American Psycho von Bret Easton Ellis erschien 1991 und wurde in Deutschland 1995 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien auf den Index gesetzt - erst seit 2001 ist der Roman in Deutschland frei verkäuflich. Das ist für einen "Klassiker" der amerikanischen Literatur schon bemerkenswert. In den USA ist es unter den Top 100 der "most banned and challenged books"
und auch in anderen Ländern gab und gibt es Auflagen.
Der Inhalt ist schnell zusammengefasst: Der 26jährige Patrick Bateman ist Investment Banker und steinreich. Er sieht gut und gepflegt aus, bewegt sich in den "besten Kreisen" und ist intelligent. Leider ist er - so sagt er selbst - ein Psychopath. Hinter der Fassade lebt er ein zweites Leben voller Drogen und Gewalt, er misshandelt und tötet Frauen - später auch Männer - zu seinem eigenen Vergnügen.
Anfangs wechselt der Roman zwischen sehr langatmigen Passagen, in denen das Yuppie-Leben von Bateman und seinen Kollegen/Freunden geschildert wird, und den düsteren Gewalteskapaden.
Ersteres dreht sich egoman um das äußere Erscheinungsbild (unendlich viele Schilderungen, wer welche Kleidung von welcher Marke trägt) und Restaurantbesuche, bei denen es weniger um das Essen als um das Sehen und Gesehen werden geht. Hier kriegt die Fassade schon erste Risse, denn ständig werden Personen verwechselt, nicht erkannt oder mit falschen Namen angeredet. Was nützt es, top gekleidet in den hippen Lokalen zu sein, wenn man gar nicht als derjenige erkannt wird, der man ist? Natürlich ist das alles massive Kapitalismuskritik, das Schein mit Sein verwechselt, echte Gespräche finden nicht statt, die Personen bleiben stereotyp. Zäh ist es dennoch.
Die Gewaltschilderungen steigern sich im Verlauf des Romans, von anfänglichen Andeutungen, er habe jemanden umgebracht, bis hin zu sehr drastischen Schilderungen von Sex, Mord, bis hin zum Kannabalismus. (Anmerkung: Vor dem Hintergrund ist das Buch sicherlich wirklich nicht für alle Altersstufen geeignet...) Das Ganze gipfelt in einer Art Amoklauf von Bateman, bei dem er wahllos Leute tötet und von der Polizei verfolgt wird - die ihn aber nicht fasst! Statt dessen kehrt er am Ende in sein normales Leben zurück, als wäre nichts gewesen.
Spätestens jetzt muss man hinterfragen, wie verlässlich Patrick Bateman als Erzähler eigentlich ist: schizophrene Züge, massiver Alkohol- und Drogenkonsum und eine zutiefst zynische Haltung gegenüber seinen Mitmenschen und der Gesellschaft. Er will aus der Rolle fallen, er will der Banalität und dem Konsum etwas entgegen setzen - aber tut er es wirklich oder ist am Ende alles gar nicht wahr? Die Grenzen der Realität verschwimmen mehrfach und zunehmend im Laufe des Romans, sogar die Erzählperspektive wechselt kurzfristig, als sähe Bateman sein Leben plötzlich von außen, nachdem er sich sonst in einem unfassbar detaillierten Stream-of-Consciousness ergießt. Hinzu kommt ein Symbolismus, der mit dem Holzhammer daherkommt, das Musical Les Miserables und die Rückgabe seiner Leihvideos sind nur zwei Beispiele.
Ich gestehe American Psycho gern eine gewisse literarische Bedeutung zu und vor dem Hintergrund seines Erscheinens 1991 ist es sicherlich keine uninteressante Gesellschaftskritik. Als Leseerlebnis fand ich es sehr anstrengend. Die Darstellung aller weiblichen Figuren ist diskriminierend und schlichtweg inakzeptabel, das Namedropping all der 90er-Jahre-Modemarken nervtötend und die Gewaltszenen schwer verdaulich (selbst wenn man durch die aktuellen Thriller einiges gewöhnt ist). Weiterempfehlen würde ich es nicht und ich werde es auch auf keinen Fall ein zweites Mal lesen oder hören.
Das Audiobook hat übrigens ein kleines Vorwort, das vor den drastischen Inhalten warnt - so etwas hatte ich zuvor auch noch nie.
Bret Easton Ellis, American Psycho. Random House Audio 2005.