Das von Jens Wawrczeck großartig gelesene Hörbuch Nennt mich nicht Ismael erzählt die Geschichte eines Jungen in der neunten Klasse, der seinen Vornamen - Ismael - unerträglich findet. Schuld daran ist hauptsächlich einer seiner Mitschüler, von dem er andauernd drangsaliert und provoziert wird, ein klarer Fall von Mobbing.
Dabei ist Ismael durchaus selbstironisch in seiner Melodramatik, mit der er seine Verzweiflung über seinen Namen äußert, er sieht aber keinerlei Möglichkeit an seiner Situation etwas zu ändern. Hilfe kommt von außen - als erstes in Form einer jungen, scharfsinnigen Deutschlehrerin, die den Klassenpeiniger sofort erkennt und entlarvt, und zweitens in Form eines neuen seltsamen Mitschülers namens James Scoobie. Letzterer wird selbst sofort zur Zielscheibe, weiß sich aber durch seine sprachliche Überlegenheit zu helfen.
Als die Deutschlehrerin einen Debattierclub (eine durchaus übliche AG in den USA) ins Leben ruft, findet sich Ismael plötzlich an der Seite von Scoobie und einige anderen Misfits in einer neuen Situation - er ist nicht mehr allein mit seinen Problemen. Mit Hilfe seiner neuen Freunde stellt er sich seinen Ängsten und als einer von ihnen zur neuen Zielscheibe des Mobbers wird, schwört er Rache...
Was dieses Buch von anderen seiner Art abhebt, ist der durchgehend witzig, locker-leichte Erzählton. Zwar leidet Ismael unter den Drangsalierungen, verzweifelt an seiner eigenen Unzulänglichkeit und Hilflosigkeit, alldem ein Ende zu bereiten, aber durch die Selbstironie, mit der er diese Dinge an sich selbst erkennt und schildert, wird das Buch niemals schwermütig oder mitleidheischend. Ismael ist ein glaubhafter Protagonist, mit Schwächen und Stärken. Er trifft richtige und falsche Entscheidung, ist erfolgreich und scheitert ebenso oft. Jens Wawrczeck setzt den Charakter äußert überzeugend um, so dass man beim Hören oft laut auflachen muss.
Zudem war es interessant, Ismaels Aussöhnung mit seinem Namen und seinem literarischen Hintergrund Moby Dick mitzuverfolgen, gegen Ende des Buches liest er Melvilles Roman und stellt fest, dass er zwar "nicht Ismael" ist, aber dass Moby Dick eine große Geschichte ist. Die eingestreuten Zitate sind ein weiteres Plus und ermöglichen Bezüge zur Erzählung.
Nennt mich nicht Ismael von Michael Gerard Bauer ist ein erfreulich gutes und gut geschriebenes Buch zum Thema Mobbing und eine tolle Coming-of-Age Geschichte, lesenswert, besonders in der Audiobook-Fassung.
Michael Gerard Bauer, Nennt mich nicht Ismael. Hoercompany 2011.
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