Monday, December 25, 2017

Volker Kutscher - Der nasse Fisch

Ein nasser Fisch, das ist im Polizeijargon der 20er Jahre in Berlin ein Mordfall, der ungelöst zu den Akten gestellt werden muss.
Gereon Rath ist neu im Sittendezernat in Berlin, nachdem er aus seiner Heimatstadt wegen eines unangenehmen Todesfalls wegziehen musste. Mit seinem Kollegen Bruno Wolter versteht er sich zunächst gut, auch wenn dessen Ermittlungspraxis ihm nicht immer zusagt. Sein Zimmer zur Untermiete wurde vorher von einem Russen bewohnt, so dass es zunächst nur etwas anstrengend ist, als nachts plötzlich ein lärmender Russe diesen Vormieter sucht. Doch genau diese Begegnung liefert Gereon einen Hinweis, der ihm ermöglichen soll, von der Sitte schnell ins ersehnte Morddezernat zu wechseln. Er ermittelt privat in einem scheinbar nicht zu lösenden Fall (nasser Fisch!) und gerät dadurch immer tiefer in ein verwirrendes Gestrüpp aus radikalen politischen Gruppen, korrupten Beamten und Berliner Unterwelt, aus dem er nur knapp entkommt, als er sich am Ende entscheidet, die Wahrheit zu sagen und seine eigenen Fehler einzugestehen.
Volker Kutscher zeichnet ein überaus überzeugendes Bild des Berlins von 1929: Die Atmosphäre, der Molloch, die rivalisierenden und sich zunehmend radikalisierenden politischen Parteien und Gruppen (sowohl rechts als auch links), gleichzeitig das verrückte Nachtleben der Großstadt.
Auch die Charaktere sind scharf gezeichnet und werden kontinuierlich weiterentwickelt, je der Protagonist sie kennenlernt und dadurch selbst an Profil gewinnt.
Der Plot erstreckt sich auf über 500 Seiten, weniger wäre hier an der ein oder anderen Stelle mehr gewesen, weswegen sich mein Leseprozess aus ziemlich hingezogen hat, obwohl mir das Buch eigentlich gefallen hat. Ein oder zwei sich in die Länge ziehende zähe Ermittlungstage weniger hätten nicht geschadet, auch ist die Sichtweise (vielleicht dem Setting geschuldet) eine sehr männliche, trotz der nicht allzu hilflosen weiblichen Hauptperson, die aber dann doch dem männlichen Charme erliegt. Muss vielleicht so sein.
Insgesamt hat mir Der nasse Fisch gut gefallen, vermutlich hauptsächlich wegen des historischen Berlinsettings, auch wenn ich mir ein flotteres Erzähltempo gewünscht hätte.

Volker Kutscher, Der nasse Fisch. KiWi, Köln 2008



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