Monday, November 21, 2022

Lucy Foley - Sommernacht

Das Setting von Lucy Foleys Thriller Sommernacht erinnert an klassische Agatha Christie Romane - alle Personen befinden sich auf engem Raum (einer Insel vor Irlands Küste), einer von ihnen muss der Täter sein. In diesem Fall verhüllt die Autorin auch bis zum Schluss, wer das Opfer des Mordes ist, wenngleich man es erahnen kann. Sie wählt ständig wechselnde personale Erzähler, jede Figur hat seinen eigenen Blick auf die Geschehnisse der Sommernacht. An diesem Tag wird die Hochzeit von Julia und Will gefeiert, die Hochzeitsplanerin hat alles für das populäre Paar ausgearbeitet. Doch im Laufe des Abends zieht ein Sturm auf und während dies geschieht, dramatisieren sich auch die Erinnerungen und Wahrnehmungen der einzelnen Erzähler. Die vielen kleinen und größeren Geheimnisse schichten sich auf und übereinander wie die Wolkenberge und drohen sich mit viel Getöse zu entladen...

Lässt man sich einmal auf die häufigen Perspektivwechsel und ständigen Zeitsprünge ein, so erzeugen diese ihre ganz eigene Spannung. Wie hängen die ganzen angedeuteten und nur nach und nach aufgedeckten Geheimnisse zusammen? Wer ist die Leiche, deren Existenz schon in einem der ersten Kapitel aufgedeckt wird? Und wer der Täter, die Täterin? Welches der zahlreichen Motive gab den Ausschlag für die Gewalttat? Am Ende fallen die Puzzlestücke an die richtige Stelle und das ganze fügt sich zusammen. 

Sommernacht hat sein ganz eigenes Spannungsmoment durch diese nicht ganz übliche Erzählweise, mir  fehlen allerdings die sympathischen Charaktere (oder wenigstens ein Sympathieträger). Alle Erzähler haben charakterliche Schwächen, sind auf ihre Weise feige, skrupellos, egoistisch... Das Ende löst diese inneren Konflikte nicht auf, verstärkt das Elend eher noch. Es bleibt ein bedrückendes und düsteres Gefühl zurück.

Lucy Foley, Sommernacht. Penguin, München 2021.

No comments: