Saturday, April 05, 2025

Toni Morrison - Gott, hilf dem Kind

Gott, hilf dem Kind ist der elfte und letzte Roman von Toni Morrison. Sehr blaue Augen und Menschenkind konnten mich begeistern, bei diesem Roman bleibe ich etwas ratlos zurück. Ich habe lange an dem Audiobook herumgehört, lange Pausen gemacht und bin nicht so richtig warm geworden damit. Die wechselnden Erzählperspektiven gefielen mir nicht so recht, zumal mir bei einigen unklar blieb, was sie beizutragen hatten. Oft schien mir die Geschichte gespickt mit bedeutungsschweren Andeutungen und Querverbindungen, Metaphern, die ich nicht ganz zu entschlüsseln in der Lage war. Ich hatte am Ende das Gefühl, mir sei etwas Entscheidendes entgangen und das stimmt vermutlich. Das Leben der Protagonistin Bride (eigentlich Lula Ann Bridewell) ist eine krasse Achterbahnfahrt, ungeliebt in der Kindheit, weil sie für die farbige Mutter "zu schwarz" ist, aber dann erfolgreich in der Kosmetikbranche. Es folgt ein ebenso unglücklicher wie fragwürdiger Versöhnungsversuch mit einer Strafgefangenen, an deren Verurteilung Bride als Kind beteiligt war, und der so fehlschlägt, dass Bride wegen ihrer Verletzungen nicht arbeiten kann. Der undurchsichtige Freund hat sie unschön verlassen, aber sie macht sich dennoch auf den Weg, ihn zu finden. Auf dem Weg hat sie Unfälle und einige zufällige Begegnungen mit Menschen, die sie beeindrucken. Das alles wirkt nur lose aneinander gereiht, hat aber natürlich Verknüpfungen - für mich fehlte der rote Faden. Ein Thema, was immer wieder auftaucht, ist Kindesmissbrauch in verschiedenen Fällen mit unterschiedlichen Täter:innen. Dabei werden diese nicht offen gelegt, im oben bereits erwähnten Fall sogar Unschuldige verhaftet. Es gibt Zeug:innen und Mitwisser:innen, aber keine Strafen. Das ist bedrückend, um es vorsichtig auszudrücken.
Gott, hilf dem Kind würde ich definitiv nicht an Erstleser:innen von Toni Morrison empfehlen, für mich blieb es hinter den oben genannten Romanen deutlich zurück.

Toni Morrison, Gott, hilf dem Kind. Argon 2017.

Saturday, March 29, 2025

Ali Standish - Baskerville Hall - Das geheimnisvolle Internat der besonderen Talente

Man denke an Sherlock Holmes - den berühmtesten Detektiv aller Zeiten. Und an seinen Autor, Arthur Conan Doyle. Und dann drehe man das ganze wie in einer Sanduhr einmal auf den Kopf. Dann wird Arthur Conan Doyle plötzlich zum Protagonisten einer Geschichte, in die ihn Sherlock Holmes gebracht hat!
So oder so ähnlich hat sich das der Autor von Baskerville Hall - Das geheimnisvolle Internat der besonderen Talente, Ali Standish, ausgedacht.
Arthur lebt, wie auch sein tatsächliches Original, in einer großen, aber armen Familie in Edinburgh und bekommt, unverhofft, die Chance, auf ein Internat zu gehen. Spätestens hier trennen sich Original und Fantastisches, denn Baskerville Hall birgt zahlreiche Geheimnisse. Es gibt interessante Mitschülerinnen und Mitschüler mit mehr oder weniger skurillen Gewohnheiten und Eigenschaften. Die Erstklässler sind in einem Turm untergebracht, man isst in einem riesigen Speisesaal, wo die einzelnen Zirkel, in die sich die Schülerschaft aufteilt, zusammensitzen. Auch die Lehrkräfte könnten besonderer nicht sein. Viele der Charaktere, Kinder und Erwachsene, tragen Namen aus den Romanen von Conan Doyle. Arthur und seine Freunde bekommen überraschend das Angebot, in einen elitären Kreis von Schülerinnen und Schülern aufgenommen zu werden - dem Kleeblatt. Dafür müssen sie aber einige Prüfungen absolvieren, die nicht ganz ungefährlich scheinen. Offensichtlich verfolgt das Kleeblatt außerdem eigene, verborgene Ziele. Und dann ist da noch die mysteriöse Professorin Grey und ein grüner Ritter, von einem ganz besonderen Ei mal ganz abgesehen...
Baskerville Hall - Das geheimnisvolle Internat der besonderen Talente ist für sich gesehen ein ganz ordentlich gelungenes, fantastisches Abenteuerbuch mit interessanten Charakteren. Die Idee von einem jungen Arthur Conan Doyle, der mit seinen besonderen Fähigkeit auch eine besondere Ausbildung an einem besonderen Ort erhält, gefällt mir. Das Setting und auch der Plot erinnern allerdings an so arg vielen Stellen an die Reihe um den mit der Blitznarbe gezeichneten Jungzauberer, dass es fast weh tut. Schade ist, dass außer dem Namedropping der Holmes/Doyle-Bezug zu kurz kommt. Wird im Einstieg zum Roman die Hauptfigur als clever, stark im Kombinieren und einfallsreich präsentiert, so ist davon im Internat selbst kaum etwas zu merken. Er kommt zwar hinter die Zusammenhänge, aber es scheint nicht so, als wäre er diesbezüglich schneller oder besser als seine Mitschüler und Mitschülerinnen.
Vielleicht sehe ich das zu kritisch - der Roman hat durchaus Unterhaltungswert, die Geschichte ist gut erzählt und die Charaktere machen Spaß - nur neu ist das alles eben nicht. 

Ali Standish, Baskerville Hall - Das geheimnisvolle Internat der besonderen Talente. Hanser 2025.

Sunday, March 23, 2025

Richard Bach - Die Möwe Jonathan

Richard Bachs Die Möwe Jonathan wird als Klassiker der spirituellen Literatur  betitelt und oft in einem Atemzug wie Der kleine Prinz von Saint Exupery genannt. Es erschien ganz unauffällig, fast ohne Marketing im Jahr 1970 und wurde quasi durch Mund zu Mund Propaganda bis 1972 zu einem Bestseller. Persönliche, absurde Notiz: Als ich es in der Bibliothek ausleihen wollte, bekam ich eine Fehlermeldung des Scanners. Die nette Bibliothekarin bedankte sich bei mir, dass ich es im Regal wiedergefunden hatte, es war als "verschollen" markiert gewesen. Bücher tauchen auf und verschwinden wieder... Dies ist jedenfalls eine wunderschöne Hardcoverausgabe mit den Möwen-Fotografien von Russel Munson, teilweise auf Vellumpapier gedruckt.
Ich vermute, dass es für Geschichten wie diese bestimmte Alterszeitfenster oder Lebenszeitpunkte gibt. Ich fand Jonathans Streben nach Flugkünsten, Freiheit und Selbstverwirklichung schön erzählt. Es ist eine ansprechende Idee, dass er seine Erkenntnisse als Lehrmeister weitergeben will und damit zu einer Möwenfreiheitsbewegung beiträgt. Die philosophischen Gedanken haben mich aber nur leicht bewegt, wenngleich ich die Allegorie des Fliegens sehr treffend finde für das Suchen nach Freiheit. Dieses Buch kam also vielleicht nicht zum richtigen Zeitpunkt für mich, aber es ist - Ausgabe und Inhalt - ein schönes Buch. 

Richard Bach, Die Möwe Jonathan. Ullstein 2003.

Sunday, March 16, 2025

Silke Lambeck - Die Ahoibande

Die Ahoibande von Silke Lambeck erzählt von den Erlebnissen einer Gruppe von Kindern auf der fiktiven Insel Süderhoorn. Willi, Paule (eigentlich Pauline), Paules kleiner Bruder Jojo und Schulz (eigentlich Marko und aus Berlin) schließen sich zu einer Bande zusammen. Mit dabei ist auch immer Willis Hund Ohdsschie. In lockerem und oft witzigem Ton erfahren wir einiges über das Inselleben und die Eigenarten der Kinder. 
Das Buch ist in neun Kapitel eingeteilt, in jedem Kapitel steht ein anderes Kind im Mittelpunkt, was zu unterschiedlichen Sichtweise und Erlebnissen führt.

Die Zielgruppe sind Grundschüler:innen, aber das Buch eignet sich auch gut zum Vorlesen. Mir haben die Geschichten Freude gemacht und die Illustrationen von Lena Hesse werten das Buch noch einmal deutlich auf. 

Silke Lambeck, Die Ahoibande. Gerstenberg, Hildesheim 2025.

Jason Reynolds - Ghost

Ghost ist der erste Band einer vierbändigen Serie von Jason Reynolds über ein Laufteam. Benannt sind die Bände nach den jeweiligen Protagonisten. Ghost ist der Spitzname von Castle Cranshaw. Er lebt in einer finsteren Wohngegend einer nicht näher benannten Stadt in den USA. Ghost ist oft wütend und gerät deswegen auch oft in Konflikte in der Schule, auch wenn er genauso oft nicht die alleinige Schuld daran trägt. Sein großes Geheimnis: Sein Vater sitzt im Gefängnis, weil er gedroht hat, seine Mutter und Ghost zu erschießen. Die beiden konnten fliehen...wegrennen..., doch seitdem sind die Dinge schwierig. Eines Tages stolpert Ghost per Zufall in das Lauftraining eines Teams, dass sich Defenders nennt. Er rennt - aus dem Stand - gegen eines der Teammitglieder und ist genauso schnell! Gegen alle Widerstände, die von Ghost selbst und die seiner Mutter, bringt ihn der Trainer ins Team. Und Ghost lernt, wie gut es tut, etwas zu tun, was man gut kann, Lob dafür zu bekommen, und es auch noch mit Menschen zu tun, die ihn schätzen. Natürlich biegt er noch ein paarmal falsch ab, bis er das tatsächlich kapiert.
Die Lesung von Jörg Pohl interpretiert die Stimme und die Emotionen von Ghost hervorragend. Ghost ist clever, emotional und verletzlich, ein guter Beobachter und er entwickelt sich - dank seiner Fehler und dank der Menschen, die sich für ihn einsetzen - weiter. Er ist ein authentischer Jugendlicher, mit typischen Teenagerproblemen, aber auch mit einem Brocken Ballast, der nicht ganz so leicht zu bewältigen ist. Die Botschaft, dass Sport und ein Team bei der Überwindung davon helfen kann, gefällt mir sehr gut. Und es ist eine erfreuliche Abwechslung zu all den Fußballbüchern, denn wer hätte gedacht, dass Laufen so spannend und herausfordernd sein kann? 
Ein wenig erfahren wir in Ghost auch schon von den Charakteren der Folgebände, in denen Jason Reynolds wiederum andere, nicht minder schwere Themen aufgreift. 

Jason Reynolds, Ghost. Hörcompany 2018.

Saturday, March 15, 2025

Terry Pratchett - Heiße Hüpfer

Was für eine schlimmer Übersetzung ist bitte dieser Titel? The Last Continent war treffend, hatte Zusammenhang mit dem Handlungsort und tat niemandem weh. Die "Hüpfer" sind vielleicht doppeldeutig, aber dennoch irgendwie beschämend flachwitzig. Zum Glück ist die Lesung von Rufus Beck wie gewohnt großartig, so dass man schnell grinsend und lachend über den miesen Titel hinwegkommt. Sarkastisch macht sich Pratchett in diesem Band über vieles Australische lustig, welches entsprechend dem Original der letzte Kontinent ist. Ein Gott probt dort die Evolution, ohne sie wirklich verstanden zu haben, es hat seit Langem nicht geregnet. Achja, und irgendwie hat es Rincewind dorthin verschlagen, seine Truhe ist kurzfristig vergraben worden, taucht aber rechtzeitig auf, um ihr Ding zu machen. Währenddessen hat der Orangutan-Bibliohekar ein magisches Problem und die Zauberer denken sich, das Rincewind, der mit ihm zusammengearbeitet hat, vielleicht helfen könnte. Es beginnt eine denkwürdige Expedition.
Dieser Band hat viele sehr witzige Stellen, ist aber sicher nichts für Scheibenwelt-Neulinge. Je besser man sich mit australischen Bräuchen und Besonderheiten auskennt, desto amüsanter wird es vermutlich. Der Plot ist aber insgesamt - noch vorsichtig ausgedrückt - holprig, einige Handlungsfolgen sind nur schwer nachzuvollziehen. Das mag vor allem auch noch an dem Element der Zeitreisen liegen, das Pratchett hier auch noch auf die Schippe nimmt und für weitere Verwirrung - beim Lesenden und seinen Charakteren - sorgt. Als Fan sehe ich über die Unzulänglichkeiten hinweg und freue mich an den liebgewonnenen Figuren. 

Terry Pratchett, Heiße Hüpfer. Random House Audio 2009.

Monday, March 10, 2025

Willa Cather - My Antonia

illustration by Władysław T. Benda - first edition of My Ántonia, copyright 1918
My Antonia von Willa Cather (1873-1947) handelt vom Leben im ländlichen Nebraska im ausgehenden 19. Jahrhundert. Der Ich-Erzähler Jim reist in den fiktiven Ort Black Hawk, um bei seinen Großeltern zu leben, nachdem seine Eltern verstorben sind. Zeitgleich kommt dort auch die böhmische Familie Shirmerdas an. Jim bringt der Tochter Antonia Englisch bei und die beiden freunden sich an. Der in fünf Bücher gegliederte Roman verfolgt die verschiedenen Lebensabschnitte von Antonia bzw. Jim. Das erste und längste Buch schildert eindrücklich die Atmosphäre und das Leben auf den abgelegenen Farmen. Die Natur und die Jahreszeiten beeinflussen das Leben der Menschen, besonders die Shimerdas leiden aufgrund ihrer geringen Erfahrung mit der Landwirtschaft unter den harten Bedingungen. 
Antonia ist ein eindrücklicher Charakter. Trotz der ärmlichen und ungünstigen Bedingungen bei ihrer Ankunft in Nebraska und einigen Rückschlägen im Verlauf ihres Lebens, schafft sie es aus eigener Kraft sich angemessenen Wohlstand und familiäres Glück zu erarbeiten. Dies gelingt ihr durch physische und psychische Kraft, sie lässt sich nicht von gesellschaftlichen Normen einschränken, sondern handelt für ihre Zeit und im Rahmen ihrer Möglichkeiten fortschrittlich. Der Ich-Erzähler ist stets voller Bewunderung für ihre Errungenschaften, obwohl er einen vollkommen anderen Lebensweg mit Studium und einem Leben in der Großstadt einschlägt. Mich hat besonders das erste Buch in den Bann gezogen aufgrund Willa Cathers eindringlichen Beschreibungen der Landschaft und der Lebensbedingungen.
Ich kann nun nachvollziehen, warum Willa Cather mit drei Romanen auf der Radcliff Liste der besten Romane auftaucht, auch wenn die Autorin mir lange unbekannt war. Ich setze nun auch noch O Pioneers! und Death Comes for the Archbishop auf die Leseliste.

Willa Cather, My Antonia. Public Domain.

Sunday, March 09, 2025

Anthony McCarten - Going Zero

Going Zero, das bedeutet in Anthony McCartens Roman, dass man unauffindbar bleiben muss. Cy Baxter und sein Team haben eine Software entwickelt, die sämtliche Daten aus Social Media, Daten- und  Kameraüberwachung auswertet, um den Aufenthaltsort eines Einzelnen festzustellen. In einem Betatest versuchen zehn ausgewählte Personen, 30 Tage lang der Entdeckung zu entgehen, um ein Preisgeld von 3 Millionen zu verdienen. Für Baxter eine wichtige Phase, denn es geht um nichts anderes als die Zusammenarbeit mit dem CIA und zukünftige Beteiligung an Regierungseinsätzen seiner Technik.
Man sieht zu, wie die Mechanismen greifen, wie selbst die technisch versierten Testpersonen Fehler machen und von den Programmen aufgespürt und aufgegriffen werden. Übrig bleibt eine Frau, der zumindest Cy Baxter nicht zugetraut hat, lange durchzuhalten. Doch mehrfach entwischt Kaitlyn ihren Verfolgern und es wird klar, dass sie ihr eigenes Ziel verfolgt - nämlich Cy zu zwingen, mit seiner Technologie ihren verschwundenen Ehemann zu finden. 
Der erste Teil des Romans mit den verschiedenen Verfolgungsszenen und den unterschiedlichen Charakteren und ihren Strategien empfand ich als recht spannend. Im zweiten Teil verschob sich der Fokus auf Kaitlyns Agenda und das Thema Datenspeicherung und -schutz bekam eine zusätzliche Ebene, die aber wenig überraschend war. Wir alle gehen davon aus, inzwischen ein weitgehend gläsernes Leben zu führen, gespeicherte Daten sind nie irgendwo sicher und es wird illegal vermutlich alles gespeichert und auch ausgewertet, was man sich nur vorstellen kann. Passend dazu wird der Charakter des Cy Baxter  so willkürlich und unverantwortlich dargestellt, wie nur möglich. Vor dem Hintergrund der aktuellen Machtposition eines anderen Medienmoguls in den USA erregt das Übelkeit. Der Schluss ist wohl plausibel, aber ebenso desillusionierend. 

Anthony McCarten, Going Zero. Diogenes 2023.

Teuto: Donoper Teich und Dörenschlucht

Wanderung Nr. 11 aus Bruckmanns Wanderführer für den Teutoburger Wald trägt den Namen "Donoper Teich und  Dörenschlucht". Es ist eine Rundtour von etwa 11 Kilometern Länge, die nicht nur am Donoper Teich vorbeiläuft, sondern auch andere Highlights der Region, wie das Hangmoor Hiddeser Bent, den Krebsteich oder die Rethlager Quellen umfasst. Die Dörenschlucht ist hübsch, wenn auch nicht spektakulär. Insgesamt ist es eine schöne und abwechslungsreiche Runde.


Donoper Teich



Weg zum Hiddeser Bent

Hangmoor Hiddeser Bent

Frühling...


 
(auf dem Foto etwas unspektakuläre) Rethlager Quellen

#hermanntrifftmanimmer

Sunday, March 02, 2025

Emily St. John Mandel - Das Licht der letzten Tage

Emily St. John Mandel veröffentlichte Das Licht der letzten Tage im Jahr 2014. Ein agressiver Grippevirus breitet sich rasant aus und tötet weite Teile der Bevölkerung. Die Zivilisation bricht zusammen, nur Einzelne überleben und schließen sich zu kleinen Gemeinschaften zusammen.
Der Roman wird aus der Sicht verschiedener Charaktere erzählt und springt immer wieder zwischen der Zeit vor und nach dem Ausbruch der Krankheit hin und her. Die Personen sind lose miteinander verknüpft, auch wenn sie sich in Alter und in ihren Erlebnissen stark unterscheiden. Kunst und Kultur sind Thema - was bleibt, wenn alle Technologie plötzlich ausfällt? Worauf kann man hoffen, wie lange muss man warten? Das ist den Charakteren gemein - sie glauben an die Schönheit, sie halten fest an Freundschaften, auch wenn es ebenso Böses und Tod um sie herum gibt. Diese Resilienz traut man den Figuren nicht immer zu, gerade in den Rückblenden und zu Beginn des Romans hat man Zweifel, ob sie es in dieser schwierigen neuen Welt schaffen können. Der Autorin gelingt es, am Ende der Hoffnung vielfältig Ausdruck zu verleihen, mit feinen, leisen Tönen, was mir sehr gut gefallen hat.
Das Licht der letzten Tage
führt uns die Vergänglichkeit und Anfälligkeit unserer zivilisierten Welt vor Augen - im Roman ist es ein Virus, während es aktuell in unserer Wirklichkeit andere Dinge sind, die unseren Status Quo bedrohen. Umso wichtiger, sich auf das Wesentliche zu besinnen, sich selbst und die Menschen um sich herum nicht zu verlieren. 

Emily St. John Mandel, Das Licht der letzten Tage. Audio Media Verlag 2015.

Eva Lezzi - Die Großstadtdetektive - Wer schnappt den Dieb?

Eva Lezzis Kinderkrimi Die Großstadtdetektive - Wer schnappt den Dieb? beginnt mit Jonas erstem Tag in der neuen Klasse in Berlin. Das läuft erst einmal nicht gut, sein Sitznachbar Deniz kann ihn offensichtlich nicht leiden. Dann verschwindet Lauras Handy und ausgerechnet Jona und Deniz werden verdächtigt, es gestohlen zu haben. Zwangsläufig tun sie sich als Detektive zusammen, um den wahren Dieb zu entlarven. Das gelingt ihnen aber erst mit weiterer Verstärkung und nachdem sie einige persönlich Hindernisse überwunden haben.
In Die Großstadtdetektive passieren viele (durchaus spannende) Dinge gleichzeitig. Es geht um Andersartigkeit (Jona ist Jude und geht in die Synagoge, Deniz ist Moslem), familiäre Probleme, Fremdsein, Vorurteile, Freundschaft und vieles mehr. Nebenbei klären die Kids nicht nur ein, sondern eigentlich drei Verbrechen auf. Mir ging das alles ein wenig zu schnell und zu einfach. Einige der interessanten persönlichen Aspekte der Charaktere blieben zu oberflächlich. Gefallen hat mir das authentische Berliner Setting und die Atmosphäre. Der Kriminalfall, sogar oder besonders als einer, der für Kinder geschrieben ist, ist nur mäßig spannend, da ihnen die Lösung quasi vor die Füße fällt, obwohl sie mehr als einmal falsch liegen.  

Eva Lezzi, Die Großstadtdetektive - Wer schnappt den Dieb? Beltz & Gelberg 2024.

Teuto: Oerlinghausen - Tönsberg - Hünenkapelle

Die Tour 24 aus dem Rother Wanderführer Teutoburger Wald trägt den Totel "Oerlinghausen – Tönsberg – Hünenkapelle". Das Parken im Ortskern habe ich vermieden und den Startpunkt verlegt, was auch zu einer leichten Kürzung der Tour auf nur 6,5 Kilometer führte (im Original mit 7,3 km angegeben). Im Nachhinein wäre es auch möglich gewesen, am Berggasthaus Tönsberg zu parken, das direkt am Kammweg liegt. Ich habe noch einen Schlenker über den Philosophenweg gemacht, der im Original nicht vorgesehen ist. Man kommt am Mühlenstumpf "Kumsttonne" und am Gefallenendenkmal vorbei und folgt über einige Strecken dem Hermannsweg. Beeindruckend ist auch die Hünenkapelle und am Ende liegt noch ein Kneipptretbecken, bei den eher niedrigen Temperaturen aber eher nicht empfehlenswert. Der Wald weist an einigen Stellen Lücken durch Borkenkäfer bedingte Rodungen auf, dafür hat man an mehr Stellen weite Ausblicke. 
 
 
 
Blick auf Oerlinghausen
 
Zitat von Alan Turing auf dem Philosphenweg 


Hünenkapelle 

#hermanntrifftmanimmer


Kneipptretbecken an der Sachsenquelle


Saturday, March 01, 2025

Mikael Niemi - Die Flutwelle

Im Norden Schweden hat es viel geregnet und die Staudämme des Flusses Luleälv sind voll. Im obersten Staudamm entsteht ein Riss - der Beginn einer Flutkatastrophe riesigen Ausmaßes. Die Flutwelle von Mikael Niemi beleuchtet die Einzelschicksale einiger Personen mit unterschiedlichen Ausgangslagen: Der eigentlich zum Selbstmord entschlossene Hubschrauberpilot, eine Künstlerin, die als einzige ihrer Malgruppe rechtzeitig das Flussufer verlässt, eine Schwangere, die sich an ein wegtreibendes Haus klammert, oder auch die zwei Mitarbeiterinnen des Energiebetreibers, die in eine unerträgliche Situation mit einem Kollegen geraten.
Der Klappentext sagt: "Sie kämpfen nicht nur ums Überleben, sondern auch um ihre eigene Menschlichkeit." Tatsächlich habe ich genau das wenig nachempfinden können, denn einige der Charaktere verhalten sich geradezu unerträglich brutal und rücksichtslos. Es scheint, als wäre ihre Brutalität nur knapp unter der Oberfläche verborgen gewesen und bricht sich in dieser Situation hemmungslos Bahn. Das war für mich teilweise jenseits des Erträglichen, auch wenn es natürlich entsprechende Gegenpole unter den anderen Charakteren gab. Obwohl einige der Figuren miteinander in Beziehung stehen, blieb Die Flutwelle dennoch eher episodenartig und nur lose verknüpft. Der Fluss wird oftmals als Metapher für das jeweilige Innenleben der Charaktere genutzt, was manchmal gut, manchmal weniger gut gelingt.
Insgesamt konnte mich Die Flutwelle nicht begeistern, die meisten Charaktere blieben mir fremd, trotz (oder vielleicht auch wegen) ihrer Unterschiedlichkeit. 

Mikael Niemi, Die Flutwelle. Saga 2014.

Sunday, February 23, 2025

Michael Kobr - Nebel über Rønne

Nebel über Rønne ist nach Sonne über Gudhjem der zweite Fall von Michael Kobr, für dessen neuen Ermittler Lennart Ipsen auf der dänischen Insel Bornholm. Besagter Nebel liegt über dem Flughafen der Insel, als eine kleine Privatmaschine landet. Alles ganz nach Plan - nur reagiert dann niemand mehr auf die Funksprüche des Towers. Alle drei Insasssen, der Pilot und zwei Passagiere, sind tot und Opfer eines ausgeklügelten Mordanschlags geworden. Lennart und seine zwei Kolleginnen beginnen, im Umfeld der drei sehr unterschiedlichen Opfer zu ermitteln, immer mit dem Zweifel im Nacken, ob sie diesen Fall bewältigen können oder doch in Kopenhagen um Hilfe bitten müssen.
Lennart Ipsen und sein Team bleiben auch in diesem zweiten Fall sympathische Charaktere, es wird solide ermitteln, langsam, aber stetig nähern sie sich möglichen Motiven und Zusammenhängen. Die Aufklärung gefiel mir nur mittelmäßig, das war dann doch etwas übers Knie gebrochen. Die lokalen Bezüge zur Insel haben mir viel Freude bereitet. 

Michael Kobr, Nebel über Rønne. Goldmann 2024.

Friday, February 21, 2025

Paul Lynch - Das Lied des Propheten

Das Lied des Propheten des irischen Autors Paul Lynch gewann 2023 den Booker Prize. Der dystopische Roman spielt in einem fiktiven Irland, das sich innerhalb des Romans in einen totalitären Staat verwandelt. Dabei wird nicht erzählt, was politisch konkret geschieht, sondern man erlebt die Auswirkungen der voranschreitenden Kontrolle und Unterdrückung durch die Augen von Eilish Stack. Sie ist verheiratet, hat vier Kinder und kümmert sich auch noch um ihren Vater, der an Demenz leidet. Der Erzählstil ist eigenwillig, wir erleben alles im Präsens und einem sprunghaften und emotionalen Gedankenstrom von Eilish. An der Stelle hat sich das Audiobook als Vorteil erwiesen, denn die Sätze ziehen sich über halbe (oder gar ganze) Seiten hin und es werden kaum Absätze gesetzt (siehe den "Satz" unten).
Man erahnt bereits nach den ersten Seiten, wo die Geschichte enden wird, sieht Eilish die Zeichen in den Wind schlagen, sie ignoriert, was passiert, glaubt naiv an die Kehrtwende und schlägt konkrete Hilfsangebote aus. Gleichzeitig versucht sie sich selbst stets zu überzeugen, dass sie nur das Beste für ihre Kinder tut, nur um am Ende in einem Worst-Case-Flucht-Szenario zu landen. Und hier liegt wohl auch Lynchs Botschaft: Wir haben all das schon oft gesehen - die Entwicklung eines Staates hin zu einem totalitären Gebilde, die die Freiheit einschränkenden Gesetze, die Verfolgung von politischen Gegnern und Randgruppen, die Bildung von militärischen Gruppen zur Kontrolle, das brutale Niederschlagen des Widerstand, die Inhaftierung, Folter und Tötung - all das kennen wir. Und niemals, so glauben wir, wird das in unserem Staat geschehen. Wie könnte es?
Die Geschehnisse überfordern die Einzelnen, so wie es Eilish überfordert, lassen sie ungläubig und in Schockstarre im Moment verweilen, während die Emotionen sie zusätzlich überwältigen, weil alle Menschen, die ihr etwas bedeuten, bedroht sind. Diese zunehmende Bedrohung habe ich während des Hörens stark mitempfunden, sie schreitet zunächst langsam, aber sehr konkret und dann auch schneller voran. Man möchte sich selbst glauben machen, man würde in der gleichen Situation schneller verstehen, anders handeln als Eilish, aber kann man sich da sicher sein? 

Paul Lynch, Das Lied des Propheten. Klett Cotta 2024.

 

"Sie schaut zum Himmel, sieht zu, wie der Regen durch den Raum fällt, und auf dem verrotteten Hof ist nichts zu sehen, nur die Welt, wie sie auf sich selbst beharrt, der gemächlich bröckelnde Zement dem aufsteigenden Saft darunter weicht, und wenn der Hof einmal Vergangenheit ist, bleibt noch das Beharren der Welt, einer Welt, die darauf beharrt, kein Traum zu sein, und dennoch gibt es für den Betrachter kein Entrinnen aus dem Traum und dem Preis des Lebens, der Leiden ist, und sie sieht ihre Kinder in eine Welt von Hingabe und Liebe geboren und sieht sie verdammt zu einer Welt des Terrors, sie wünscht, dass es mit einer solchen Welt zu Ende geht, wünscht der Welt ihre Zerstörung, und sie blickt auf ihren kleinen Sohn, dies Kind, das unschuldig bleibt, und sie sieht, wie sie mit sich selbst in Konflikt geraten ist, und ist bestürzt, sieht, dass aus Terror Mitleid entsteht und aus Mitleid Liebe, und mit Liebe kann die Welt wieder errettet werden, und sie kann sehen, dass die Welt doch nicht endet, dass die Vorstellung, die Welt ende durch ein plötzliches Ereignis zu ihren Lebzeiten, nur selbstgefällig ist, dass das eigene Leben endet und nur das, dass das, was die Propheten singen, nur das Lied ist, das in allen Zeiten gesungen wird, die Zukunft des Schwerts, die Welt von Feuer verzehrt, die Sonne um Mittag in die Erde gesunken und die Welt in Dunkelheit gehüllt, der Zorn eines Gottes im Mund eines Propheten inkarniert, der gegen die Gottlosigkeit wettert, die vertrieben werden wird, und der Prophet singt nicht vom Ende der Welt, sondern davon, was getan worden ist und was getan werden wird und was manchen angetan wird, aber nicht anderen, dass die Welt immer wieder aufs Neue an einem Ort endet, aber nicht an einem anderen, und dass das Ende der Welt immer ein lokales Ereignis ist, es kommt in dein Land und besucht deine Stadt und klopft an die Tür deines Hauses und wird für andere nur eine ferne Warnung, ein kurzer Bericht in den Nachrichten, ein Echo von Ereignissen, das in die Folklore eingegangen ist, Bens Lachen hinter ihr, sie dreht sich um und sieht, wie Molly ihn auf ihrem Schoß kitzelt, und sie betrachtet ihren Sohn und sieht in seinen Augen eine strahlende Intensität, die von der Welt vor dem Sündenfall kündet, und sie geht weinend auf die Knie und nimmt Mollys Hand."

Wednesday, February 19, 2025

Kevin Hearne - Gehetzt

Der Protagonist von Gehetzt von Kevin Hearne ist ein über 2000 Jahre alter, irischer Druide. Zurzeit lebt er mit seinem niedlichen Wolfshund Oberon unter dem Namen Atticus in Arizona, da er dort aufgrund der geographischen Lage vor vielen seiner Gegner aus der Götter- und Feenwelt unbehelligt bleibt. Dort betreibt er einen kleinen Esoterik-Tee-Buch-Laden. Er besitzt ein mächtiges Schwert namens Fragarach, das ihm seine Feinde nun abnehmen wollen, woraus sich für ihn zahlreiche Unannehmlichkeiten in Form von Angriffen und Intrigen ergeben. Atticus muss ständig auf der Hut sein, aber verfügt auch über beeindruckende magische Ressourcen. Aufgrund ihrer großen Zahl können die verschiedenen Kreaturen rund um Atticus schon etwas verwirrend sein - einige der intriganten Verstrickungen versteht auch der Druide erst nach und nach und ist entsprechend angezickt, derart instrumentalisiert zu werden. Beim großen Showdown ist er auch auf seine Allianzen und Hilfe angewiesen, um siegreich zu sein.
Interessant an Gehetzt ist sicher die humorvolle Weise, wie sich der uralte Druide in der modernen Welt bewegt und anpasst, während
sich unter der Oberfläche alle Arten von Magie und andersartigen Wesen und Gottheiten tummeln. Manchmal ist es fast ein bisschen zuviel, was da alles geschieht und wie düster einander da nach dem Leben getrachtet wird. Als Kontrapunkt dazu ist Atticus freundlich zu den Menschen um ihn herum, sei es die irische Witwe aus der Nachbarschaft oder die schrägen Kunden in seinem Laden, und als Bonus bekommt man auch noch einige lustige Dialoge mit seinem Wolfshund dazu. Das schnelle Erzähltempo mit vielen Actionszenen macht das ganze zu einer leicht überladenen, aber unterhaltsamen Fantasylektüre. 

Kevin Hearne, Gehetzt. Klett-Cotta 2011.

Sunday, February 16, 2025

Maren Schwarz - Inselfeuer

Inselfeuer von Maren Schwarz ist der erste Band einer Krimireihe um die Rechtsmedizinerin Leona Pirell. Ausgerechnet in ihrer Nachbarschaft in einem kleinen Ort auf Rügen brennt ein Ferienhaus nieder, in den Trümmern wird ein Toter gefunden, der als Enoch Zwill identifiziert wird. Seine Witwe Berit wird verdächtigt, doch Leona glaubt nicht an ihre Schuld. Sie beginnt ihre eigenen Ermittlungen, obwohl ihr Freund, der Hauptermittler in diesem Fall, absolut dagegen ist.
Was folgt ist ein recht krudes Durcheinander von Ermittlungsansätzen, bei der suspekte DDR-Machenschaften, Genkrankheiten und ein alter Mordfall einander bedingen. Leona merkt, dass sie eigentlich ihre Erkenntnisse der Polizei oder der Witwe offenlegen sollte, aber sie entscheidet sich stets dagegen. Auch als sie sich dem Kern des Motivs nähert, ignoriert sie die mögliche Gefahr, die von einem in die Ecke gedrängten Täter ausgehen könnte. Ab hier "Achtung Spoiler": Es folgt ein seltsam unspektakulärer Showdown, bei dem Leona die wesentlichen Momente amnesieartig vergisst und Berit per Zufall weiß, wohin der Täter Leona verschleppt haben könnte. Nachdem der Täter nun bekannt ist, wird irrigerweise darauf bestanden, dass man nur nach seiner Leiche sucht, was der Cliffhanger dann widerlegt. 
Leider passte in diesem Krimi fast nichts zusammen: Der Plot war holprig, die Protagonistin und auch der polizeiliche Ermittler handeln so oft so ungeschickt, dass man sich fremdschämen muss, und die Auflösung war zwar vielleicht schlüssig, aber so sehr auf Fortsetzung bedacht, dass es auch wieder peinlich war. Auch sprachlich konnte ich dem Ganzen nichts abgewinnen, weil man teilweise die nächsten Sätze inklusive Formulierung erraten konnte, eher einfach also. Der Lokalkolorit von Rügen, weswegen ich Inselfeuer überhaupt ausgewählt hatte, kommt recht detailliert daher, konnte aber die ganzen negativen Aspekte leider nicht augleichen. 

Maren Schwarz, Inselfeuer. Saga 2022. 

Saturday, February 15, 2025

Michiko Aoyama - Frau Komachi empfiehlt ein Buch

"Wonach suchen Sie?" ist die Frage, die die Bibliothekarin Sayuri Komachi den Besuchern ihrer kleinen Gemeindebibliothek stellt. Unabhängig von der Antwort findet Frau Komachi nicht nur das oberflächlich Gesuchte, sondern auch noch ein Buch, dass einen entscheidenden Denkanstoß mit sich bringt. Denn Frau Komachis Besucher befinden sich oft in einer Lebenskrise und wissen nicht, welchen Weg sie einschlagen sollen. Fünf Personen begleiten wir auf ihrem Weg aus der Ratlosigkeit hin zu einer neuen Betrachtungsweise ihrer Realität und Möglichkeiten. Dabei sagt Frau Komachi ihnen nie, was sie tun sollen, gibt keine Empfehlungen, sie sucht nur nach dem passenden Buch. Alle fünf Geschichten könnten auch für sich stehen, aber kleine Querverweise und Parallelen knüpfen Verbindungen und belegen zusätzlich den meiner Meinung nach wichtigsten Aspekt: Verändere deine Sichtweise auf das Problem und es eröffnen sich selbst in scheinbar ausweglosen Situationen neue Optionen.
Mir gefallen diese Verbindungen, aber auch die Charaktere sind gut skizziert und verschieden genug, um jeder für sich interessant zu sein. Lediglich die Bibliothekarin selbst bleibt ein wenig blass und rätselhaft, was aber zu ihrer Funktion passt. Natürlich ist in diesem Buch wenig Dramatisches zu finden, es ist wohltuend, wie den Personen positive Dinge geschehen, wenn sie sich entscheiden, der Welt anders zu begegnen. Scheinbar gibt es für derlei Bücher inzwischen die Genre-Bezeichnung "Healing Fiction" - das passt. 

Michiko Aoyama, Frau Komachi empfiehlt ein Buch. Kindler 2023.

Friday, February 14, 2025

Bill Bryson - Eine kurze Geschichte von fast allem

Bill Brysons Eine kurze Geschichte von fast allem ist ein ziemlich umfangreicher Wälzer. Für jemanden, der ungern Sachbücher liest, sind 800+ Seiten einfach zuviel. So schummele ich etwas, wenn ich das Audiobook für junge Leser:innen anhöre, um damit ein Buch von der Liste meiner Bücherkulturchallenge abzuhaken. Diese Fassung, gelesen von Ralph Caspers, war recht unterhaltsam und vermittelte seine Inhalte leicht verständlich. Ein kurzer Vergleich mit dem e-book zeigt, dass alle großen Themenbereiche des Originals auch in dieser Fassung enthalten sind - stark gekürzt natürlich. Zur Qualität des Originals und vor allem nicht zur Faktengenauigkeit würde ich mir jetzt nicht anmaßen, irgendetwas bemerken zu können. 

Bill Bryson, Eine kurze Geschichte von fast allem - für junge Hörerinnen und Hörer. cbj 2022.

Botho Strauß - Paare, Passanten

Vielleicht ist dies mal wieder ein Buch, mit dem ich nicht geduldig genug bin. Paare, Passanten von Botho Strauß (*1944) besteht aus vielen kleinen Beobachtungen und Erzählungen. Einige davon sind nur wenige Zeilen lang und andere vielleicht ein oder zwei Seiten. Dabei ist jeder einzelne Satz ausgefeilt und bedeutungsschwer. Der Band erschien erstmals 1981 und zeigt ein facettenreiches Bild der Zeit. Es geht um Beziehungen, Kommunikation und den Einfuss von Gesellschaft auf Menschen. Häufig sind die dargestellten Szenen düster und eher freudlos, von Einsamkeit des Einzelnen in der Masse geprägt. 
Trotz der beeindruckenden Sprache, den gedrechselten Sätzen, kann mich das ständige Springen zwischen den einzelnen Beobachtungen nicht bei der Stange halten und ich lege den Band nach etwa einem Drittel beiseite, weil mir ein zusammenhänger Plot fehlt.

Botho Strauß, Paare, Passanten. Süddeutsche Zeitung Bibliothek Edition 2004.

 

Emma Cline - The Girls

The Girls von Emma Cline erzählt auf zwei Zeitebenen die Geschichte von Evie Boyd. In der Gegenwart ist sie arbeitslos und darf im Haus eines alten Freundes bleiben, als dessen Sohn Julian und minderjährige Freundin ebenfalls dort auftauchen. Die offensichtliche Abhängigkeit des jungen Mädchens von ihrem Freund erinnert Evie an die dramatischen Ereignisse im Jahr 1969, als sie selbst 14 war. Ihre Eltern waren frisch geschieden und die Mutter sehr mit sich beschäftigt, ihre einzige Freundin wendet sich gegen sie, weil sie in deren Bruder verliebt ist. Evie ist auf der Suche nach etwas Besonderem, dem Außergewöhnlichem, und sieht eines Tages in einem Park eine Gruppe von Mädchen, The Girls, die ihr durch ihre Andersartigkeit auffallen. Sie scheinen ihr frei und glücklich zu sein, obwohl sie von Anfang an beobachtet, dass sie ungepflegt sind und sogar Lebensmittel aus dem Abfall stehlen müssen. Besonders eine von ihnen, Suzanne, gefällt ihr und sie ergreift die Gelegenheit, ihr zu ihrer Unterkunft auf einer Farm zu folgen. An die Geschichte von Charles Manson angelehnt, leben dort zahlreiche junge Frauen und  Kinder und verehren einen Mann namens Russell, der sie sexuell benutzt und ihnen ein krudes Weltbild vermittelt. Natürlich sind auch Drogen allgegenwärtig. Obwohl Evie auch in Russels Sog gerät, liegt ihr Fokus kontinuierlich bei Suzanne, die sie zweifelslos liebt, auch wenn Suzanne ihre Gefühle nicht erwidert. Nachdem ihre Mutter von ihrem Leben auf der Farm erfährt, wird Evie zu ihrem Vater geschicht und verbringt dort eine gewisse Zeit. Als sie schließlich zur Farm zurückkehrt, findet sie die Situation dort verändert vor, alles ist noch verkommener und die Stimmung ist düster. Russell hegt einen tiefen Groll auf einen bekannten Musiker, der ihm keinen Plattenvertrag vermitteln will oder kann, obwohl Russell ihn dazu drängt. Auch dieser Teil der Geschichte orientiert sich nah an der von Charles Manson. Eines Abends begibt sich ein Teil der Gruppe zum Haus dieses Musikers und bringt die dort Anwesenden um. Nur knapp entgeht Evie selbst der Teilnahme an diesem Verbrechen.
Gelesen wird das Audiobook von Suzanne von Borsody, deren Stimme mir zwar nicht so sehr zusagte, aber die Evies Empfindungen dennoch sehr atmosphärisch umsetzt.
Ich wusste vorher wenig über Charles Manson, doch nach dem Lesen des Wikipedia-Artikels über die Manson-Family sind die Parallelen in The Girls offensichtlich. Die Perspektive der Evie Boyd ist geschickt gewählt, denn Evie ist involviert genug, um die inneren Mechanismen des Kults zu sehen, gleichzeitig ist sie ihm aber nicht verfallen, da sie wegen Suzanne und nicht wegen Russell dort ist. Bedrückend ist, dass sie auch nach all den Jahren keine gesunde innere Distanz zu den Ereignissen von damals hat. Als Erwachsene wirkt sie isoliert von der Welt, bindungsarm, erfolglos und unglücklich. Ihr zaghafter Versuch, der jungen Freundin von Julian zu helfen, erscheint halbherzig und scheitert. Sie sehnt sich immer noch, wie mit 14, nach Bindung und Liebe, hat dies aber in ihrem Leben kaum erfahren. Genau wie der Protagonistin fehlt auch dem Roman meines Erachtens ein gesunder Abschluss, eine Perspektive oder vielleicht sogar eine Wertung der Ereignisse. Die Botschaft, Russel/Manson hat das getan, die Frauen waren dabei, dumm und abhängig, reicht mir nicht. 

Emma Cline, The Girls. Hörbuch Hamburg 2016.

Thursday, February 13, 2025

Robert Arthur - Die drei Fragezeichen und die silberne Spinne

In ihrem Fall um die silberne Spinne werden die drei Fragezeichen nach Magnusstad eingeladen. Der junge Lars Holmqvist soll in Kürze die Führung der Magnuswerke übernehmen, aber der jetzige Geschäftsführer will dies verhindern. Magnusstad, obwohl in Texas gelegen, wurde im skandinavischen Stil von Magnus Vater errichtet. Teil dieses Mythos ist auch eine silberne Spinne, die als Symbol für den Führungsanspruch der Holmqvists steht. Justus, Peter und Bob wollen Lars unterstützen, gleichzeitig sind sie im Kontakt mit einem Agenten, der davon ausgeht, dass noch andere Kriminelle beteiligt sind, um die Magnuswerke zu übernehmen. So werden die drei zu einem Spielball von Lars' Gegnern. Ihnen soll der Diebstahl der Spinne in die Schuhe geschoben werden - der Werksschutz verfolgt sie und will sie verhaften. Doch auch Lars hat seine Gefolgsleute, die die drei Fragezeichen unterstützen.
Die drei Fragezeichen und die silberne Spinne ist geprägt von Verfolgungsjagden an Gebäudefassaden, durch den Magnuspalast und die Kanalisation. Die silberne Spinne ist dabei eine Art McGuffin, ein typisches Stilmittel wie in den Filmen von Alfred Hitchcock: Ohne dass die Spinne eine tatasächliche Funktion im realen Leben hat, dreht sich ein Großteil der Handlung um sie und ihren Verbleib. Bob erlebt hier den ersten seiner Gedächtnisverluste und kann sich deshalb nicht mehr erinnern, wo er sie versteckt hat. Das kommt sehr gelegen, als sie auf psychodelische Weise mit Drogeneinsatz verhört werden und er sich wirklich nicht erinnern kann. Da es noch einer der ersten Fälle der Reihe ist, die noch zu den US-amerikanischen Originalen gehören (dort erschienen 1967!), sind auch noch die bekannten Hitchcock-Einschübe vorhanden, die die Lesenden auf die offensichtlichen Zusammenhänge hinweisen und zum Mitraten bzw. zum "Besserwissen" auffordern.
Der Band ist actionreich und durchaus spannend, allerdings sind die drei Fragezeichen eher Mitläufer der Handlung, als dass sie diese selbst groß beeinflussen. Sie sind loyal und ausdauernd gegenüber Lars und tragen dadurch schließlich zu einem gerechten, wenn auch logisch nicht ganz befriedigendem Ende bei.
Im Vergleich zur Hörspielfolge ist die Buchvorlage ausführlicher und komplexer.

Robert Arthur, Die drei Fragezeichen und die silberne Spinne. Kosmos 2011.

Sunday, February 09, 2025

Simon Beckett - Die Verlorenen

Simon Becketts Thriller-Reihe um den Forensiker David Hunter begeisterte mich. Eine neue Reihe von Beckett? Sicher, her damit. 
Becketts neuer Protagonist heißt Jonah Colley und ist Londoner Polizist. Nach einem dramatischen Start in einer verlassenen Lagerhalle, bei dem Jonah nur knapp dem Tod entrinnt und sein Knie schwer verletzt wird, erfahren wir, dass er noch sehr unter dem Verschwinden seines kleinen Sohnes leidet und dass seine Beziehung zu seiner Frau und seinem besten Freund daran zerbrochen sind. Um eben diesem besten Freund, zu dem er jahrelang keinen Kontakt mehr hatte, zu helfen, war er zu dieser Lagerhalle gefahren. Die Geschichte ist derart verworren, dass auch der ermittelnde Beamte Jonah nicht glauben mag und ihn statt dessen verdächtigt, an den Morden beteiligt zu sein. Jonah sieht den Ausweg in eigenen Ermittlungen. Leider stellt er sich dabei nicht sonderlich geschickt, macht Fehler, die er als ausgebildeter Polizist nicht machen sollte, lässt sich leicht manipulieren (von einer dahergelaufenen Journalistin gleich mehrfach und vom Täter ebenso) und es ist reine Glücksache, dass er das alles überlebt. Die Triebfeder des ganzen ist die von Schuldgefühlen befeuerte Ungewissheit über das Schicksal seines Sohnes. Die (Teil-) Auflösung des Falls ist schlichtweg unbefriedigend und der Plot hat für meinen Geschmack zu große Lücken, kein Wunder, dass der Protagonist ständig stolpert.
Immerhin wurde das Audiobook von Die Verlorenen von Johannes Steck gewohnt gut gelesen und machte das ganze erträglich.
Schade, ich hatte auf eine neue spannende Reihe des erfolgreichen Autors gehofft. Nun, vielleicht ist der neue Hunter-Fall, der Ende 2025 erscheinen soll, dann wieder besser. 

Simon Beckett, Die Verlorenen. Argon 2021.

Friday, February 07, 2025

Georgie Hall - Einatmen, ausrasten

Vorweg: Das deutsche Cover von Einatmen, ausrasten von Georgie Hall gibt Anlass zum Fremdschämen. Wer hat das nur zugelassen?
Wie kam es dazu, dass ich dieses Buch gelesen habe? - Popsugar reading challenge made me read this: "A book that features a character going through menopause"
Natürlich ist es Chick-Lit, ein einfach zu lesendes, unterhalsames Buch mit einer klar umrissenen Zielgruppe, zu der ich von meinen Leseinteressen her nicht gehöre. Ich dachte aber, das Thema Menopause/Wechseljahre mal humorvoll zu betrachten (und nicht nur durch Sachliteratur) könnte auch okay sein. Leider nicht.

Die Grundidee des Romans ist, dass die Protagonistin Eliza mit dem Leben und den Wechseljahren zu kämpfen hat. Was da was bedingt, muss dabei gar nicht näher definiert werden. Sie ist fast 50, hat Mann und drei sehr unterschiedliche Kinder, eine sehr abgeflachte Schauspielerinnen-Karriere und schwierige Beziehungen zu ihren eigenen Eltern und Geschwistern. Die Flut der Konflikte und Unzufriedenheiten überspült die Lesenden geradezu, dabei beschreibt Eliza intensiv die verschiedenen Beschwerden der Menopause. Ihre irrationalen Reaktionen auf die manchmal skurrillen Ereignisse in ihrem Leben erregen allerdings nach kurzer Zeit eher Genervtheit anstatt Mitgefühl. Sie tappt in jede Falle, macht alles falsch in den Beziehungen, die sie hat, und reflektiert erschreckend schlecht. Auch wenn ihr die Zusammenhänge zwischen ihren hormonellen Veränderungen und ihren Empfindungen und Reaktionen bewusst sind, unternimmt sie nichts, um wieder die Oberhand und Kontrolle zu gewinnen. Mäßig interessant ist dann das "Finale", als sie durch die Rettung des Familienbootes (das ganze spielt in Stratford upon Avon und es handelt sich um ein Narrowboat) eine Art Canaltrip (statt Roadtrip) unternimmt und sich dadurch erstmals wieder als "Kapitänin" des eigenen Lebens fühlt, obwohl sich eigentlich nichts geändert hat. Was mich neben den sich ausdehnenden Jammereien am meisten genervt hat, sind folgende Aspekte:
1. Die Charaktere, Eliza selbst eingeschlossen, bleiben schablonenhaft und verändern sich wenig. Wir haben da den Charmeur-Italiener, die Social-Media-süchtige Teenie-Tochter, den Autistensohn, den schweigsamen Handwerker-Ehemann, den schwul-depressiven Bruder - die Liste wäre einfach fortzusetzen. Muss das in einem solchen Unterhaltsroman so sein?!
2. Die Handlung ist schlichtweg die Ansammlung von Unannehmlichkeiten, in die Eliza gerät, und die Geschichte der Bootsfahrt, die sie unternimmt. Hinterher ist dann alles anders, warum auch immer. Mehr passiert im Grunde auf den über 400 Seiten nicht.
3. Das Thema Menopause, das als zentrales Element im Vordergrund gestellt ist, wird gar nicht wirklich thematisiert. Ja, andere Frauen in Elizas Umgebung haben das auch durchlitten, alles weitere wird mit "aber danach ist alles besser" abgetan. Selbst in einem Unterhaltungsroman wird das der Thematik auf keinen Fall gerecht. Die zum Teil intensiven Symptome beeinträchtigen das Leben von Frauen über viele Jahre hinweg und die Botschaft ist "da muss man halt durch"? Einmal kauft Eliza willkürlich irgendwelche Präparate in der Apotheke, aber es wird nicht thematisiert, ob sie sie anwendet und ob sie helfen. Hormontherapie wird von Elizas Mutter damit abgetan, dass "das war, bevor wir wussten, wie gefährlich das war". Das ist vor aktuellem medizinischen Hintergrund irreführend und schlichtweg falsch. Eine solche Desinformation - auch in einem seichten Roman wie diesem - geschrieben von einer Frau, (unter Pseudonym von Fiona Walker, *
1969) finde ich sehr problematisch. Also lachen wir Frauen einfach über die Hitzewallungen und die psychischen Auswirkungen und warten, dass es vorbeigeht?
4. Noch irreführender ist aber, dass die Schuld an Elizas Problemen eben auf die Wechseljahresbeschwerden geschoben wird. Sie ist eben nicht mehr sie selbst, sie hat ihr Leben nicht mehr im Griff. Das tatsächliche Problem liegt aber in der mangelhaften und disfunktionalen Kommunikation, die vor allem von ihrer Familie (mit ihren Eltern und Geschwistern) vorherrscht und die dazu führt, dass sie auch nicht mit ihrem Ehemann spricht. Der weiß scheinbar kaum etwas von ihren Beschwerden und ist selbst unsicher. Das ist schon fast unglaubwürdig. Und während Kommunikation natürlich immer beide Seiten umfasst, ist es hier nur das Problem von Eliza, die sich in ihren Rollen (Mutter, Ehefrau und Schauspielerin) verheddert hat und deswegen all diese Konflikte hat. 

Um auf den Anfang meiner Tirade zurückzukommen Einatmen, ausrasten war schlichtweg nicht meine Art von Buch, aber ich bin der Meinung, auch leichte Unterhaltungsromane könnten gewisse literarische Standards erfüllen hinsichtlich Plots und Charakteren und sollten vor allem keine Problemfelder aufgreifen, zu denen dann nichts Erhellendes (oder noch schlimmer nur Falsches) gesagt wird.  

Georgie Hall (alias Fiona Walker), Einatmen, ausrasten. Ullstein 2021.

Wednesday, February 05, 2025

Andy Weir - Der Astronaut

Nach Der Marsianer (2014) und Artemis (2017) ist Der Astronaut (2021) der dritte Roman von Andy Weir. Ersterer hatte mir gut gefallen, relativ klassische Science Fiction, angereichtert mit wissenschaftlichen Details und einem unfassbar optimistischem Protagonisten, der dann in der Verfilmung ja auch hervorragend zum US-amerikanischen Helden stilisiert wurde. Artemis kam mit einer eher problematischen Protagonistin und einem recht schlecht durchdachten Plot daher und hat mir wenig gefallen.
Mit Der Astronaut kehrt Weir wieder zurück zu seiner ersten Idee, einsamer Wolf im Weltall, der durch Geschick und wissenschaftlicher Cleverness (eines Highschool-Lehrers...) überleben und die Welt retten muss. Neu ist die Freundschaft mit einem ungewöhnlich freundlichen Alien, für den der Autor gleich eine recht umfangreiche Faktenbasis über Physiognomie, Verhalten und Sprache erfindet. Letzteres fand ich zunächst amüsant, aber im Grunde ist der Sprachlernprozess völlig unglaubhaft. Wäre der Held namens Ryland Grace aber nicht auf diesen außerirdischen Freund gestoßen, hätte ich das Hörbuch mit seinen über 15 Stunden wohl nicht zuendegehört. Dieser brachte eine zwischen-"menschliche" Komponente hinzu, die mich etwas bei der Stange hielt, während die wie bei Der Marsianer immer wieder auftretenden technischen Schwierigkeiten und deren komplexe Beschreibung und Lösung mich ungeduldig werden ließen. Ansonsten muss man leider sagen, dass es insgesamt vor Stereotypen nur so wimmelt, die allesamt so schablonenhaft sind (vor allem in der parallel erzählten Vorgeschichte auf der Erde), dass man sich fast fremdschämen muss. Ich bin nicht Technikfreak genug, um beurteilen zu können, ob wenigstens das technische, wissenschaftliche Gewusel halbwegs Sinn ergibt und vielleicht nerdigere Leser:innen als mich in den Bann zieht, aber ich glaube, ich habe jetzt genug von Andy Weir. 

Andy Weir, Der Astronaut. Random House Audio 2021.

Tuesday, February 04, 2025

Stephen King - Carrie

Laut dem Nachwort zu dieser Ausgabe von Carrie wäre Stephen King heute nicht der berühmte Autor, wenn seine Frau nicht das kurze Manuskript aus dem Mülleimer gefischt hätte. Weil es so kurz war, reicherte er es dann noch mit einigen fiktiven Protokollen und Berichten an, durch die der Fall von Carrie White im beschaulichen Ort Chamberlain in Maine von allen Seiten beleuchtet wird. Der Roman (1974) und auch die Verfilmung von Brian de Palma (1976) haben Kultstatus.
Auch wenn man halbwegs über die Geschichte Bescheid weiß - und der Roman selbst macht in seinem Aufbau kein Geheimnis um den fatalen Ausgang - bleiben die Geschehnisse durchgehend spannend. Carries Charakter ist in seiner Abstrusität des religiösen Fanatismus und der Telekinese dennoch glaubhaft, was ihr angetan wird, türmt sich wie ein immer größer werdende Last auf ihren Schultern auf und ihr Aus- und Zusammenbruch ist eine logische Folge. Interessant sind auch die psychologischen Mechanismen, die in den "Dokumenten" über die Vorfälle bei den Beteiligten zu Tage treten: Selbstreflexion, Verleugnung, Schuld, Reue, Trauer. Trotz seiner Kürze zeigt sich schon in Carrie Stephen Kings große Stärke in der Darstellung seiner Figuren und es findet sich auch sein beliebtes Kleinstadtsetting. Ein lesenswerter Klassiker. 

Stephen King, Carrie. Bastei 2013.

Saturday, February 01, 2025

Lauren Oliver - Delirium

Nope. Leider nein.
Die Grundidee von Delirium von Lauren Oliver ist milde interessant: Liebe ist eine Krankheit und in einem dystopischen Überwachungsstaat wird alles daran gesetzt, diese Krankheit auszurotten. Das Bildungssystem vermittelt dies rigoros, Jungen und Mädchen werden strikt getrennt und ihnen fast alle Optionen genommen, sich ungezwungen zu begegnen, und all das gipfelt in einem krassen physischen Eingriff, der allen die Fähigkeit zur Liebe nehmen soll. Daraufhin leben alle kastriert zufrieden mit ihren vom Staat ausgewählten Partnern. Natürlich gibt es die Querulanten, die Rebellen, die hier Invaliden heißen und draußen "in der Wildnis" leben. Unsere Protagonistin Lena steht kurz vor ihrem Eingriff und natürlich passiert, was passieren muss, sie begegnet Alex und verliebt sich. Was folgt ist ein langwieriges Hin und Her mit inneren und äußeren Konflikten, in dessen Verlauf sie einige Entdeckungen macht und schließlich eine Entscheidung für sich und ihr Leben trifft.
Für meinen Geschmack passte hier wenig zusammen. Die eigentlich linientreue Lena denkt und fühlt viel zu blumig, sucht praktisch nach den Lücken im System, nur um dann erschrocken zurückzuziehen und sich zu fürchten. Die Backgroundgeschichte um ihre Mutter ist unglaubwürdig, das Worldbuilding insgesamt eher lückenhaft. Nun, es war einmal wieder ein Fall von " the Popsugar reading challenge made me read this". And that's that.

Lauren Oliver, Delirum, Silberfisch 2011.

Friday, January 31, 2025

Andre Boße - Die drei ???

Der Reclam-Verlag hat eine Reihe "100 Seiten, 100 Bände". Einer dieser populär-kulturellen Bände wurde von André Boße über Die drei ??? verfasst und erschien 2022.
Auf den 100 Seiten beleuchtet der Autor das kulturelle Phänomen, dass die drei Fragezeichen inzwischen darstellen. Er beginnt mit den Schallplatten und Kassetten in der Kinderzimmern der 1970er Jahre, beschreibt die verschiedenen Phasen der Reihe (US-amerikanischer Ursprung, kommerzieller Erfolg in Deutschland) und beleuchtet einige Funfacts zu den Sprechern und Produzenten, Lieblingsfolgen und -themen. Gegen Ende hebt er hervor, dass die Reihe auch deshalb so erfolgreich ist, weil sie den Hörenden Sicherheit gibt. Nichts ändert sich, es gibt immer ein Happy Ende und die drei Detektive leben in einer permanenten Gegenwart. In einer Welt, die eher bedrohlich wirkt und in der die Zukungt ungewiss ist, kann die Welt der drei Fragezeichen ein Ruhepol sein. Das finde ich einen plausiblen Erklärungsansatz, seine Überlegungen zu möglichen Versionen, wie die Reihe enden könnte, sind entsprechend eher bedrohlich.
Ich fand den schmalen Band ganz unterhaltsam, vieles war mir als langjährigem Fan bekannt, aber der Autor hat sicher gut recherchiert und eine faire und umfassende Darstellung des Phänomens Die drei ??? versucht. 

André Boße, Die drei ???. Reclam 2022.

Thursday, January 30, 2025

Alan Gratz - Amy und die geheime Bibliothek

Amy und die geheime Bibliothek von Alan Gratz handelt von der eher zurückhaltenden Amy. In ihrer Familie zieht sie sich im Vergleich zu ihren beiden lauten Schwester eher zurück und natürlich liest sie viel. Plötzlich wird aber ihr Lieblingsbuch aus der Schulbibliothek verbannt – angeblich ist es ungeeignet für Grundschüler, respektlos und unmoralisch. Amy kann das nicht verstehen, doch in der Sitzung des Schulausschusses hat sie nicht den Mut, lautstark dafür einzutreten. Zusammen mit einigen Mitschüler:innen gründet sie daraufhin die G.S.B., die Geheime Schließfach-Bibliothek, bei der die verbannten Bücher heimlich ausgeliehen werden können. Natürlich fliegt die Bibliothek nach einer Weile auf und Amy und ihre Freund:innen müssen einen anderen Weg finden, ihr Grundrecht auf Zugang zu Büchern einzufordern.
Sehr einfühlsam beschreibt der Autor den innen und äußeren Konflikt Amys. Eigentlich widerspricht der Kampf gegen die Autoritäten ihrem Wesen, aber sie lernt, dass es sich lohnt, für andere einzutreten, nicht vorschnell zu urteilen und nicht aufzugeben. Das Happy End ist sensibel herbeigeführt, ohne Feindbilder zu schaffen, und sehr anrührend. Zum Glück gibt es ein solches Book-Banning wie in den USA in Deutschland nicht und (Schul-) Bibliotheken sind ein Raum der Freiheit und der Möglichkeiten, aber dennoch ist die Botschaft des Romans für alle wichtig. 

Alan Gratz, Amy und die geheime Bibliothek. Hanser 2019.

Wednesday, January 29, 2025

Eileen Garvin - Die Melodie der Bienen

In Eileen Garvins Roman Die Melodie der Bienen finden sich drei sehr unterschiedliche Charaktere unter ungewöhnlichen Umständen zusammen. Für alle drei stellt sich dies als Glücksgriff heraus und sie fassen wieder Fuß in ihrem Leben, das vorher aus sehr verschiedenen Gründen aus dem Lot gekommen war. 

Als Alices Mann unerwartet stirbt, zieht sie sich völlig zurück. Sie leidet unter Panikattacken und nur ihre Bienen, die sie als Hobby auf ihrem abgelegenen Grundstück hält, trösten sie. Sie träumt aber davon, von ihren Bienenstöcken und dem Honig leben zu können.
Der jugendliche Jake sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl. Seine Trompete fasst er nicht mehr an, er fürchtet sich vor seiner Zukunft und weiß nichts mit sich anzufangen.
Der schüchterne Harry hat sich nach einer Gefängnisstrafe bei seinem kranken Onkel verkrochen. Er traut sich selbst kaum etwas zu, muss aber einen Job finden, als sein Onkel stirbt.
Eine Verkettung mehrerer Ereignisse führt dazu, dass die beiden jungen Männer zu Alice auf die Farm ziehen: Jake hat vom ersten Tag an ein besonderes Verhältnis zu den Bienen, während Harry, der als Hilfsarbeiter dazukommt, langsam auftaut und Selbstvertrauen aufbaut. Doch das Idyll wird schnell bedroht, als eine Firma durchdrücken will, dass im gesamten Ort, der von Obstplantagen lebt, ihre Pestizide genutzt werden sollen, die nachweislich schlecht für Gewässer und vor allem für die Bienen sind. Plötzlich kündigt Alice ihren Job, stellt wieder Kontakte zu alten Freunden und Bekannten her und wird Teil der Bürgerbewegung gegen die Pestizidverschmutzung.
Eingestreut in den Roman sind kleine Abschnitte mit Faktenwissen über Bienen, während die  Erzählperspektiven gleichmäßig zwischen den drei Protagonisten aufgeteilt sind. Die Charaktere sind liebenswert, unkonventionell, aber nicht zu sehr, belastet durch das, was ihnen geschehen sind, aber nicht jenseits aller Heilung. Und Heilung geschieht unter der Prämisse von Freundschaft, Verständnis und Freundlichkeit. Kritisch mag man anmerken, dass sowohl der Konflikt als auch die Lösungen - für den Konflikt als auch für die drei Protagonisten - vorhersehbar sind. Hier passiert wenig Überraschendes, manches ist auch ein bisschen rosarot. Es ist ein Wohlfühlroman durch und durch, aber angenehm geschrieben, nicht zu kitschig (naja, schon ein bisschen kitschig), der einen hoffen lässt, dass es doch Menschen gibt, die anderen Menschen Gutes wollen und ihnen Gutes tun. 

Eileen Garvin, Die Melodie der Bienen. Osterwold 2022.