten. Dabei sagt Frau Komachi ihnen nie, was sie tun sollen, gibt keine Empfehlungen, sie sucht nur nach dem passenden Buch. Alle fünf Geschichten könnten auch für sich stehen, aber kleine Querverweise und Parallelen knüpfen Verbindungen und belegen zusätzlich den meiner Meinung nach wichtigsten Aspekt: Verändere deine Sichtweise auf das Problem und es eröffnen sich selbst in scheinbar ausweglosen Situationen neue Optionen.
Mir gefallen diese Verbindungen, aber auch die Charaktere sind gut skizziert und verschieden genug, um jeder für sich interessant zu sein. Lediglich die Bibliothekarin selbst bleibt ein wenig blass und rätselhaft, was aber zu ihrer Funktion passt. Natürlich ist in diesem Buch wenig Dramatisches zu finden, es ist wohltuend, wie den Personen positive Dinge geschehen, wenn sie sich entscheiden, der Welt anders zu begegnen. Scheinbar gibt es für derlei Bücher inzwischen die Genre-Bezeichnung "Healing Fiction" - das passt. 

Michiko Aoyama, Frau Komachi empfiehlt ein Buch. Kindler 2023.

Friday, February 14, 2025

Bill Bryson - Eine kurze Geschichte von fast allem

Bill Brysons Eine kurze Geschichte von fast allem ist ein ziemlich umfangreicher Wälzer. Für jemanden, der ungern Sachbücher liest, sind 800+ Seiten einfach zuviel. So schummele ich etwas, wenn ich das Audiobook für junge Leser:innen anhöre, um damit ein Buch von der Liste meiner Bücherkulturchallenge abzuhaken. Diese Fassung, gelesen von Ralph Caspers, war recht unterhaltsam und vermittelte seine Inhalte leicht verständlich. Ein kurzer Vergleich mit dem e-book zeigt, dass alle großen Themenbereiche des Originals auch in dieser Fassung enthalten sind - stark gekürzt natürlich. Zur Qualität des Originals und vor allem nicht zur Faktengenauigkeit würde ich mir jetzt nicht anmaßen, irgendetwas bemerken zu können. 

Bill Bryson, Eine kurze Geschichte von fast allem - für junge Hörerinnen und Hörer. cbj 2022.

Botho Strauß - Paare, Passanten

Vielleicht ist dies mal wieder ein Buch, mit dem ich nicht geduldig genug bin. Paare, Passanten von Botho Strauß (*1944) besteht aus vielen kleinen Beobachtungen und Erzählungen. Einige davon sind nur wenige Zeilen lang und andere vielleicht ein oder zwei Seiten. Dabei ist jeder einzelne Satz ausgefeilt und bedeutungsschwer. Der Band erschien erstmals 1981 und zeigt ein facettenreiches Bild der Zeit. Es geht um Beziehungen, Kommunikation und den Einfuss von Gesellschaft auf Menschen. Häufig sind die dargestellten Szenen düster und eher freudlos, von Einsamkeit des Einzelnen in der Masse geprägt. 
Trotz der beeindruckenden Sprache, den gedrechselten Sätzen, kann mich das ständige Springen zwischen den einzelnen Beobachtungen nicht bei der Stange halten und ich lege den Band nach etwa einem Drittel beiseite, weil mir ein zusammenhänger Plot fehlt.

Botho Strauß, Paare, Passanten. Süddeutsche Zeitung Bibliothek Edition 2004.

 

Emma Cline - The Girls

The Girls von Emma Cline erzählt auf zwei Zeitebenen die Geschichte von Evie Boyd. In der Gegenwart ist sie arbeitslos und darf im Haus eines alten Freundes bleiben, als dessen Sohn Julian und minderjährige Freundin ebenfalls dort auftauchen. Die offensichtliche Abhängigkeit des jungen Mädchens von ihrem Freund erinnert Evie an die dramatischen Ereignisse im Jahr 1969, als sie selbst 14 war. Ihre Eltern waren frisch geschieden und die Mutter sehr mit sich beschäftigt, ihre einzige Freundin wendet sich gegen sie, weil sie in deren Bruder verliebt ist. Evie ist auf der Suche nach etwas Besonderem, dem Außergewöhnlichem, und sieht eines Tages in einem Park eine Gruppe von Mädchen, The Girls, die ihr durch ihre Andersartigkeit auffallen. Sie scheinen ihr frei und glücklich zu sein, obwohl sie von Anfang an beobachtet, dass sie ungepflegt sind und sogar Lebensmittel aus dem Abfall stehlen müssen. Besonders eine von ihnen, Suzanne, gefällt ihr und sie ergreift die Gelegenheit, ihr zu ihrer Unterkunft auf einer Farm zu folgen. An die Geschichte von Charles Manson angelehnt, leben dort zahlreiche junge Frauen und  Kinder und verehren einen Mann namens Russell, der sie sexuell benutzt und ihnen ein krudes Weltbild vermittelt. Natürlich sind auch Drogen allgegenwärtig. Obwohl Evie auch in Russels Sog gerät, liegt ihr Fokus kontinuierlich bei Suzanne, die sie zweifelslos liebt, auch wenn Suzanne ihre Gefühle nicht erwidert. Nachdem ihre Mutter von ihrem Leben auf der Farm erfährt, wird Evie zu ihrem Vater geschicht und verbringt dort eine gewisse Zeit. Als sie schließlich zur Farm zurückkehrt, findet sie die Situation dort verändert vor, alles ist noch verkommener und die Stimmung ist düster. Russell hegt einen tiefen Groll auf einen bekannten Musiker, der ihm keinen Plattenvertrag vermitteln will oder kann, obwohl Russell ihn dazu drängt. Auch dieser Teil der Geschichte orientiert sich nah an der von Charles Manson. Eines Abends begibt sich ein Teil der Gruppe zum Haus dieses Musikers und bringt die dort Anwesenden um. Nur knapp entgeht Evie selbst der Teilnahme an diesem Verbrechen.
Gelesen wird das Audiobook von Suzanne von Borsody, deren Stimme mir zwar nicht so sehr zusagte, aber die Evies Empfindungen dennoch sehr atmosphärisch umsetzt.
Ich wusste vorher wenig über Charles Manson, doch nach dem Lesen des Wikipedia-Artikels über die Manson-Family sind die Parallelen in The Girls offensichtlich. Die Perspektive der Evie Boyd ist geschickt gewählt, denn Evie ist involviert genug, um die inneren Mechanismen des Kults zu sehen, gleichzeitig ist sie ihm aber nicht verfallen, da sie wegen Suzanne und nicht wegen Russell dort ist. Bedrückend ist, dass sie auch nach all den Jahren keine gesunde innere Distanz zu den Ereignissen von damals hat. Als Erwachsene wirkt sie isoliert von der Welt, bindungsarm, erfolglos und unglücklich. Ihr zaghafter Versuch, der jungen Freundin von Julian zu helfen, erscheint halbherzig und scheitert. Sie sehnt sich immer noch, wie mit 14, nach Bindung und Liebe, hat dies aber in ihrem Leben kaum erfahren. Genau wie der Protagonistin fehlt auch dem Roman meines Erachtens ein gesunder Abschluss, eine Perspektive oder vielleicht sogar eine Wertung der Ereignisse. Die Botschaft, Russel/Manson hat das getan, die Frauen waren dabei, dumm und abhängig, reicht mir nicht. 

Emma Cline, The Girls. Hörbuch Hamburg 2016.

Thursday, February 13, 2025

Robert Arthur - Die drei Fragezeichen und die silberne Spinne

In ihrem Fall um die silberne Spinne werden die drei Fragezeichen nach Magnusstad eingeladen. Der junge Lars Holmqvist soll in Kürze die Führung der Magnuswerke übernehmen, aber der jetzige Geschäftsführer will dies verhindern. Magnusstad, obwohl in Texas gelegen, wurde im skandinavischen Stil von Magnus Vater errichtet. Teil dieses Mythos ist auch eine silberne Spinne, die als Symbol für den Führungsanspruch der Holmqvists steht. Justus, Peter und Bob wollen Lars unterstützen, gleichzeitig sind sie im Kontakt mit einem Agenten, der davon ausgeht, dass noch andere Kriminelle beteiligt sind, um die Magnuswerke zu übernehmen. So werden die drei zu einem Spielball von Lars' Gegnern. Ihnen soll der Diebstahl der Spinne in die Schuhe geschoben werden - der Werksschutz verfolgt sie und will sie verhaften. Doch auch Lars hat seine Gefolgsleute, die die drei Fragezeichen unterstützen.
Die drei Fragezeichen und die silberne Spinne ist geprägt von Verfolgungsjagden an Gebäudefassaden, durch den Magnuspalast und die Kanalisation. Die silberne Spinne ist dabei eine Art McGuffin, ein typisches Stilmittel wie in den Filmen von Alfred Hitchcock: Ohne dass die Spinne eine tatasächliche Funktion im realen Leben hat, dreht sich ein Großteil der Handlung um sie und ihren Verbleib. Bob erlebt hier den ersten seiner Gedächtnisverluste und kann sich deshalb nicht mehr erinnern, wo er sie versteckt hat. Das kommt sehr gelegen, als sie auf psychodelische Weise mit Drogeneinsatz verhört werden und er sich wirklich nicht erinnern kann. Da es noch einer der ersten Fälle der Reihe ist, die noch zu den US-amerikanischen Originalen gehören (dort erschienen 1967!), sind auch noch die bekannten Hitchcock-Einschübe vorhanden, die die Lesenden auf die offensichtlichen Zusammenhänge hinweisen und zum Mitraten bzw. zum "Besserwissen" auffordern.
Der Band ist actionreich und durchaus spannend, allerdings sind die drei Fragezeichen eher Mitläufer der Handlung, als dass sie diese selbst groß beeinflussen. Sie sind loyal und ausdauernd gegenüber Lars und tragen dadurch schließlich zu einem gerechten, wenn auch logisch nicht ganz befriedigendem Ende bei.
Im Vergleich zur Hörspielfolge ist die Buchvorlage ausführlicher und komplexer.

Robert Arthur, Die drei Fragezeichen und die silberne Spinne. Kosmos 2011.

Sunday, February 09, 2025

Simon Beckett - Die Verlorenen

Simon Becketts Thriller-Reihe um den Forensiker David Hunter begeisterte mich. Eine neue Reihe von Beckett? Sicher, her damit. 
Becketts neuer Protagonist heißt Jonah Colley und ist Londoner Polizist. Nach einem dramatischen Start in einer verlassenen Lagerhalle, bei dem Jonah nur knapp dem Tod entrinnt und sein Knie schwer verletzt wird, erfahren wir, dass er noch sehr unter dem Verschwinden seines kleinen Sohnes leidet und dass seine Beziehung zu seiner Frau und seinem besten Freund daran zerbrochen sind. Um eben diesem besten Freund, zu dem er jahrelang keinen Kontakt mehr hatte, zu helfen, war er zu dieser Lagerhalle gefahren. Die Geschichte ist derart verworren, dass auch der ermittelnde Beamte Jonah nicht glauben mag und ihn statt dessen verdächtigt, an den Morden beteiligt zu sein. Jonah sieht den Ausweg in eigenen Ermittlungen. Leider stellt er sich dabei nicht sonderlich geschickt, macht Fehler, die er als ausgebildeter Polizist nicht machen sollte, lässt sich leicht manipulieren (von einer dahergelaufenen Journalistin gleich mehrfach und vom Täter ebenso) und es ist reine Glücksache, dass er das alles überlebt. Die Triebfeder des ganzen ist die von Schuldgefühlen befeuerte Ungewissheit über das Schicksal seines Sohnes. Die (Teil-) Auflösung des Falls ist schlichtweg unbefriedigend und der Plot hat für meinen Geschmack zu große Lücken, kein Wunder, dass der Protagonist ständig stolpert.
Immerhin wurde das Audiobook von Die Verlorenen von Johannes Steck gewohnt gut gelesen und machte das ganze erträglich.
Schade, ich hatte auf eine neue spannende Reihe des erfolgreichen Autors gehofft. Nun, vielleicht ist der neue Hunter-Fall, der Ende 2025 erscheinen soll, dann wieder besser. 

Simon Beckett, Die Verlorenen. Argon 2021.

Friday, February 07, 2025

Georgie Hall - Einatmen, ausrasten

Vorweg: Das deutsche Cover von Einatmen, ausrasten von Georgie Hall gibt Anlass zum Fremdschämen. Wer hat das nur zugelassen?
Wie kam es dazu, dass ich dieses Buch gelesen habe? - Popsugar reading challenge made me read this: "A book that features a character going through menopause"
Natürlich ist es Chick-Lit, ein einfach zu lesendes, unterhalsames Buch mit einer klar umrissenen Zielgruppe, zu der ich von meinen Leseinteressen her nicht gehöre. Ich dachte aber, das Thema Menopause/Wechseljahre mal humorvoll zu betrachten (und nicht nur durch Sachliteratur) könnte auch okay sein. Leider nicht.

Die Grundidee des Romans ist, dass die Protagonistin Eliza mit dem Leben und den Wechseljahren zu kämpfen hat. Was da was bedingt, muss dabei gar nicht näher definiert werden. Sie ist fast 50, hat Mann und drei sehr unterschiedliche Kinder, eine sehr abgeflachte Schauspielerinnen-Karriere und schwierige Beziehungen zu ihren eigenen Eltern und Geschwistern. Die Flut der Konflikte und Unzufriedenheiten überspült die Lesenden geradezu, dabei beschreibt Eliza intensiv die verschiedenen Beschwerden der Menopause. Ihre irrationalen Reaktionen auf die manchmal skurrillen Ereignisse in ihrem Leben erregen allerdings nach kurzer Zeit eher Genervtheit anstatt Mitgefühl. Sie tappt in jede Falle, macht alles falsch in den Beziehungen, die sie hat, und reflektiert erschreckend schlecht. Auch wenn ihr die Zusammenhänge zwischen ihren hormonellen Veränderungen und ihren Empfindungen und Reaktionen bewusst sind, unternimmt sie nichts, um wieder die Oberhand und Kontrolle zu gewinnen. Mäßig interessant ist dann das "Finale", als sie durch die Rettung des Familienbootes (das ganze spielt in Stratford upon Avon und es handelt sich um ein Narrowboat) eine Art Canaltrip (statt Roadtrip) unternimmt und sich dadurch erstmals wieder als "Kapitänin" des eigenen Lebens fühlt, obwohl sich eigentlich nichts geändert hat. Was mich neben den sich ausdehnenden Jammereien am meisten genervt hat, sind folgende Aspekte:
1. Die Charaktere, Eliza selbst eingeschlossen, bleiben schablonenhaft und verändern sich wenig. Wir haben da den Charmeur-Italiener, die Social-Media-süchtige Teenie-Tochter, den Autistensohn, den schweigsamen Handwerker-Ehemann, den schwul-depressiven Bruder - die Liste wäre einfach fortzusetzen. Muss das in einem solchen Unterhaltsroman so sein?!
2. Die Handlung ist schlichtweg die Ansammlung von Unannehmlichkeiten, in die Eliza gerät, und die Geschichte der Bootsfahrt, die sie unternimmt. Hinterher ist dann alles anders, warum auch immer. Mehr passiert im Grunde auf den über 400 Seiten nicht.
3. Das Thema Menopause, das als zentrales Element im Vordergrund gestellt ist, wird gar nicht wirklich thematisiert. Ja, andere Frauen in Elizas Umgebung haben das auch durchlitten, alles weitere wird mit "aber danach ist alles besser" abgetan. Selbst in einem Unterhaltungsroman wird das der Thematik auf keinen Fall gerecht. Die zum Teil intensiven Symptome beeinträchtigen das Leben von Frauen über viele Jahre hinweg und die Botschaft ist "da muss man halt durch"? Einmal kauft Eliza willkürlich irgendwelche Präparate in der Apotheke, aber es wird nicht thematisiert, ob sie sie anwendet und ob sie helfen. Hormontherapie wird von Elizas Mutter damit abgetan, dass "das war, bevor wir wussten, wie gefährlich das war". Das ist vor aktuellem medizinischen Hintergrund irreführend und schlichtweg falsch. Eine solche Desinformation - auch in einem seichten Roman wie diesem - geschrieben von einer Frau, (unter Pseudonym von Fiona Walker, *
1969) finde ich sehr problematisch. Also lachen wir Frauen einfach über die Hitzewallungen und die psychischen Auswirkungen und warten, dass es vorbeigeht?
4. Noch irreführender ist aber, dass die Schuld an Elizas Problemen eben auf die Wechseljahresbeschwerden geschoben wird. Sie ist eben nicht mehr sie selbst, sie hat ihr Leben nicht mehr im Griff. Das tatsächliche Problem liegt aber in der mangelhaften und disfunktionalen Kommunikation, die vor allem von ihrer Familie (mit ihren Eltern und Geschwistern) vorherrscht und die dazu führt, dass sie auch nicht mit ihrem Ehemann spricht. Der weiß scheinbar kaum etwas von ihren Beschwerden und ist selbst unsicher. Das ist schon fast unglaubwürdig. Und während Kommunikation natürlich immer beide Seiten umfasst, ist es hier nur das Problem von Eliza, die sich in ihren Rollen (Mutter, Ehefrau und Schauspielerin) verheddert hat und deswegen all diese Konflikte hat. 

Um auf den Anfang meiner Tirade zurückzukommen Einatmen, ausrasten war schlichtweg nicht meine Art von Buch, aber ich bin der Meinung, auch leichte Unterhaltungsromane könnten gewisse literarische Standards erfüllen hinsichtlich Plots und Charakteren und sollten vor allem keine Problemfelder aufgreifen, zu denen dann nichts Erhellendes (oder noch schlimmer nur Falsches) gesagt wird.  

Georgie Hall (alias Fiona Walker), Einatmen, ausrasten. Ullstein 2021.

Wednesday, February 05, 2025

Andy Weir - Der Astronaut

Nach Der Marsianer (2014) und Artemis (2017) ist Der Astronaut (2021) der dritte Roman von Andy Weir. Ersterer hatte mir gut gefallen, relativ klassische Science Fiction, angereichtert mit wissenschaftlichen Details und einem unfassbar optimistischem Protagonisten, der dann in der Verfilmung ja auch hervorragend zum US-amerikanischen Helden stilisiert wurde. Artemis kam mit einer eher problematischen Protagonistin und einem recht schlecht durchdachten Plot daher und hat mir wenig gefallen.
Mit Der Astronaut kehrt Weir wieder zurück zu seiner ersten Idee, einsamer Wolf im Weltall, der durch Geschick und wissenschaftlicher Cleverness (eines Highschool-Lehrers...) überleben und die Welt retten muss. Neu ist die Freundschaft mit einem ungewöhnlich freundlichen Alien, für den der Autor gleich eine recht umfangreiche Faktenbasis über Physiognomie, Verhalten und Sprache erfindet. Letzteres fand ich zunächst amüsant, aber im Grunde ist der Sprachlernprozess völlig unglaubhaft. Wäre der Held namens Ryland Grace aber nicht auf diesen außerirdischen Freund gestoßen, hätte ich das Hörbuch mit seinen über 15 Stunden wohl nicht zuendegehört. Dieser brachte eine zwischen-"menschliche" Komponente hinzu, die mich etwas bei der Stange hielt, während die wie bei Der Marsianer immer wieder auftretenden technischen Schwierigkeiten und deren komplexe Beschreibung und Lösung mich ungeduldig werden ließen. Ansonsten muss man leider sagen, dass es insgesamt vor Stereotypen nur so wimmelt, die allesamt so schablonenhaft sind (vor allem in der parallel erzählten Vorgeschichte auf der Erde), dass man sich fast fremdschämen muss. Ich bin nicht Technikfreak genug, um beurteilen zu können, ob wenigstens das technische, wissenschaftliche Gewusel halbwegs Sinn ergibt und vielleicht nerdigere Leser:innen als mich in den Bann zieht, aber ich glaube, ich habe jetzt genug von Andy Weir. 

Andy Weir, Der Astronaut. Random House Audio 2021.

Tuesday, February 04, 2025

Stephen King - Carrie

Laut dem Nachwort zu dieser Ausgabe von Carrie wäre Stephen King heute nicht der berühmte Autor, wenn seine Frau nicht das kurze Manuskript aus dem Mülleimer gefischt hätte. Weil es so kurz war, reicherte er es dann noch mit einigen fiktiven Protokollen und Berichten an, durch die der Fall von Carrie White im beschaulichen Ort Chamberlain in Maine von allen Seiten beleuchtet wird. Der Roman (1974) und auch die Verfilmung von Brian de Palma (1976) haben Kultstatus.
Auch wenn man halbwegs über die Geschichte Bescheid weiß - und der Roman selbst macht in seinem Aufbau kein Geheimnis um den fatalen Ausgang - bleiben die Geschehnisse durchgehend spannend. Carries Charakter ist in seiner Abstrusität des religiösen Fanatismus und der Telekinese dennoch glaubhaft, was ihr angetan wird, türmt sich wie ein immer größer werdende Last auf ihren Schultern auf und ihr Aus- und Zusammenbruch ist eine logische Folge. Interessant sind auch die psychologischen Mechanismen, die in den "Dokumenten" über die Vorfälle bei den Beteiligten zu Tage treten: Selbstreflexion, Verleugnung, Schuld, Reue, Trauer. Trotz seiner Kürze zeigt sich schon in Carrie Stephen Kings große Stärke in der Darstellung seiner Figuren und es findet sich auch sein beliebtes Kleinstadtsetting. Ein lesenswerter Klassiker. 

Stephen King, Carrie. Bastei 2013.

Saturday, February 01, 2025

Lauren Oliver - Delirium

Nope. Leider nein.
Die Grundidee von Delirium von Lauren Oliver ist milde interessant: Liebe ist eine Krankheit und in einem dystopischen Überwachungsstaat wird alles daran gesetzt, diese Krankheit auszurotten. Das Bildungssystem vermittelt dies rigoros, Jungen und Mädchen werden strikt getrennt und ihnen fast alle Optionen genommen, sich ungezwungen zu begegnen, und all das gipfelt in einem krassen physischen Eingriff, der allen die Fähigkeit zur Liebe nehmen soll. Daraufhin leben alle kastriert zufrieden mit ihren vom Staat ausgewählten Partnern. Natürlich gibt es die Querulanten, die Rebellen, die hier Invaliden heißen und draußen "in der Wildnis" leben. Unsere Protagonistin Lena steht kurz vor ihrem Eingriff und natürlich passiert, was passieren muss, sie begegnet Alex und verliebt sich. Was folgt ist ein langwieriges Hin und Her mit inneren und äußeren Konflikten, in dessen Verlauf sie einige Entdeckungen macht und schließlich eine Entscheidung für sich und ihr Leben trifft.
Für meinen Geschmack passte hier wenig zusammen. Die eigentlich linientreue Lena denkt und fühlt viel zu blumig, sucht praktisch nach den Lücken im System, nur um dann erschrocken zurückzuziehen und sich zu fürchten. Die Backgroundgeschichte um ihre Mutter ist unglaubwürdig, das Worldbuilding insgesamt eher lückenhaft. Nun, es war einmal wieder ein Fall von " the Popsugar reading challenge made me read this". And that's that.

Lauren Oliver, Delirum, Silberfisch 2011.