Vielleicht hätte man im Vorfeld schon misstrauisch werden können: „...ein kleines literarisches Meisterwerk, dessen Anziehungskraft auf der Magie des Wortes beruht.“
Vielleicht noch nicht bei diesem Zitat auf dem Klappentext, aber vielleicht dann spätestens beim Zitatgeber, denn dies sagt ... die Weltwoche? Wieso ausgerechnet ein Zitat aus der Weltwoche, wenn es doch ein Meisterwerk ist? Hat der Spiegel oder die Zeit nichts dazu gesagt? Hmm...
Der Ich-Erzähler verfällt im Zuge eines langen Genesungsprozesses der Faszination der Vogelwelt, insbesondere den Schneegänsen. Und dann waren da noch Mauersegler, Rotschwanzbussarde, Sumpfhordenvögel, Nordamerikanische Schneefinken, Purpurgimpel, diverse Entenarten, Reiher, Kraniche und wasweißichnoch für Geflügel. Da beschließt er dann den Schneegänsen, welche ja Zugvögel sind, quer über den nordamerikanischen Kontinent (Texas – Baffin Bay, Kanada) zu folgen, mit ihnen zu reisen.
Hey, die Idee klingt spannend. Er trifft auch viele interessante Menschen auf dem Weg, deren Geschichten seltsamerweise alle spannender sind als seine eigene. (Oder warum erzählt er sie?)
Dazwischen kann er sich offensichtlich nicht ganz entscheiden, ob er statt Erlebnisbericht nicht vielleicht doch lieber ein Vogelsachbuch geschrieben hätte. Was ich jetzt alles über Forschungen zum Zugverhalten und die verantwortlich zu machende Erdkrümmung weiß! (Entsprechend gibt es am Ende des Buchs auch ein langes Literaturverzeichnis...)
Interessant vielleicht auch noch, dass Nostalgia (oder auch Heimweh) tatsächlich eine Krankheit ist, die früher gern bei delokalisierten Alpenbewohnern oder Soldaten an der Front diagnostiziert wurde. Wusste ich vorher auch nicht. Vielleicht mal zum Nachdenken für alle, die Retro (=nostalgisch?) so schick finden...
Nach der ersten Reiseaufregung (seine „Zugunruhe“) ist dann plötzlich natürlich doch wieder das Heimweh zum Elternhaus da („Rückkehr ins Brutgebiet“), aber gebogen und gebrochen, schafft er am Ende den waghalsigen Schluss, dass seine Nostalgia doch zukunftsgerichtet ist, ein Sehnen zum Neuen...
Magisch fand ich das nicht, sondern eher etwas herbeigezwungen. Hübsch vielleicht noch der kleine selbstproduzierte Seitenhieb, dass er ins Brutgebiet der Schneegänse nur mit einem Pärchen jagender Inuit gelangen kann – zum Abendbrot gibt es dann Schneegans...
Alles in allem ist es für Ornithologen vielleicht ein ganz niedliches Buch, mich haben die pseudowissenschaftlichen Vogelpassagen eher gestört, wenngleich ich einige der Charaktere, denen er auf dem Weg begegnet, faszinierend fand.
Die Weltwoche hat allerdings um einige Ecken zu hoch gegriffen, meiner Meinung nach.
Wie gesagt, man hätte misstrauisch werden können...
William Fiennes: Der Zug der Schneegänse. Eine Reise zwischen Himmel und Erde. München 2002.
Monday, May 28, 2007
Grün
Grau, teurer Freund, ist alle Theorie
Und grün des Lebens goldner Baum.
Johann Wolfgang von Goethe, Faust I, (Mephistopheles)
Friday, May 25, 2007
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