Dabei ist der Plot schnell erzählt: Über Nacht wird eine nicht namentlich genannte Frau von einer unsichtbaren Wand in den Bergen eingeschlossen. Gesellschaft hat sie nur von einigen Tieren und sie schreibt in ihren Erlebnisbericht, der mehrere Jahre umfasst, wie sie das alltägliche (Über-)Leben bewältigt.
Es ist also eine Art weibliche Robinsonade (Männer kommen kaum vor und in der charakterlichen Begutachtung auch nicht gut weg), weite Teile der Erzählung drehen sich um die Sicherung von Nahrungsmitteln und häuslichem Schutz. Zwischendurch schildert die Erzählerin auch, wie Erinnerungen und Einsamkeit ihr zu schaffen machen, aber erstaunlicherweise beschäftigt sie die Abgeschiedenheit von menschlichem Kontakt und Kultur nicht sehr. Sie findet Trost bei den Tieren (Hund, Katzen, Kuh) und nimmt mehr Anteil an deren Schicksal als an dem ihrer Familie. Warum die Wand erschienen ist und was außerhalb ihres Tals geschehen ist, berührt sie wenig, auch wenn sie weiß, dass alle Menschen und Tiere tot sind. Vielmehr scheint sie an manchen Stellen trotz der Beschwerlichkeit und Bedrohlichkeit ihres Lebens froh zu sein, sich nicht mehr mit gesellschaftlichen Zwängen auseinandersetzen zu müssen und blickt abfällig darauf zurück. Wahre Trauer äußert sie nur über das tödliche Schicksal ihres Hundes, das sie bereits auf den ersten Seiten ihres Berichts erwähnt. Als Leser muss man aber bis zu den letzten Seiten ausharren, um zu erfahren, was dem Tier widerfahren ist. Andere Passagen über das Versorgen der Tiere, das Bestellen ihres Kartoffelackers oder die Heuernte sind oft langatmig und manchmal auch langweilig. Insgesamt ist die Stimmung des Romans eher düster, nur selten durchbrochen von den kurzen Glücksmomenten, die die Erzählerin angesichts ihrer Naturerfahrungen erfährt. Ihr Bericht endet (es ist auch kein Papier mehr zur Verfügung), ihr Schicksal bleibt offen.
Die Wand entwickelt trotz des langsamen Erzähltempos und der bedrückenden Atmosphäre einen gewissen Lesesog, der sich schwer genauer erklären lässt. Das Setting ist so ungewöhnlich und konstruiert, dass man die apokalyptische Situation schnell einfach hinnimmt (Fragen nach Gründen und Hintergründen werden sowieso nicht beantwortet) und sich auf die Lebens- und Gefühlswelt der Erzählerin einlässt. Und auch diese ist ungewöhnlich und vielleicht sogar extrem. Verstörend.
Marlen Haushofer, Die Wand. List, Berlin 2009.
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