Nach seinem Erfolg mit Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand hat Jonas Jonasson nun seinen zweiten Roman veröffentlicht, dessen Titel, Die Analphabetin, die rechnen konnte, bereits eine gewisse Ähnlichkeit verdeutlicht (zugegeben nur in der deutschen Übersetzung).
Analphabetin ist die Protagonistin, die schwarze Südafrikanerin Nombeko, nur für einen kleinen Teil der Geschichte, da sie sich selbst innerhalb kürzester Zeit das Lesen beibringt und damit ihr Leben in Fahrt kommt. Aus den Slums heraus landet sie per Zufall und wider ihren Willen im Atomentwicklungsprogramm Südafrikas und da der Chefingenieur ein Alkoholiker und Nichtsnutz ist, übernimmt sie bald den Laden. Ihre Flucht einige Jahre später gelingt zwar, ein weiterer Zufall sorgt aber dafür, dass ihr eine zuviel produzierte Atombombe mitgeschickt wird.
Das Land, in das sie flieht, ist Schweden, wo sie mitsamt der Bombe auf ein sehr ungleiches Zwillingspaar mit einer ähnlich bizarren Lebensgeschichte wie ihre eigene trifft.
Eine Ansammlung von überraschenden Wendungen und unglaublichen Begebenheiten über einen Zeitraum von mehreren Jahren begleiten die Versuche, eben diese Atombombe an einen sicheren Ort zu bringen bzw. der schwedischen Regierung auszuhändigen. Doch schließlich kommt es noch anders, noch bizarrer.
Wie bei Jonassons Erstlingswerk ist der Plot kaum vorhersehbar, es ist nur sicher, dass das nächste überraschende Ereignis nicht weit ist. Die Protagonistin ist intelligent und sozial geschickt und rettet die oftmals ausweglose Situation mit genial-absurden Lösungsideen, während einige der anderen Charaktere nur dazu dienen, immer neue Probleme durch ihr irrationales oder dummes Verhalten zu schaffen. Bewusst Figuren zu schaffen, die unglaubwürdig scheinen, ist ungewöhnlich, aber höchst unterhaltsam.
Unter der unterhaltenden Schicht des Romans liegt aber außerdem noch das Thema der extremen bzw. fundamentalistischen politischen Überzeugungen. Diese kommen in den verschiedensten Erscheinungsformen vor und werden vorgeführt als nicht erstrebenswerte Systeme, sei es die Apartheid Südafrikas, die Monarchie Schwedens, der Kommunismus allgemein oder dieVolksrepublik China, um nur einige zu nennen. Dieser Aspekt tritt für mich aber deutlich hinter der humorvollen Ebene des Romans zurück und ist nicht besonders relevant.
Die Lesung von Katharina Thalbach mit ihrer ungewöhnlichen Stimmfärbung passt exzellent zut Protagonistin Nombeko, die sie mit ihrem vorsichtigen, aber direkten und überzeugenden Handlungen überzeugend darstellt.
Einzige Kritik, die man haben kann, ist sicher, dass Jonasson sich mit der Analphabetin selbst kopiert, was ich ihm aber nach dem extremen Erfolg seines ersten Romans nicht verdenken kann. Im direkten Vergleich ist der neue Roman ein wenig schwächer, die Wendungen wirken vielleicht ein wenig gewungener und nicht ganz so luftig-leicht wie bei dem Hundertjährigen. Dennoch ist Analphabetin ein sehr witziger und unterhaltsamer Roman, der mit seinem besonderen Stil aus der Masse der Neuerscheinungen herausragt. Wünschenswert wäre, wenn Jonasson nun etwas Neues, etwas ganz Anderes versuchen würde, um seine Leser ein weiteres Mal zu überraschen.
Jonas Jonasson, Die Analphabetin, die rechnen konnte. Hörverlag 2013.
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