Paul Auster schreibt anders. Immer.
Und hinterher bleiben viele Fragezeichen. Ich glaube fast, man soll nicht alles verstehen. Es sind keine Geschichten wie andere Geschichten. Sie sind nicht linear und nicht immer logisch.
Hinter verschlossenen Türen ist der letzte Teil der New York Trilogy, die anderen Teile sind Stadt aus Glas und Schlagschatten. Außer dem Handlungsort haben sie die Thematik von Identität und Subjektivität gemeinsam. Personen überlagern sich, haben verschiedene Namen.
In Hinter verschlossenen Türen verschmelzen zwei Jugendfreunde - der Ich-Erzähler und Fanshawe - schließlich zu einer Person. Fanshawe ist Autor, aber er hat nie etwas veröffentlicht, und er verschwindet spurlos. Die Suche eines Privatdetektivs verläuft ergebnislos und Fanshawes Frau beauftragt den Ich-Erzähler, die Manuskripte zu sichten und gegebenfalls zu veröffentlichen. Das tut er und übernimmt gleichzeitig auch Frau und Familie und damit Fanshawes Leben. Erste Verdachtsmomente werden geäußert, er sei Fanshawe und habe die inzwischen veröffentlichten Romane verfasst. Um diesem Verdacht entgegenzuwirken, will er eine Biographie über Fanshawe schreiben und begibt sich auf dessen Spur. Während dieser Reise, für die er die Beziehung aufs Spiel setzt, denn seine Frau will eigentlich mit dem Thema Fanshawe abschließen, gerät er immer tiefer in dessen Gedankenwelt und scheint am Ende selbst nicht mehr zu wissen, wer er ist.
Auch in der Schlussszene, in der er Fanshawe schließlich durch eine verschlossene Tür hindurch spricht, bleibt unklar, ob dies real oder nur in seinem Kopf stattfindet. Und die Schlussszene ist noch nicht einmal eine Schlussszene, da danach noch zwei weitere Nachsätze kommen, in denen Querverbindungen zu den anderen beiden Teilen der Trilogy gezogen werden (Notizbuch!), so dass die Verwirrung komplett ist.
Die Umsetzung ist eine Mischform aus Hörspiel und Audiobook, es wird weitgehend gelesen, aber von verschiedenen Sprechern und mit Hintergrundsmusik. Passend zur Verwirrgeschichte werden Gespräche und Monologe teils überlagert. Dies mag einerseits irritierend sein, weil man nicht alle Textteile konzentriert verfolgen kann, aber es entspricht der Situation des Ich-Erzähler in vollem Maße. Auch er wird dem Gewirr in seinem Kopf, der Fülle von Informationen, nicht mehr Herr. Ich halte die Umsetzung für sehr passend und gelungen.
Die Fragezeichen in meinem Kopf nehme ich in Kauf, wenn es um Paul Auster geht. Sein Stil ist besonders und das gefällt. Sein Thema, sein Spiel mit den Realitäten und der Komplexität der Beziehung von Autor-Erzähler-Protagonist-Leser, die alle ihre eigene Wahrnehmung haben und sich ihre Wahrheiten konstruieren, ist kein leichtes, aber sehr reizvoll - wenn man sich darauf einlassen mag.
Paul Auster, Hinter verschlossenen Türen. Der Hörverlag 2000.
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