Sherman Alexie schrieb Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeitindianers auf der Basis seiner eigenen Jugend. Genau wie der Autor lebt der Protagonist Arnold "Junior" Spirit in einem Reservat der Spokane-Indianer im Staat Washington. Nach Konflikten an der Reservatsschule und der Erkenntnis, dass er eine andere Ausbildung braucht, um aus den schwierigen Zuständen des Reservats zu entkommen. Er beschließt, die 30 km entfernte Schule in Reardon zu besuchen, wo er als einziger Indianer aus der Masse der weißen heraussticht. Er schafft es trotz des widrigen Umstände und dem Misstrauen, das ihm entgegenschlägt, sich den Respekt der Mitschüler zu verschaffen. Leider gerät er dadurch in Konflikt mit seinem Stamm, die ihn nun schneiden, weil er ihnen den Rücken gekehrt hat, und auch das Verhältnis zu seinem besten Freund leidet darunter.
Was zunächst wie ein humoristischer, episodenhafter Jugendroman beginnt, gespickt mit kleinen Anekdoten und viel Selbstironie, wird im Verlauf zu einer immer ernsthafteren Auseinandersetzung mit der Situation der Reservatsindianer. Dabei ist Arnold nicht anklagend, analysiert aber mit scharfem Blick die Stärken und Schwächen seines durch Armut und Chancenlosigkeit gebeutelten Stammes. Mit ihm zusammen erleben wir den Verlust gleich mehrerer naher Verwandter und Freunde, alle diese Todesfälle haben mit Alkoholismus zu tun. Arnold sieht sich darin bestärkt, dass er sich nicht durch seine angeborene Identität zurückhalten lassen will und nicht aus einem falschen Ehrgefühl heraus auf Bildung und die Chance auf ein besseres Leben verzichten will. So versucht er seinen Weg zu gehen, auch wenn er weiß, dass er damit andere verletzen kann und wird.
Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeitindianers ist weit mehr als der erste Leseeindruck, Titel und auch Klappentext vermitteln. Natürlich ist es eine Coming-of-Age Story, natürlich versucht Arnold, seine Schwierigkeiten mit Witz und Selbstironie zu verpacken, aber seine starke Beobachtungsgabe, ungemeine Willensstärke und die Toleranz für andere Menschen, die er auf seinem Weg beweist, lassen ihn zu einem weitaus interessanterem Charakter werden, als man zunächst annimmt. Es ist ein Buch, das zu Recht zahlreiche Auszeichnungen gewonnen hat.
Sherman Alexie - Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeitindianers. HörCompany 2016.
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