Margaret Mitchells Vom Winde verweht ist ein Klassiker der amerikanischen Literatur. Es ist zudem Mitchells einziger Roman, der Grund für ihren 1937er-Pulitzer-Preis und die Vorlage für den 1940 mit acht Oscars und zwei Ehren-Oscars ausgezeichneten Film. Gründe genug, sich diesem Brocken mal anzunähern (über 1100 Seiten!). Die Audiofassung mit Ulrich Noethen bringt es auf über 41 Stunden, eine lange Zeit, die man mit Scarlett auf Tara und in Atlanta zubringt.
Auch wenn mir die Protagonistin einiges abverlangt hat mit ihrem Egoismus und Unsensibilität bis hin zur Skrupellosigkeit, so war ich nicht in Versuchung abzubrechen. Mitchell griff für die Darstellung des Bürgerkriegs auf die Berichte von Verwandten und Bekannten zurück, die den Krieg bzw. dessen konkrete Nachwirkungen erlebt hatten, es ist weder eine detaillierte geschichtliche Darstellung noch in irgendeiner Form eine ausgewogene Erzählung, die Perspektive der befreiten Sklaven spielt keine Rolle. Erwartete man dieses, so wäre der Roman sicher unerträglich zu lesen. So ist er eine Momentaufnahme der Südstaatlerin Mitchell, eine Sichtweise aus dem Jahr 1936. Scarletts teils unschöne Eigenschaften lassen sie gleichzeitig Schritte wagen, die sie als angepasste "Southern Belle" niemals hätte tun können: Sie übernimmt die Rolle des Familienoberhaupts in Zeiten der größten Not und damit die Verantwortung für das Überleben vieler abhängiger Menschen, sie wird zur Unternehmerin in einer Zeit, in der Frauen nicht arbeiteten, vor allem nicht Menschen der oberen Gesellschaftsschicht. Sie setzt sich über die Konventionen bei ihrer Männerwahl hinweg (wenngleich ihre Entscheidungen abstrus wirken) und heiratet dreimal in einem Zeitraum von wenigen Jahren und sie verweigert sich der Mutterrolle. So ergeben sich schon viele spannende Momente in diesem Mammutwerk, es wird nicht langweilig. Jetzt werde ich mir auch noch einmal den Film anschauen (müssen), was in der Weihnachtszeit mit den vielen Klassiker-Wiederholungen nicht schwer sein wird.
Margaret Mitchell, Vom Winde verweht. Hoffmann und Campe 2008.
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