Tuesday, August 30, 2016

Katharina Hagena - Vom Schlafen und Verschwinden

Es ist einige Jahre her, dass ich Katharina Hagenas Roman Der Geschmack von Apfelkernen (erschienen 2008) las und anstatt einer Rezension suchte ich damals einige meiner Lieblingsstellen heraus. Ich erinnere mich mehr an meinen Leseeindruck - ich fand das Buch sehr berührend - als an die Handlung, habe mir aber auch die Autorin gemerkt. Es dauerte sechs Jahre, bis sie ihr nächstes Buch veröffentlichte.
In Vom Schlafen und Erschwinden erzählt die Somnologin Ellen von ihrer Rückkehr in den kleinen Ort Grund, von ihren Liebhabern, von ihrer Tochter Orla, von ihren Eltern und von ihrer eigenen Schlaflosigkeit. Zwischendurch kommt Marthe zu Wort, sie ist die Mutter von Lutz, einem von Ellens Liebhabern, der spurlos verschwand. Marthe hegt einen tiefen Schmerz darüber und sie weiß nicht, wie sie damit umgehen soll und sucht nach jemandem, dem sie die Schuld dafür geben kann.
Neben der tatsächlich an schlaflose, um sich selbst mäandernde Gedanken erinnerte Erzählweise von Ellen wird mit dem Bezug auf das Lied "Come Heavy Sleep" von dem britischen Komponisten John Dowland (1563-1626) eine zusätzliche Metaebene geschaffen. Marthe ist es, die von den Chorproben dieses Stückes berichtet und dadurch die einzelnen Zeilen des Renaissance-Liedes in Bezug zu ihren und Ellens Erlebnissen setzt. Auch die Naturbezüge zu Reihern, Ochsenfröschen, dem See und anderen Verstecken (und Vorkommnissen) im Wald bieten metaphorische Deutungsmöglichkeiten.
Vom Schlafen und Verschwinden ist ein facettenreiches Buch und wenn ich doch nicht ganz so hingerissen bin wie damals von Der Geschmack von Apfelkernen, so ist dies doch eine beeindruckende Lektüre.

Die Sprecherinnen Meret Becker und Regina Lemnitz verkörpern die beiden Erzählerinnen überzeugend. An das Audiobook angehängt ist eine Aufnahme von "Come Heavy Sleep", ein treffender Abschluss der Lesung.

1. Come heavy sleep, the image of true death;
and close up these my weary weeping eies:
Whose spring of tears doth stop my vitall breath,
and tears my hart with sorrows sign swoln cries:
Com and possess my tired thoughts, worne soule,
That living dies, till thou on me be stoule.

2. Come shadow of my end, and shape of rest,
Allied to death, child to blakefact night:
Come thou and charm these rebels in my breast,
Whose waking fancies doe my mind affright.
O come sweet sleepe; come, or I die ever:
Come ere my last sleep comes, or come never.

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