Håkan Nesser hat mit Inspektor Barbarotti sicherlich einen ganz anderen Ermittler erschaffen als damals in der Van Veeteren-Reihe. Barbarotti ist mehr Mensch als Polizist, noch dazu ein gläubiger Mensch, was angesichts der Verbrechen, mit denen sich Polizisten für gewöhnlich herumschlagen müssen, ungewöhnlich scheint.
Mensch ohne Hund, Eine ganz andere Geschichte, Das zweite Leben des Herrn Roos und Die Einsamen waren die Vorgänger von Am Abend des Mordes, das Nesser selbst als den letzten Teil der Reihe ankündigt (siehe Video unten).
Der Roman beginnt mit einem Knall, einem Schicksalsschlag für Barbarotti, von dem er sich auch am Ende noch nicht wirklich erholt. Trotz seines Zustands soll er arbeiten und bekommt einen alten Fall auf den Tisch. Arnold Morinder verschwand vor fünf Jahren und wurde nie gefunden - spektakulär an dem Fall war, dass seine Freundin Ellen eine verurteilte Mörderin war, die Jahrzehnte zuvor ihren Ehemann zerstückelt hatte. Damals wie heute fällt es schwer, nicht an einen Zusammenhang zu glauben und Barbarotti fängt an, erneut mit den Beteiligten zu sprechen. Dabei geht es nur sehr zäh voran, er macht keine nennenswerten Fortschritte und verfällt immer mehr in Trauer.
Für den Leser wird der Fall eigentlich nur durch die zweite Erzählebene transparent, denn Ellen kommt selbst zu Wort und erzählt zunächst die Geschehnisse um den Sommer des Mordes an ihrem Ehemann und danach von Arnold Morinder. Dadurch ist Barbarotti als Ermittler weitgehend überflüssig, auch wenn er in den letzten Seiten doch noch die Lösung aufdeckt, ohne sie jedoch wirklich beweisen zu können, so dass der Fall wieder zu den Akten kommt.
Noch stärker als bei den Vorgänger rückt Nesser Barnarottis Glauben in den Fokus, er tritt in Dialog mit Gott selbst, über Bibelzitate und im direkten Gespräch. Dem Leser eines Kriminalromans mag dies unpassend erscheinen, vielleicht sogar stören. Als Fan von Nessers Erzählstil ist es hingegen interessant zu sehen, wie er Barbarottis Zweifel und Verzweiflung, seine Verwirrtheit, eben seine gesamte Krise erzählerisch umsetzt.
Als Kriminalroman kann man Am Abend des Mordes nicht empfehlen, dazu gibt die Geschichte nicht genug Spannung her, als psychologischer Roman hingegen ist er durchweg lesenswert - nicht nur für überzeugte Nesser-Fans.
Håkan Nesser, Am Abend des Mordes. btb, München 2012.
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