Fantasy ist eigentlich nicht das richtige Label für Whisper Island - Sturmwarnung von Elizabeth George. Die bekannte Thriller-Autorin versucht sich erstmals an einem anderen Genre, einem Young-Adult-Mystery-Roman. Warum jetzt, warum dieses Genre? Das könnte nicht vielleicht mit dem großen Erfolg andere Werke in diesem Genre (zum Beispiel Twilight oder Hunger Games) zusammenhängen? Es wird sich sicher gut verkaufen.
Doch zunächst zum Inhalt:
Die Protagonistin hat die besondere Gabe, die Gedanken anderer Menschen zu hören, dieses Flüstern ist zugleich von Vorteil als auch eine Belastung, denn sie weiß noch nicht recht damit umzugehen. Als sie durch ein Flüstern ihres Stiefvaters erfährt, dass dieser jemanden ermordet hat, müssen sie und ihre Mutter fliehen. Unter dem Namen Becca King soll sie bei einer Freundin der Mutter auf einer abgelegenen Insel unterkommen, diese verstirbt jedoch und Becca ist auf sich gestellt. Zwar findet sie eine Unterkunft und kann sogar zur Schule gehen, jedoch weiß sie nie, wem sie wirklich vertrauen kann und tut sich schwer, Beziehungen aufzubauen, da sie ständig Angst vor Entdeckung hat. Als ein Mitschüler im Wald aus unbekannten Gründen stürzt und danach im Koma liegt, beginnen Verdächtigungen und auch polizeiliche Ermittlungen, die Becca das Leben noch schwerer machen.
Wie bei George nicht anders zu erwarten, ist Whisper Island - Sturmwarnung in einem ordentlichen (wenn auch nicht überragend guten) Erzählstil geschrieben und weist gute Charaktere auf. Leider mit einer Ausnahme: Die Protagonistin selbst bleibt seltsam schwer zu greifen, bietet wenig Identifikationsfläche. Die meiste Zeit entschied sich George für einen personalen Erzählstil aus Beccas Perpektive, was plausibel scheint, bietet sie doch durch ihre besondere Fähigkeit, die Gedanken anderer zu hören, gleichzeitig die Möglichkeit, das Innenleben der anderen Charaktere zu beleuchten. Dann und wann aber wechselt die Erzählung zu anderen Personen, was dann eher ungewohnt/unpassend wirkt.
Becca wird nur in wenigen Situationen als Teenager dargestellt, Verliebtheit und körperliche Unsicherheit kommen zwar vor, wirken dann aber etwas aufgesetzt, ansonsten wirken die Jugendlichen eher wie Erwachsene.
Dann dieses Flüstern: George tut ihr Möglichstes, die Abgerissenheit und Unvollständigkeit von Gedanken darzustellen, Wortfetzen, unvollständige Sätze, dann auch wieder zusammenfallend mit Gerüchen und sensorischen Empfindungen wie Wärme oder Dunkelheit, man versteht die Verwirrtheit Beccas durchaus. Dennoch tappt sie manchmal auf eine Art und Weise im Dunkeln über die Menschen um sie herum, dass es schon nahezu beschämend ist. Die meisten Personen, denen sie näherkommt, meinen es gut mit ihr, helfen ihr, unterstützen sie. Dennoch verschließt sie sich in den Momenten, wo es sinnvoll wäre, diesen Menschen zu vertrauen, im späteren Verlauf platzt sie dagegen emotional mit ihren Geheimnissen heraus.
Man hat dadurch das Gefühl, die Geschichte zieht sich unnötig in die Länge - wäre sie früher mit der Wahrheit herausgekommen, hätte sich auch eine schnellere, bessere Lösung gefunden. Beccas Handeln ist nicht plausibel, ihre Gabe steht ihr im Weg, statt ihr zu helfen, besser mit Menschen umzugehen, das ist unglaubwürdig.
Betrachtet man den Plot um den Jungen im Koma als Haupthandlungsstrang, so wird auch dieser mäßig aufgelöst, viel Lärm um Nichts, eine Art MacGuffin. Dafür wird die Leserschaft mit einem ordentlichen Cliffhanger darauf aufmerksam gemacht, dass Whisper Island - Sturmwarnung nur der erste Band einer Reihe ist und bei dem tatsächlichen Problem, nämlich dem bedrohlichen Stiefvater, noch nichts weiter passiert ist. Und das auf 448 Seiten bzw. in meinem Fall ca. sieben Stunden.
Als geglücktes Jugendbuchdebut ist der Roman auf gar keinen Fall zu bezeichnen.
Die Hörbuchlesung von Laura Maire war in Ordnung.
Elizabeth George, Whisper Island - Sturmwarnung. Lübbe Audio 2013.
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