Friday, November 18, 2016

Jonathan Franzen - Freiheit


Freiheit war eines der Bücher, die durch Länge und Gewicht des dicken Hardcovers und auch durch den Klappentext eher Langatmigkeit verprachen. Von Jonathan Franzen hatte ich zuvor nichts gelesen, anscheinend hatte er mit dem Vorgängerroman Die Korrekturen (2001) seinen Durchbruch, brauchte danach aber lange Jahre, um Freiheit zu verfassen.
Im Mittelpunkt des Romans steht die schwierige Ehe von Walter und Patty Berglund und spielt in einem Zeitraum von Mitte der 80er Jahre bis 2009. Neben den schwierigen Beziehungen, die die beiden miteinander, mit ihren Kindern, Nachbarn und Freunden haben, werden auch Politik, Globalisierung, Umweltverschmutzung oder der Irakkrieg thematisiert.
Mehr zum Inhalt und zum Aufbau bei wikipedia

Zur Identifikation ist keiner der Charaktere geeignet, denn passend zum Titel sucht jeder stets egozentrisch nach der eigenen Freiheit, verfolgt eigene Bedürfnisse, und oftmals werden Familie und Freunde eher als Gegner denn als Partner wahrgenommen. Mit dem lapidaren Satz "Es wurden Fehler gemacht" wird dies attestiert, aber nicht gewertet. Man verbringt viel Zeit mit Walter, Patty und ihrem unsäglichen Musikerfreund Katz, sieht ihrem Leiden und ihren falschen Entscheidungen zu und wird ein bisschen trübsinnig in der schlechten Welt, in der sie leben. Mag sein, dass hier ein facettenreiches Bild der (weißen Mittelklasse) US-amerikanischen Gesellschaft gezeichnet wird, aber es verschließt sich der weitere Zusammenhang oder der Sinn. Das seltsame Ende wirkt eher wie ein verzweifelter und mäßig gelungener Versuch, dieses lange Werk *irgendwie* zuende zu bringen. Das ist - gelinde gesagt - unbefriedigend. Die Umweltthemen vermochten mich auch nicht recht zu packen, Walters Enthusiasmus ist zu oft fehlgeleitet, um zu überzeugen.
So bleibt am Ende nur eine über 700 Seiten starke Charakterstudie, die Zeugnis davon ablegt, dass in der heutigen Gesellschaft von Egomanen Zusammenleben in einer stabilen Beziehung schwer geworden zu sein scheint.

Jonathan Franzen, Freiheit. Rowohlt, Reinbek 2010.  

3 comments:

Fragmentage said...

Hmm... Ich mochte Freiheit sehr, gerade wegen der tiefen, schmerzhaften Charakterstudien - da habe ich mich ziemlich wiedergefunden :/ aber ja, der rote Faden der Handlung verfängt sich manchmal, das ging mir auch so.

LG,
Hadassa

Fragmentage said...

Ich werfe noch meine Rezension hinterher, falls sie dich interessiert http://fragmentage.blogspot.co.il/2015/01/buch-jonathan-franzen-freiheit.html

InBetween said...

Hey Hadassa, ich kann mir gut vorstellen, dass man den Roman auch anders wahrnehmen kann, als ich das getan habe. Vielleicht war er einfach zu düster für mich zum jetzigen Zeitpunkt. Deine Rezension hatte ich übrigens schon gelesen! :)
Den Autor finde ich trotzdem nicht uninteressant - auch wenn er scheinbar viel über sich selbst schreibt. "Die Korrekturen" würde ich bei Gelegenheit durchaus lesen - wenngleich das wohl auch so ein Wälzer ist.