Von allen Möglichkeiten, einen Protagonisten für einen immerhin 280 Seiten starken Roman auszuwählen, wäre mir ein kleiner Vogel wie die Heckenbraunelle sicherlich als allerletztes eingefallen. Als ich davon las, fand ich die Idee dennoch irgendwie interessant und wurde neugierig auf Nigel Hintons Im Herzen des Tals, wenngleich ich dennoch skeptisch war. Was für einen Plot oder Spannungsbogen könnte ein solches Buch auch entwickeln?
Umso überraschender, dass das Buch ein echter Pageturner war, dessen Lektüre mich kaum zwei Tage kostete. Dabei handelt es genau von dem, was man beim Thema Heckenbraunelle erwartet. Die Nöte der Vögel im Winter, ihre augenscheinliche Lebensfreude im Frühling und Sommer, die sie durch Singen und Fliegen kundtun, die Partnersuche, Paarung und Aufzucht der Jungen.
Nigel Hinton erweist sich dabei aber als großartiger Erzähler, ohne übermäßig zu dramatisieren oder zu emotionalisieren schildert er diese Geschehnisse, erweist dabei aber der Natur mit ihrer Schönheit und lebensnotwendigen Grausamkeit des Tötens und Getötetwerdens - beziehungsweise dem Vergänglichen allgemein - den nötigen Respekt.

Spannung erzeugt er mit den kleinen Dramen der Natur, misslungenen Nistversuchen, der Zerstörung eines Geleges und der Bedrohung durch ein Kuckucksei im Braunellennest - nur um am Ende zusammenfassend all diese kleinen Leben, mit denen der Leser mitgefiebert hat, in wenigen Sätzen wieder zur Unbedeutendheit zurückzustufen, denn letzten Endes ist ein Vogelleben kurz und vor der Vielzahl der Bedrohungen überleben nur wenige das erste Lebensjahr.
Insgesamt eine sehr unterhaltsame und vor allem ungewöhnliche Lektüre.
Diese Ausgabe des Roman ist Teil der Brigitte-Edition "Erlesen von Elke Heidenreich" - eine sehr hübsche Hardcover-Ausgabe mit Leinenrücken - und wurde mir als Rezensionsexemplar von mein-literaturkreis.de zur Verfügung gestellt.
Nigel Hinton, Im Herzen des Tals. Brigitte-Edition, Band IV, Hamburg 2005.
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