Wien 1791: Mozart liegt im Sterben... und wacht - wie der Titel von Eva Baronskys Roman schon vorwegnimmt - wieder auf, und zwar im Jahr 2006! Zunächst ist er sehr verwirrt und kann sich nur schwer zurechtfinden in der modernen Welt. Seine "Wiederkehr" begründet er sich selbst damit, dass Gott wolle, dass er sein Requiem nun doch zuende schreibe. Doch wäre er nicht Mozart, wenn er diese Aufgabe direkt angehen und vollenden würde. Baronsky gestaltet ihren Mozart mit dem, was über seinen Charakter bekannt ist: Mozart ist humorvoll, fast kindlich dabei, von seiner Musik phasenweise völlig in Beschlag genommen und dadurch realitätsfremd, unfähig Zeitplanung und Finanzen zu organisieren und das Leben und die Musik liebend. Da seine Ehefrau Constanze natürlich nicht bei ihm ist, versucht der polnische Straßenmusikant und Wirtshausgeiger Piotr Mozart in der Spur zu halten, auch an das Geld und den nächsten Tag zu denken und auch über berufliche Möglichkeiten nachzudenken. Doch Mozart schafft es alle Gelegenheiten verstreichen zu lassen, die sich ihm bieten, der Liebe und der Musik wegen. Als die Situation ausweglos zu sein scheint, taucht ein Gönner und Auftraggeber auf, der ihn daran erinnert, das Requiem zu vollenden. Es fehlt nur noch das Lacrimosa, aber vor dem ängstigt Mozart sich...
Die Idee, eine interessante historische Figur in die Gegenwart zu versetzen, ist nicht neu. Die Umsetzung hingegen gelingt unterschiedlich gut. Baronsky macht ihren Mozart zu einer liebenswerten, aber glaubhaften Figur, mit den genialen und den menschlich teils problematischen Seiten seines Wesens. Historisch wirkt dies akurat und ausreichend recherchiert. Besonders das erste Drittel des Romans ist sehr unterhaltend, man empfindet die Deplatzierung Mozarts nach, vor allem sprachlich und die gesellschaftlichen Konventionen betreffend. Als er beginnt, seine neue Welt zu erkunden und vor allem 200 Jahre Musikgeschichte nachzuholen, ist dies spannend und witzig zugleich. Auch sein Staunen und sein Urteil über die musikalische Gegenwart sind interessant, seine Anpassung an die neue Wirklichkeit so denkbar und bemerkenswert. Im weiteren Verlauf verpufft diese Spannung leider ein wenig, an die Stelle des Abenteuers und des Entdeckens tritt eine Stimmung des Scheiterns. Obwohl das Genie weiter in ihm lebendig ist, gelingt es ihm auch bei diesem seinem zweiten Versuch nicht, dafür die Anerkunnung und Erfüllung zu finden, die er eigentlich verdient hat und die er sich ersehnt.
In der Summe ist Herr Mozart wacht auf ein unterhaltsamer Roman, der Musik und Komponist gebührende Anerkennung schenkt.
Eva Baronsky, Herr Mozart wacht auf. Aufbau, Berlin 2011.
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Für die Buchchallenge 20/15 habe ich in diesem Buch aus der II. Umgebung das Verkehrsmittel ausgesucht.
Sowohl Mozarts erste Autofahrt als auch die Begegnung mit der U-Bahn sind witzig erzählt.
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