Thursday, February 02, 2017

Daphne du Maurier - Rebecca

Rebecca kannte ich bislang nur in der bekannten Hitchcock-Verfilmung von 1940. Der zugrunde liegende Roman ist von Daphne du Maurier (Erstveröffentlichung 1938) und steht auf der Radcliffe's Rival 100 Best Novels Liste. Das Audiobook des Argon-Verlags mit Eva Mattes als Sprecherin erschien 2007.

Die junge, namenlose Ich-Erzählerin lernt in Monte Carlo Maxim de Winter kennen. Er ist verwitwet und trotz seiner anfänglichen Distanziertheit macht er ihr nach kurzer Zeit einen Heiratsantrag. Sie nimmt an, wohlwissend, dass sie wesentlich jünger ist und auch gesellschaftlich eine geringere Stellung hat als er. Nach den Flitterwochen kehren sie auf de Winters Landsitz Manderley zurück, wo sie große Schwierigkeiten hat, sich in ihrem neuen Leben zurechtzufinden. Sie kennt die Abläufe in einem solchen Haus und in dieser Gesellschaftsschicht nicht, die Haushälterin Mrs Danvers verhält sich ihr gegenüber nahezu unverschämt und sie hat ständig das Gefühl mit Rebecca, der ersten Frau ihres Mannes, verglichen zu werden.
Sie erfährt, dass Rebecca bei einem Segelunfall ertrunken sei. Sie versucht in ihre Rolle hineinzuwachsen, doch bei einem von ihr geplanten Kostümball eskaliert die Situation, weil sie (beeinflusst durch Mrs Danvers) das gleiche Kleid trägt wie Rebecca zuvor - ihr Mann ist geschockt und sie glaubt, ihre Ehe sei endgültig gescheitert. Zudem bedrängt Mrs Danvers sie erneut und schildert ihr Leben als zweite Ehefrau als wertlos.
Ein Schiff in Seenot in der Bucht vor Manderley bringt die Wende im Roman - Taucher finden das Schiffswrack von Rebeccas Boot in der Bucht mit einer Leiche an Bord.
Der zweite Teil des Roman beschäftigt sich mit den Ermittlungen zum Tod von Rebecca. Nachdem ein Unfall ausgeschlossen ist, wird mehrfach untersucht, ob Rebecca sich selbst getötet hat - und Maxim de Winter steht natürlich unter Verdacht. In dem Moment als sich diese Probleme gelöst und auch die Beziehung der Eheleute sich ins Positive kehrt, steht Mandeley und damit auch ihre Zukunft in Flammen.

Das Faszinierende an dem Plot von Rebecca ist die Teilung des Romans: Es gibt zwei voneinander getrennte Spannungskurven, beide mit einer eigenen Atmosphäre. Im ersten Teil ist die Ich-Erzählerin ein verschüchtertes Wesen, überfordert mit der neuen Situation, die sich in einer sehr bedrohlichen Atmosphäre eines dramatisch beschriebenen Herrenhauses und steten Referenzen auf ihre Vorgängerin wiederfindet. Dabei bleibt unklar, wie Rebecca wirklich war, denn es ist überdeutlich, dass niemand, der der Ich-Erzählerin berichtet, ein realistisches Bild zeichnet, sie wird immer mehr zu einer Bedrohung und ist eine unerreichbare Konkurrenz in ihrer andauernden, übermächtigen Präsenz - sowohl in den Köpfen der Menschen als auch in dem Gemäuer Manderleys. Die Beziehung zu ihrem Mann ist dabei ohne tieferen Wert, er ist abwesend oder emotional und aufbrausend und ihr keinerlei Hilfe. Man möchte ihr nahezu zustimmen, wenn sie reflektiert, dass diese Ehe gescheitert ist.
Doch dann kommt der Umbruch, eigentlich ein Horrorszenario: Durch das Auffinden von Rebeccas Leiche auf dem Boot wird klar, dass die Umstände ihres Todes ganz anders waren, als ihre Mitmenschen ihr bislang geschildet haben - und ihr Mann gesteht ihr seinen Hass und den Mord an Rebecca! Der Effekt, den diese Enthüllung auf sie hat, ist überraschend und unerwartet und vielleicht auch ein unglaubwürdiger Moment in dem Roman. Statt zu flüchten, fängt sie nun endlich an, ihre eigene Rolle als Hausherrin und Ehefrau zu definieren und eine Beziehung zu ihrem Mann aufzubauen. Jetzt liegt der Fokus der Erzählung auf der Vertuschung des Mordes, trotz der neuen Beweise muss alles auf Selbstmord hinweisen. Rebecca scheint dem aus dem Grab heraus entgegen zu arbeiten, dennoch zieht Maxim de Winter schließlich den Kopf aus der Schlinge. Doch das Happy End bleibt dem Paar verwehrt, Manderley brennt ab - wenngleich unklar ist, ob Manderley nicht für immer ein letzter Ort von Rebeccas Präsenz geblieben wäre, und seine Zerstörung nicht unabdingbar war.

Rebecca ist vielleicht literarisch gesehen kein großer Roman, Hitchcock hingegen hat ihn nicht ohne Grund als Filmstoff ausgewählt. Er hat eine große atmosphärische Dichte, düstere Charaktere, die zwar nicht liebenswert, aber facettenreich sind. Einzig die Persönlichkeit der Ich-Erzählerin durchlebt eine unrealistische Entwicklung, die sich eher dem Plot unterordnet als dass sie in sich plausibel ist. Das mächtige Manderley hingegen hat fast die Bedeutung eines weiteren Charakters in dem Roman, eine Verkörperung von Rebecca und was sie Großes schaffen konnte, obwohl sich darunter eine selbstsüchtiges, rücksichtsloses Wesen verbarg.
Bei einer feministischeren Sicht auf das Buch ist augenscheinlich, dass beide Frauen äußerst einseitig und in klaren Gegensätzen von gut und böse, (dem Mann) angepasst und widerspenstig-egoistisch (selbstbewusst!) gezeichnet werden - was vielleicht bei dem Erscheinungsjahr 1938 nicht anders zu erwarten ist, aber dennoch bedauerlicherweise bedeutet, dass du Maurier als weibliche Schriftstellerin hier keine Lanze für die Frauen brach, sondern in konservativen Denkmustern verharrte.

Daphne du Maurier, Rebecca. Argonverlag 2007.

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