Friday, July 13, 2007

Ensemble, c'est tout


Was erwartet man von einem Buch, das in Paris spielt, und von den darin agierenden Charakteren? Lebensfreude, die schönen Künste, z.B. Malerei, Musik,..., gutes Essen, vielleicht noch eine gewisse Geschichtsverbundenheit, das Land atmet das Königliche und die Revolution gleichermaßen. Voilà – damit wären ja schon einige Komponenten von Anna Gavaldas Bestseller „Zusammen ist man weniger allein“ genannt. (Der französische Originaltitel „Ensemble, c’est tou“ ist allerdings treffender.)

Vier Charaktere, die unterschiedlicher nicht sein können, schälen sich im Laufe des Buches aus ihren Einsamkeiten, um sich in Wohngemeinschaft und Freundschaft endlich wieder an ihrem Leben zu freuen. Da wären:

Camille – arbeitet als Putzfrau, isst kaum d.h. zu wenig, trinkt und raucht, viel zu viel, und zeichnet und malt wie ein Engel, aber zu wenig. Sie wacht jeden Tag mit dem Gefühl auf „Kies zu kauen“ und die Erinnerungen an ihr bisheriges Leben und ihre Familie quälen sie.

Franck – ein begabter Koch, schuftet und schuftet und verwechselt in seiner Freizeit Motorradfahren und kurze Frauengeschichten mit dem Leben. Einziger Lebensliebeslichtblick: Seine Großmutter Paulette.

Paulette – Francks Großmutter, hat ihn groß gezogen und ist alt und langsam zu alt, um noch allein zu wohnen. Ihr altes Haus – das kleine Paradies. Das Altersheim – ein Albtraum.

Philibert – adelig, aber durch seine Familie zu einem unsicheren, gestörten jungen Mann geworden, der Postkarten verkauft und mit einem schier unendlichen historischen Wissen stotternd umherirrt. Er bewohnt bis zur Lösung einer Erbschaftsstreiterei ein museumshaftes Appartement, das für ihn allein viel zu groß ist.

Zusammen mit diesen vier betritt man Philiberts Appartement und damit eine andere Welt, in der normal nichts mehr bedeutet und Leben neu definiert wird und eine andere Qualität bekommt. Das Alte hinter sich lassen, Neues schaffen, aber das nur im Miteinander.
Keine neue Botschaft, natürlich, aber die Charaktere sind ganz wunderbar in ihrer Skurrilität und in ihrer Glaubhaftigkeit.
Man will plötzlich auch nach Paris, am liebsten mit diesen in ihre WG einziehen, ein wunderbares Bild malen, Vivaldi hören oder ein mehrgängiges Menü kochen.
Auch sprachlich macht das Buch Spaß: Die Dialoge lassen nach und nach immer mehr durchscheinen, was für Menschen da miteinander sprechen, die Gedanken und Selbstgespräche von Camille lassen einen manchmal schmunzeln, manchmal traurig sein.
Aber genug des Kommentars: Selber lesen. Am besten schnell, denn Mitte August hat der Film Premiere, wer weiß... Wobei man mit Audrey Tautou in der Rolle der Camille hoffen darf...



Zum Schluss noch eine kleine Leseprobe:

Am nächsten Tag blieb sie im Bett, bis es Zeit war, den Besen zu schwingen. Als sie aufstand, sah sie auf dem Tisch den Teller, den Franck für sie zubereitet hatte, mit einer kleinen Nachricht: „Filetspitze von gestern mit Backpflaumen und frischen Tagliatelle. Mikrowelle drei Minuten.“
Fehlerlos, alle Achtung.
Sie aß im Stehen und fühlte sich sogleich besser.

Schweigend verdiente sie ihren Lebensunterhalt.
Wrang den Scheuerlappen aus, leerte Aschenbecher und verschnürte Müllbeutel.
Kehrte zu Fuß nach Hause zurück.
Schlug die Hände gegeneinander, um sie aufzuwärmen.
Nahm den Kopf wieder hoch.
Dachte nach.
Und je mehr sie nachdachte, desto schneller lief sie.
Rannte fast.
Es war zwei Uhr morgens, als sie Philibert schüttelte:
„Ich muss mit dir reden.“

„Jetzt?“
„Ja.“
„A... aber, wie spät ist es denn?“
„Das ist egal, hör mir zu.“
„Reich mir bitte meine Brille.“
„Du brauchst keine Brille, es ist dunkel.“
„Camille ... Bitte.“

„Ah, danke. Mit meinen Gläsern höre ich besser. Na, Soldat? Was verschafft mir die Ehre dieses Hinterhalts?“
Camille atmete tief durch und packte aus. Sie hörte eine Weile nicht mehr auf zu reden.


(Anna Gavalda: Zusammen ist man weniger allein. Carl Hanser Verlag, München/Wien 2005, S. 343f.)

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