Khaled Hosseinis Traumsammler umfasste als Audiobook über 13 Stunden und war damit eine lange Hörherausforderung. Das Buch begleitete mich viele Tage lang, was irgendwie gut dazu passte, dass der Roman so viele Erzählstufen/-ebenen hat.
Abdullah und seine kleine Schwester Pari wandern mit ihrem Vater durch die afghanische Wüste nach Kabul, er erzählt ihnen ein Märchen: Ein Djinn entführt den kleinen Jungen einer armen Familie. Dem Vater raubt dies schier den Verstand, er bricht zu einer beschwerlichen Reise auf, um den Jungen wiederzubekommen. In dem Palast des Djinn angekommen, sieht er, dass sein Junge dort ein besseres Leben und eine hoffnungsvolle Zukunft hat, trotz seiner Trauer lässt er ihn dort und wird dafür von dem Djinn belohnt.
Erst hinterher wird klar, dass dieses Märchen als Parabel für die bevorstehenden Geschehnisse des Romans steht: Der Vater lässt Pari bei einer reichen, aber kinderlosen Familie in Kabul, Abdullah, der mit seiner Schwester extrem verbunden ist, zerbricht beinahe daran.
Hosseini entspannt auf diesem Anfangskonflikt die Lebensgeschichten von zahlreichen Personen, die teils direkt, teils indirekt, teils nur sehr entfernt mit dem Leben von Abdullah und Pari verbunden sind. Die Details ihrer Erzählungen und die unterschiedlichen Perpektiven verbinden sich nach und nach kaleidoskopartig zu einem vielschichtigen Gesamtbild. Nichts ist schwarz oder weiß, alle Beteiligten hatten ihre eigenen Beweggründe, ihren eigenen Handlungsantrieb, der die Geschichte über die Jahre beeinflusst hat.
Lange vor dem tatsächlichen Schluss des Romans ahnt man schon, dass es wohl kein Happy End geben wird, Pari und Abdullah finden sich nicht im eigentlichen Sinne wieder. Dennoch gibt es die Möglichkeit zu Glück und Erkenntnis.
Der Erzählstil Hosseinis ist unbestritten wunderbar, er zeichnet die Charaktere und Orte lebendig und glaubhaft. Man taucht ein in seine Welt, am besten vor allem in die Realität Afghanistans damals und heute, der Armen und der Reichen, die er am detailliertesten schildert. Die anderen Orte in Frankreich, Griechenland oder den USA bleiben dahinter zurück, wirken blasser im Vergleich.
Trotzdem ging es mir beim Traumsammler auch wieder ähnlich wie beim Drachenläufer: Trotz der guten Erzählung ist da ein Unbehagen, ein Nicht-warm-werden mit den Protagonisten, eine Fremdheit. Vielleicht sind sie zu glaubhaft, spiegeln zu sehr, dass kein Mensch wirklich gut ist, jeder vielmehr seine eigenen Ziele egoistisch verfolgt und dafür eben auch bereit ist, das Unglück anderer in Kauf zu nehmen. Das will man vielleicht nicht so deutlich vor Augen geführt bekommen.
So ist da Hochachtung vor dem erzählerischen Talent, aber es bleibt auch ein zutiefst subjektives Nicht-so-sehr-mögen.
Khaled Hosseini, Traumsammler. Argon 2013.
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