Der Junge, der sich in Luft auflöste von Siobhan Dowd war ein Zufallsfund in der Bibliothek, stand einfach in einem Regal ganz vorn und ich fand das Cover interessant. Die britische, 2007 verstorbene Autorin erzählt die Geschichte aus der Perspektive des Jungen Ted. Ted ist anders als andere Kinder, sein Hirn hat - so beschreibt er es - ein anderes Betriebssystem als das anderer Menschen. Zudem hat er Schwierigkeiten, die Gefühlszustände anderer Menschen zu erkennen und bildhafte Redewendungen versteht er ebenfalls schlecht. Es wird im Buch nicht explizit gesagt, aber Ted scheint am Asperger-Syndrom zu leiden. Sein Spezialgebiet - Menschen mit Asperger entwickeln oft ein ausgeprägtes Intersse an einem bestimmten Wissenszweig - ist Meteorologie. So beschäftigt sich ein Teil des Buches auch mit seinem Denken, seinen Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen und natürlich seinem Spezialgebiet, das ihm Sicherheit in belastetenden Situation, aber auch Denkanstöße und Vergleichsmöglichkeiten bietet.
Die Story selbst ist relativ vorhersehbar: Teds Familie bekommt Besuch von Tante Gloria und deren Sohn Salim. Beide sind auf dem Weg nach New York, Gloria hat dort einen neuen Job und Salim freut sich offensichtlich nicht über den Umzug.
Auf der Fahrt im Londoner Riesenrad verschwindet Salim spurlos - er steigt ein, aber als die Kapsel wieder unten ankommt, können Ted und Kat nicht entdecken, er hat sich in Luft aufgelöst. Der erwachsene Leser ahnt, dass dies mit Salims Unwillen, nach New York umzuziehen zu tun hat. Dennoch verfolgt man mit Spannung, wie Ted und Kat sich zusammentun, um Salim wiederzufinden. Kats Tatendrang und Teds ungewöhnliche Denkstrukturen ergeben erst zusammen die passende Mischung, die zum Erfolg führt.
Es ist eine sympathische Geschichte mit einem sympathischen Protagonisten, sie liest sich flüssig und anschaulich, hat weder Längen, noch lässt sie Dinge aus. Dennoch verpasst das Buch vielleicht die Chance, für Menschen wie Ted eine Lanze zu brechen. Es hätte noch deutlicher oder klarer werden können, wie schwierig für Menschen mit Asperger-Syndrom die Deutung ihrer Mitmenschen ist und welche Probleme auch deren scheinbare Abgewandtheit und Emotionslosigkeit für ihre Umwelt darstellt. Zwar wird Teds Andersartigkeit klar - da er aber hauptsächlich von seiner Familie umgeben ist, werden viele Alltagsprobleme - zum Beispiel in der Schule - nicht thematisiert. Als Kriminalfall allein taugt der Roman wiederum auch nicht, dazu ist die Lösung zu klar erkennbar. Was bleibt, ist aber dennoch ein guter Jugendroman.
Siobhan Dowd, Der Junge, der sich in Luft auflöste. Carlsen, Hamburg 2008.
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