Chanel Cleetons Roman Nächstes Jahr in Havanna erzählt die Geschichten zweier kubanischer Frauen, Elisa und Marisol. Elisa ist Marisols Großmutter und verlässt Kuba im Jahr 1958 mit ihren Eltern und Schwestern noch vor dem endgültigen Sturz des kubanischen Diktators Fulgencio Batista und der Machtergreifung durch Fidel und Raúl Castro, Camilo Cienfuegos und Ernesto "Che" Guevara.
2017 fliegt Marisol von Miami aus nach Kuba, um die Asche ihrer Großmutter dort beizusetzen.
In Elisas Geschichte erfahren wir viel über den Luxus, in dem die wohlhabenden Plantagenbesitzer in Kuba leben: Sie verkehrt in den besseren Kreisen, kümmert sich wenig um Politik und ist mit Kleidern und Parties beschäftigt. Das ändert sich, als sie einen jungen Mann kennenlernt, der intensiv an den politischen Veränderungen beteiligt ist - ihre Liebe muss daher geheim gehalten werden und hat keine Zukunft.
Marisol erfährt erst etwas über diesen Aspekt des Lebens ihrer Großmutter, als ihr deren Jugendfreundin alte Erinnerungsstücke und Briefe aushändigt, die sie 1958 zurückgelassen hat. Während sie nach und nach mehr darüber herausfindet, verliebt sie sich selbst in einen Mann, der wegen seiner politischen Ansichten ebenfalls verfolgt wird.
Cleeton verbindet die zwei Zeitebenen sowohl durch die Liebesgeschichten und durch die politischen Probleme. Ich weiß zu wenig über Kubas Geschichte, um zu beurteilen, wie gut diese im Roman wiedergegeben wird. Die politischen Passagen erschiedenen mir persönlich allerdings etwas verkürzend-oberflächlich - gerade so, dass man einen groben Eindruck erhält, worin die Probleme des Landes bestehen. Nachvollziehbar erschien mir die Naivität Elisas, die nur langsam begreift, was in ihrem Land geschieht, wobei ihre Liebe auf den ersten Blick zu dem Revolutionär nicht ganz glaubhaft ist. Aus ihrer Rolle heraus wäre eine stärkere Ablehnung von allem, wofür er steht, logischer gewesen. Ebenso schwierig finde ich die Liebesgeschichte Marisols, die sehr gezwungen wirkt, wobei mich an ihrer Geschichte die Naivität, mit der sie in das Land ihrer Familie reist, noch stärker gestört hat. Sie will einen Bericht über touristische Ziele und Restaurants schreiben? Das kann mit ihrem familiären Hintergrund und dem Wissen um die Vergangenheit und Gegenwart des Landes nicht ernsthaft ihr Wunsch sein! Die etwas gezwungene Zusammenführung der beiden Geschichte durch die Person des ehemaligen und von Elisa totgeglaubten Geliebten ist nachvollziehbar, damit der Plot einen Abschluss finden kann.
Sprachlich konnte ich dem Roman nicht viel abgewinnen, viele sprachliche Wendungen wirkten plump und es gab auffällige Wiederholungen bestimmte Formulierungen. Dies mag eventuell aber der Übersetzung geschuldet sein.
Insgesamt hatte ich mir von dem Roman deutlich mehr versprochen. Kuba ist mir nicht wirklich näher ans Herz gewachsen, es kam keine Faszination mit dem Land auf, eher ein bedrückendes Gefühl. Der Spagat zwischen emotionaler Liebesgeschichte und politischer Schilderung gelingt meines Erachtens nicht - aber vielleicht ist dies auch nicht der Anspruch gewesen.
Chanel Cleeton, Nächstes Jahr in Havanna. Random House Audio 2019.
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