Laetitia Colombani erzählt in ihrem Roman Der Zopf die Geschichten dreier Frauen in sehr unterschiedlichen Lebenssituationen. Sie leben im Kastensystem Indiens, in der katholischen Enge Siziliens und in der Anwaltswelt Kanadas.
Die Grundidee des Romans ist interessant, denn alle drei Frauen befinden sich in einem Moment des Umbruchs und Ausbruchs aus ihrer bisherigen Lebenswelt. Sie müssen Mut aufbringen und etwas wagen, um ihr Leben selbstbestimmter leben zu können. Doch hier enden bereits die Ähnlichkeiten.
Smita in Indien setzt ihr Leben aufs Spiel, doch statt ihre Angst und Zweifel zu erleben, erfahren wir - recht sachlich - viel über das regide, Frauen unterdrückende und missachtende Gesellschaftssystem Indiens.
Spätestens bei Giulia muss man sich fragen, zu welcher Zeit diese Geschichten spielen, denn als wie selbstverständlich von der Familie beschlossen wird, Giulia solle die Firma des Vaters durch eine reiche Heirat retten, erscheint dies doch selbst für Sizilien sehr archaisch.
Die toughe Anwältin Sarah bleibt trotz Krankheit und den Ungerechtigkeiten, die ihr widerfahren, ein sehr ungeliebter Charakter, ihr Umgang mit Familie, Kindern, anderen Menschen und dem Job zeugt von einer Egozentrik, die sie einfach unsympathisch macht.
Insgesamt erlebt man die Entwicklung der Charaktere in einer Art Zeitraffer, denn in der Kürze des Romans bleibt wenig Raum dafür. So wirken die Umbrüche auch aufgesetzt, teilweise sogar von außen aufgestülpt. So kommt Giulias Zukunftsidee nicht von ihr, sondern von ihrem indischen Liebhaber, Sarah wird von ihrem Arbeitgeber zum Umdenken gezwungen, allein Smita fasst ihre Entscheidung aus sich heraus, wenn auch hauptsächlich motiviert durch ihre Tochter, der sie eine andere Zukunft schaffen möchte.
Gestört haben mich die ebenfalls etwas grob herangezogenen religiösen Bezüge, die den Protagonistinnen in ihren Entscheidungen Halt geben - besonders bei Smita, die sich selig und befreit fühlt, nachdem sie Eintritt für den Tempel und sogar für ihre Opfergabe bezahlen musste?!
Die Verknüpfung der drei Geschichten wird recht früh offensichtlich, bleibt aber im Grunde ohne Tiefgang, da die Frauen nichts von den jeweils anderen wissen und auch nicht ihren Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung erahnen können.
Insgesamt bleibt Der Zopf meines Erachtens hinter seinen Möglichkeiten zurück, emotional haben mich die Schicksale der drei Frauen wenig bis gar nicht berührt.
Laetitia Colombani, Der Zopf. Argon 2019.
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