Jan Costin Wagner verlässt mit Sommer bei Nacht das finnische Setting seiner Kimmo-Joenta-Reihe und wechselt nach Wiesbaden. Der kleine Jannis wird auf einem Schulflohmarkt entführt, als Mutter und Schwester kurz nicht auf ihn achten. Ben Neven und Christian Sandner ermitteln, haben aber nur wenige Spuren, denen sie folgen können. Erst durch die Medienberichterstattung treffen weitere Hinweise ein, doch letztlich ist es ein Zufall, der schließlich den Durchbruch bringt.
Sommer bei Nacht hat zahlreiche Erzählperspektiven, kurze Kapitel sind jeweils mit dem Namen des Erzählenden getitelt. Beim Hörbuch erschwerte dies bei nur einem Vorlesenden, Torben Kessler, manchmal das Verständnis, wenn man den Perpektivwechsel nicht immer sofort erfasste. Zudem waren die sprachlichen Kontraste des Gedankenflusses der einzelnen Perpektiven nicht sonderlich groß, was zum Teil verwirrend war. Dahinter steckt aber vermutlich das Konzept, dass alle Beteiligten sich in ähnlich schwierigen persönlichen Situationen befinden und zwar mit unterschiedlichen Dämonen kämpfen, aber alle ihre Abgründe in sich tragen. Oft findet die Handlung parallel zu einem intensiven inneren Erleben der Charaktere statt, nicht immer sind Handlung und Gefühl dabei in einem direkten Zusammenhang, vielmehr beeinflussen Stimmungen die Wahrnehmung oder trüben sogar die Sicht. Literarisch ist dies durchaus interessant, für mehr Stringenz des Plots hätte ich mir aber einige Perspektiven und Nebenhandlungen weniger gewünscht. So lernen wir die Charaktere intensiv und mit ihren Schwächen (von denen einige schwer auszuhalten sind) kennen, der tatsächliche Fall gerät dabei trotz seiner Grausamkeit in den Hintergrund und wird "nebenbei" und nur durch Zufall aufgelöst.
Am Ende bleiben einige schwerwiegende Fragen offen, am problematischsten dabei die Fragen einer Haltung zur Pädophilie und zur Selbstjustiz. Was bleibt, ist die Faszination mit Jan Costin Wagner ungewöhnlichem Erzählstil und seinen zerrissenen Charakteren.
Jan Costin Wagner, Sommer bei Nacht, Argon 2020.
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