Sunday, January 22, 2017

Brooke Davis - Noch so eine Tatsache über die Welt

Die Australierin Brooke Davis schaffte 2014 den Durchbruch mit ihrem Debütroman Lost & Found, einem deutlich eingängigeren Titel als der, der im Deutschen für den Roman gewählt wurde: Noch so eine Tatsache über die Welt. 

Auf dem mitternachtsblauen, mit Sternen übersähten Covers ist als weißer Scherenschnitt ein kleines Mädchen zu sehen, Millie.
Millie ist sieben, ihr Vater ist vor kurzem gestorben und ihre verzweifelte Mutter lässt Millie einfach in einem Kaufhaus zurück. Sie hat Angst, das Kaufhaus zu verlassen, weil sie denkt, ihre Mutter kommt dorthin zurück, um sie abzuholen, daher versteckt sie sich zunächst dort.
Karl ist 87 und gerade ins Altersheim gezogen, wo er es schrecklich findet - deswegen haut er ab und setzt sich erst einmal ins Kaufhaus. Dort begegnet er Millie.
Gegenüber von Millies Haus wohnt Agatha (82), die seit dem Tod ihres Mannes ihr Haus nicht mehr verlassen hat und deren einziger Kontakt zur Außenwelt vorübergehende Passanten sind, die sie beschimpft.

Aus den Perspektiven dieser drei skurillen Protagonisten wird Noch so eine Tatsache über die Welt erzählt. Karl schickt Millie schließlich nach Hause und ermöglicht ihr die Flucht, als sie vom Jugendamt abgeholt werden soll. Agatha wird auf das Mädchen, das offensichtlich allein ist, aufmerksam und verlässt schließlich ihr selbstgewähltes Gefängnis, um dem Kind zu helfen. In Millies Haus finden sie einen Reiseplan der Mutter, die offensichtlich aus Australien weg will. Agatha und Millie nehmen einen Bus, um noch rechtzeitig Melbourne zu kommen, von wo die Mutter abfliegen will. Per Zufall sieht Karl die beiden am Busbahnhof und schließt sich ihnen an. Es entwickelt sich ein abgefahrener Roadmovie, bei dem jeder der drei viel über sich, den Tod, die Liebe und das Leben lernt - vor allem, dass letzteres trotz großer Verluste weitergehen kann und dass zwischen tot sein und alt sein ein Unterschied besteht.

Es ist eine ziemlich ungewöhnliche Mischung, die der Leser in diesem Roman serviert bekommt. Kleine und größere Lebensweisheiten mischen sich unter eine wilde Ansammlung von schrägen Handlungsweisen, die wohl nur Kinder und alte Menschen in ihrer Direktheit zuwege bringen. Nicht alles dabei ist liebenswert, wie man es sich wohl von diesen Charakteren und der eigenen limitierten Vorstellung von Altersweisheit erhoffen würde, einiges ist sogar grausam oder dumm. Aber der Roman macht auch klar, dass Meinungen und Enscheidungen nicht immer endgültig sind, man darf sich umentscheiden, umkehren, einen anderen Weg einschlagen, wenn man feststellt, dass die Entscheidung nicht richtig war, dass es eine bessere, lebenswertere Möglichkeit gibt. Und so finden alle drei Charaktere einen Ausweg aus ihren jeweiligen Dilemmas und auch wenn Millies Mantra "Ihr werdet alle sterben." wahr ist und bleibt, so kommt es doch viel mehr auf das Leben davor an, auf das Dazwischen von Geburt und Tod. 
"The start date and the end date are always the important bits on the gravestones, written in big letters. The dash in between is always so small you can barely see it. Surely the dash should be big and bright and amazing, or not, depending on how you had lived."


Brooke Davis, Noch so eine Tatsache über die Welt. Ullstein, München 2016.

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