Sunday, September 26, 2021

Martin Walker - Provokateure

Provokateure, der siebte Band von Martin Walker um Bruno, Chef de Police, in dem beschaulichen Saint-Denis, beginnt mit einem Leichenfund im Wald. Der Nordafrikaner wurde gefoltert und es stellt sich heraus, dass er ein verdeckter Ermittler war, der in der Dschihadisten-Szene in Toulouse recherchiert hat. Zeitgleich erfährt Bruno, dass in Afghanistan ein autistischer Junge namens Sami aufgetaucht ist, der aus Saint-Denis stammt und nun zurückgeholt werden soll. Noch während Bruno sich um die Rückkehr der Jungen kümmert, der in Afghanistan Bomben gebaut haben soll, wird klar, dass die Mörder auch hinter Sami her sind.
Nun kümmerm sich auch die Geheimdienste um den Fall, auch der amerikanische Geheimdienst schickt eine Agentin, Nancy Sutton. Zwischen ihr und Bruno entwickelt sich bei der Zusammenarbeit eine starke Anziehung.
Während der Anhörungen um Sami um die Frage, ob er Opfer oder Täter, ausgenutztes Kind oder Dschihadist ist, muss sich Bruno auch noch um einen Fall aus dem zweiten Weltkrieg kümmern. Die Halévy Geschwister waren in Saint-Denis versteckt worden, bevor sie nach Israel auswanderten. Nun will die wohlhabende Schwester Maya Halévy sich mit einer großzügigen Spende bei der Kleinstadt bedanken, sofern diese ein entsprechendes Konzept für eine Gedenkstätte oder ein Museum vorlegt. Als Maya nach Saint-Denis reist, wird auch sie plötzlich zur Zielscheibe für die Dschihadisten, die immer noch Sami zum Schweigen bringen wollen, wofür jedes Mittel recht ist.
Es kommt zu einem großen Showdown mit viel Waffeneinsatz, bei dem Nancy schwer verletzt wird. 

Der Band erschien im Original 2014, auf Deutsch erst 2015, nach dem Attentat auf Charlie Hebdo, wodurch die Thematik hohe Aktualität erhielt - muslimische Extremisten, die in französischen Moscheen rekrutieren. Das Thema wird allerdings nur oberflächlich behandelt, die persönlichen Belange und Lebensumstände von Bruno und den Bewohnern der Kleinstadt stehen stärker im Vordergrund. Dies steht in Kontrast zu dem massiven Einsatz von Waffen und Gewalt, zu der es in diesem Band immer wieder kommt. Das mag nicht zu Saint-Denis und zu Bruno passen. Auch der Zweitplot um die jüdischen Geschwister wirkt zum Teil aufgesetzt und fügt sich nicht ins Ganze. Zwar hat mich Provokateure dennoch gut unterhalten, aber der Fall wirkt holprig und nicht immer schlüssig. 

Martin Walker, Provokateure. Diogenes, Zürich 2015.

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Saturday, September 25, 2021

Kan Takahama - Zwei Espresso

Kan Takahama ist eine japanische Zeichnerin, Illustratorin und Autorin. Seit 2003 werden ihre Bücher auch international veröffentlicht. 

Die Story von Zwei Espresso ist schnell zusammengefasst: Der französische Comiczeichner Benjamin reist ins japanische Hinterland, um nach einer Japanerin zu suchen, mit der er vor Jahren eine Nacht in Paris verbracht hat. Sie hat ihm damals zu seinem ersten beruflichen Erfolg verholfen, aber nur vage Hinweise auf ihre Identität hinterlassen. Er findet sie daher erst einmal nicht, sondern hilft einem Japaner, der dort im Nirgendwo ein Cafe betreibt, endlich Kaffeekochen zu lernen. Im Gegenzug hilft er ihm bei der Suche...
Der Zeichenstil ist eher europäisch als typisch japanisch, weswegen die Autorin auch bekannt geworden ist. Die schwarz-weißen Bilder sind ansprechend gestaltet (nur die Geräusche sind etwas übertrieben dargestellt, so dass man sie versucht zu übersehen/-lesen). Die Story ist unterhaltsam, aber birgt wenige Überraschungen. Andere Bände der Autorin (wie Der Liebhaber oder Stille Wasser) scheinen - glaubt man den Rezensionen - beeindruckender zu sein.  

Kan Takahama, Zwei Espresso. Carlsen, Hamburg 2016.



Saturday, September 18, 2021

Nikolai Gogol - Tote Seelen

Obwohl Nikolai Gogols Tote Seelen schon lange auf der Leseliste stand, wusste ich bisher sehr wenig über diesen Roman. Bei Librivox ist eine deutsche Aufnahme von Teil 1 und 2 vorhanden, gelesen von Eva K., der man gut zuhören kann.
Mit Satire und Zynismus wird die Geschichte des Pawel Tschitschikow erzählt, der einigen Grundbesitzern auf dem Lande tote Seelen (=Leibeigene) abkauft. Er biedert sich zunächst bei allen gesellschaftlich wichtigen Menschen an, um dann seine Geschäfte abzuwickeln. Die Handlung ist dabei weniger entscheidend als die umfassende Darstellung der korrupten, russischen Gesellschaft. Unverblümt kritisiert er offen russische Eigenarten und gewohnheiten, bindet den Leser stellenweise kumpelhaft in seine Beobachtungen ein und macht sich beständig lustig über seine stereotypen Charaktere.
Das macht über einen gewissen Zeitraum Spaß, in der Tat, aber ich muss auch zugeben, den fragmentierten Roman (für die Details siehe den wikipedia-Artikel) nicht zuende angehört zu haben. Für einen (guten) Eindruck hat es gereicht. 

Nikolai Gogol, Tote Seelen. LibriVox 2017.

Friday, September 17, 2021

Ta-Nehisi Coates - Zwischen mir und der Welt

Ta-Nehisi Coates, amerikanischer Autor und Journalist, geboren 1975, veröffentlichte Zwischen mir und der Welt im Jahr 2015 und erhielt dafür den National Book Award im Bereich Sachbuch. In Briefform erzählt Coates seinem Sohn in teils autobiographischen Episoden, teils in erklärenden Passagen, was es heißt, als schwarzer Mann in den USA zu leben. Sein Fokus liegt dabei auf der rassistischen Gewalt, die seiner Überzeugung und seinen Erfahrungen nach stets präsent und tief in der amerikanischen Kultur verwurzelt ist. "White Supremacy" ist etwas, gegen das Schwarze immer werden ankämpfen müssen, die Ungerechtigkeit ist Teil der amerikanischen Gesellschaft. Sprachlich (und inhaltlich) eindrücklich ist dabei, dass er von der Zerstörung schwarzer Körper spricht - natürlich auch in Bezug auf Polizeigewalt (“The destroyers will rarely be held accountable. Mostly they will receive pensions.”), aber auch in anderen Lebensbereichen und besonders auch im Gefängnis. Seine Beispiele und Erzählungen sind anschaulich, aus meiner europäisch-weißen Sicht musste ich mich trotzdem manchmal anstrengen, die beschriebenen Ungerechtigkeiten als Realität anzuerkennen und so manches Mal schlucken.

An den Brief an seinen Sohn schließt sich ein zweiter Sachteil an, der "Plädoyer für Reparationen" betitelt ist und eine Übersetzung eines Essays aus dem Magazin The Atlantic ist. Am Beispiel des Immobilienmarktes zeigt Coates darin auf, wie Politik und auch die Gesetzgebung über Jahrzehnte Schwarze beim Hauskauf nicht nur benachteiligten, sondern regelrecht ausbeuteten, und was die dadurch entstehende  Einschränkung des Wohnortes für Folgen (Ghettobildung) auf den gesellschaftlichen (Nicht-) Aufstieg hatte. Er greift eine Forderung nach Reparationen für die jahrhundertelange Ausbeutung der Schwarzen auf und führt positive Effekte deutscher Reparationszahlungen für den begangenen Völermord an den Juden an Israel an. Entsprechende juristische Versuche werden jedoch abgeblockt, statt dessen findet weiterhin Ausbeutung und Segregation statt, wofür er erschreckend aktuelle Beispiele anführt. 

Für mich war es kein leichtes Buch, einiges blieb mir fremd. Ich habe aber viel gelernt, eine andere Perspektive eingenommen, Wissensinseln verbunden - eine lohnenswerte Lektüre. 

Ta-Nehisi Coates, Zwischen mir und der Welt. Hanser, Berlin 2014.

Monday, September 06, 2021

Alexandre Dumas - Die drei Musketiere

Die drei Musketiere von Alexandre Dumas ist einer der Klassiker, die jeder kennt, aber vermutlich deutlich weniger gelesen haben. Die meisten Ausgaben umfassen 500 bis 700 Seiten oder mehr, das schreckt ab. Die Abenteuer des jungen D’Artagnans und seiner drei Freunde drehen sich um die Intrigen des Kardinals Richelieu, seinem Gefolgsmann Rochefort und Lady de Winter, denen die vier Gefährten mehr oder weniger geschickt mit einer großen Portion Mut und Glück entgegentreten.
Obwohl meine Audiobook-Edition schon gekürzt ist, konnten mich die Erlebnisse der Musketiere nur bedingt fesseln. Christoph Lindert gestaltet die Szenen durchaus actionreich und gibt den Figuren Leben - aber vermutlich ist Mantel-und-Degen-Abenteuer einfach nichts für mich. 

Alexandre Dumas, Die drei Musketiere. Saga Egmond 2020.

Saturday, September 04, 2021

Jenny Offill - Amt für Mutmaßungen

Jenny Offills Roman Amt für Mutmaßungen steht auf der Liste eine Langzeit-Challenge, die ich hoffe, irgendwann abzusc
hließen. Bei einer anderen Challenge (SuB-Abbau-Punkte-Challenge) ist gerade der Monat der SuB-Leiche, da erscheint es mir angebracht, vielleicht beide Challenges mal zusammenzubringen. Deswegen also dieses Buch jetzt.

Es umfasst nur 176 Seiten, war 2014/2015 für zahlreiche Preise nominiert (ohne welche zu gewinnen) und stand auf der Liste der besten Bücher des Jahres 2014 der New York Times. Rezensionen schwanken zwischen "unfassbar gut und beeindruckend" und "absolut belanglos". 

Ich weiß nicht so recht.
Es wird die Geschichte einer Beziehung erzählt, die Personen haben keine Namen, heißen nur die Frau und der Mann, hinzu kommt später noch das Kind. Der Erzählstil ist gewöhnungsbedürftig, sprunghaft, fragmentarisch. Gespickt ist das ganze mit wissenschaftlichen, literarischen und philosophischen Bezügen und Zitaten, den Interessen und der Bildung der Frau entsprechend. Anfangs sind es noch ich und du, später nur noch er und sie, symbolhaft für die Distanzierung, die sich im Inneren und Äußeren der Frau abspielt. Man muss gedanklich einige Leerstellen füllen, auch aufpassen, nicht einen Handlungszusammenhang zu verpassen in dem vor sich hin fließenden Stream of Consciousness, der einen manchmal einlullt. Andere sprechen von der großen Bedeutung, die sie in einzelnen Passagen des Buches finden, mich hat es leider nicht sonderlich angesprochen. Vielleicht ist die Problematik des Erblühens und Verwelkens einer Ehe mir nicht nahe genug. Auch hat mich das Abdriften der Protagonistin in die psychische Labilität irritiert, ihre Abhängigkeit von dem Verhalten ihres Mannes und ihre Anhänglichkeit sind nichts Erstrebenswertes. Wahrhaftig kein Buch, was ich unbedingt gelesen haben müsste, was ich jetzt aber auf der Liste abhaken kann. Das immerhin. 

Jenny Offill, Amt für Mutmaßungen. DVA, München 2014.

Friday, September 03, 2021

Jeffery Deaver - Der talentierte Mörder

In Lincolns und Amelias 12. Fall nutzt ein Mörder geschickt Alltagsgegenstände, die eine wifi- und computergestützte Fernsteuerung verwenden, um seine Taten zu verüben - ein Szenario, das genauso gruselig wie vorstellbar ist. Noch ein Grund mehr, keinen intelligenten Kühlschrank haben zu wollen...
Wie immer lässt uns Deaver auch in die Gedankenwelt der Täters ein, steuert die personale Erzählebene aber so geschickt, dass diverse Überraschungsmomente dennoch funktionieren. Eine Nebenhandlung lässt außerdem Amelias kriminellen Ex-Freund wieder auftauchen, einen Moment lang bangt man um ihre Beziehung zu Lindoln Rhyme. Auch andere alte Charaktere haben einen Auftritt, was beim langjährigen Leser der Serie zu einer Art Wohlfühlsfaktor führt. Die Ermittlung - tatsächliche Spurenanalyse und Kombinatorik - kommt allerdings m.E. etwas zu kurz. Insgesamt ein durchschnittlicher Thriller mit alten Bekannten. 

Jeffery Deaver, Der talentierte Mörder. Random House Audio 2017.